Tigerhai-Embryos wechseln und verschlucken im Mutterleib ihre Zähne
Knorpelfische wie Haie und Rochen besitzen ein Revolvergebiss, bei dem abgebrochene Zähne immer wieder nachkommen. Auch die Zahnform ändert sich bei vielen Haiarten im Laufe des Lebens, etwa beim Tigerhai. Deren Embryonen wechseln bereits im Mutterleib die ersten Zähne und verschlucken diese, berichten Wiener Paläontologen im Fachblatt "Journal of Anatomy". Ihre Arbeit soll helfen, aus den unzähligen erhaltenen Haizähnen Rückschlüsse auf ausgestorbene Arten zu ziehen.
Der häufige Zahnwechsel und die mehrfache Änderung der Zahnform ist für Paläontologen vorteilhaft, aber auch eine Herausforderung. Denn sie haben dadurch sowohl von lebenden als auch von fossilen Knorpelfischen eine unglaubliche Menge an Zähnen, anhand derer sie untersuchen können, wann und wie welche Art entstanden beziehungsweise wieder ausgestorben ist. Es fehle allerdings bisher an systematischem Wissen, erklärte Julia Türtscher vom Institut für Paläontologie der Universität Wien in einer Aussendung. Detaillierte Beschreibungen von Zahnformen und deren Änderung seien für die meisten Arten kaum vorhanden.
Lücke geschlossen
Türtscher und ihr Team haben für den Tigerhai (Galeocerdo cuvier) diese Lücke geschlossen. Sie hat die Zahnformen für die vier Entwicklungsstadien des bis zu 5,5 Meter langen Tiers analysiert und im Detail beschrieben. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die Form der Zähne im Laufe des Hailebens graduell und subtil verändert: Sie werden einerseits größer und andererseits komplexer", so Türtscher.
So haben die Zähne dieser Haie ein Sägemuster ("Zähnelung") und jede einzelne dieser Sägekanten ist bei erwachsenen Tieren noch einmal gezähnelt. Dieser komplexe Aufbau ermöglicht es erwachsenen Tigerhaien, sich von einem breiten Beutespektrum zu ernähren und selbst Schildkrötenpanzer und große Beutetiere zu durchtrennen. Die jüngeren Tigerhaie hingegen besitzen nur einfach gezähnelte Zähne und ernähren sich hauptsächlich von kleineren Fischen.
Im Rahmen der Studie hat die Wissenschafterin erstmals auch die Zahnform von Tigerhai-Embryos umfassend beschrieben. Sie zeigte, dass die Tiere bereits im Mutterleib Zähne noch ohne Sägemuster ausbilden, bereits vor der Geburt der permanente Zahnwechsel einsetzt und die neu gebildeten Zähne erste primäre Zähnelungen aufweisen.
Je größer die Tiere werden, umso größer werden die Zähne und es kommen mehr primäre Zähnelungen hinzu. Die sekundären Sägemuster entwickeln sich allerdings erst relativ spät, wenn die Tiere eine beachtliche Größe angenommen haben. Auch bei ausgestorbenen Verwandten der Tigerhaie hatten große Arten doppelt gezähnelte Zähne und kleinere Arten nur eine einfache Zähnelung.
Service: https://doi.org/10.1111/joa.13668