#CoronaAlltag: Suche nach Wirkstoffen - und mehr Nachhaltigkeit
Als Biotech-Unternehmen, das mithilfe von Algorithmen, Machine Learning und Big Data eine große Anzahl an Enzymen und Wirkstoffen am Computer screent und auf Wirksamkeit hin testet, kamen wir früh mit dem Begriff des "neuen" Coronavirus in Berührung. Wir haben Anfang des Jahres aus Eigeninitiative nach Schlüsselenzymen des SARS-CoV-2 Virus gesucht. Das Chinese Center for Disease Control and Prevention wandte sich an uns, um Daten zu Wirkstoffen als theoretisches Gegenmittel zum Coronavirus anzufragen und mit uns zusammenzuarbeiten. Mittlerweile arbeiten wir im Rahmen eines internationalen Konsortiums mit Partnern wie Google, den Universitäten Harvard und Graz oder dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) im Projekt FASTCURE daran, bewilligte Medikamente als potenzielle Gegenmittel gegen SARS-CoV-2 zu finden.
Die Thematik und verbundene Gefahren waren daher nicht neu für uns. Unsere Kollegen in China haben Wochen vor uns ähnliche Maßnahmen erlebt und uns ständig über den Stand informiert. Innophore hat deshalb Anfang Februar beschlossen, in Heimarbeit zu gehen, um langfristig als Firma nahtlos operativ zu bleiben. Ich muss dazusagen, dass für uns, da wir hauptsächlich am Computer tätig sind, sich die Arbeitsweise nicht so stark ändert. Unternehmerisch spüren wir teilweise auch, was andere Firmen spüren. Aber wir haben uns vor der Krise auf unser Kerngeschäft fokussiert und werden das auch nach der Krise tun.
Wir befinden uns in einer Ausnahmesituation, die ernst zu nehmen ist. Dennoch sind Krisenzeiten auch Zeiten des Wandels, in denen sich Chancen auftun: Die Digitalisierung der Wirtschaft wird durch die aktuelle Situation stärker vorangetrieben und nachhaltigeren Platz in der Arbeitswelt finden. Persönliche Treffen werden auch in Zukunft wichtig sein, aber viele Kundengespräche lassen sich dank technischer Möglichkeiten wie Videokonferenztools online durchführen. Ein gelungenes Beispiel ist das virtuelle Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten. Zukünftig lassen sich viele Treffen digital abhalten und im Sinne der Nachhaltigkeit viele Reisen vermeiden.
Die Ausgangsbeschränkungen werden hoffentlich in bald vorüber sein und der gewohnte Alltag langsam wiederkehren. Die Herausforderung, den Klimawandel zu stoppen, wird aber bleiben. Für uns alle. Wenn uns das SARS-CoV-2 Virus eines gezeigt hat, dann ist es der globale Wille zur Solidarität. Ich sehe das täglich in unserer wissenschaftlichen Arbeit. Die globale Wissenschaftscommunity rückt näher. Daten und Erkenntnisse werden frei zur Verfügung gestellt, ohne dass Gewinn im Vordergrund steht. Oftmals aus einem Eigenantrieb heraus, mit eigenfinanzierten Mitteln. So ist es auch bei uns. Warum wir das tun? Weil wir es können, und weil es unsere menschliche Pflicht ist, an einer Lösung (mit-) zu arbeiten.
Die wahren Helden in der Krise sind aber nicht wir Wissenschaftler, die den Vorteil haben, geschützt hinter einem Computer zu sitzen, sondern die Menschen, die sich einer akuten Ansteckungsgefahr aussetzen, um anderen zu helfen und unser Gesundheits- und Gesellschaftssystem aufrechterhalten. Das Personal in Spitälern vollbringt Heldentaten, um Leben zu retten. Die Automobilbranche stellt ihre Produktion auf Beatmungsgeräte um. Textilfabriken nähen Schutzmasken. Gastronomiebetriebe kochen für HelferInnen. All diese Berufsgruppen leisten Großes. Durch ihre Arbeit sowie soziale und wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen können wir als Forscher erst unsere Arbeit machen. Insofern rückt das Virus das Große und Ganze und unsere Rolle darin auch ein Stück weit zurecht.
Die mit der Quarantäne verbundene Entschleunigung, die wir erfahren, zeigt uns, dass wir mit mehr Ruhe auch mehr Nachhaltigkeit erreichen. Ich würde mir wünschen, dass aus diesem Umdenken zukünftig ein Wertewandel und Handeln resultiert. Denn wirtschaftlicher Erfolg braucht, als Basis, in erster Linie ein gutes Gesundheitssystem und ebenso eine funktionierende Forschungslandschaft.
Zur Person: Mag. Dr.rer.net. Christian Gruber, ist Gründer und Geschäftsführer der Grazer Innophore GmbH, das als Spin-off aus dem Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und der Universität Graz hervorgegangenen ist. Der Biochemiker ist in weiteren Funktionen als Senior Researcher am acib und als Lektor an der Universität Graz, der Technischen Universität Graz sowie der Fachhochschule Joanneum Research tätig.
Service: Dieser Gastkommentar ist Teil der Rubrik "Corona - Geschichten aus dem Krisen-Alltag" auf APA-Science: http://science.apa.at/CoronaAlltag. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.