Physiker sehen der Erde mittels Quantenverschränkung beim Rotieren zu
Mit einem ausgeklügelten Experiment ist es einem Wiener Physiker-Team gelungen, die Erdrotation mittels Quantenverschränkung viel genauer zu messen als das bisher mit dieser Herangehensweise möglich war. Im Fachmagazin "Science Advances" stellte das Team ihren Ansatz vor. Er eröffnet neue Möglichkeiten für Experimente, die Einblicke in das Zusammenspiel von der Welt der Quantenphysik und Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie, die auch die Gravitation beschreibt, eröffnen.
Zwischen diesen beiden "Welten" klafft gewissermaßen eine Lücke: Während die teils bizarren Phänomene der Quantenphysik im Bereich des Allerkleinsten die Abläufe bestimmen, so lässt sich die Gravitation bekanntlich mit den klassischen Regeln der Physik treffend beschreiben und berechnen. Wissenschafter sind daher auf der Suche nach Systemen, in denen beide Bereiche zusammenfinden können.
Dazu braucht es neue Methoden für Präzisionsmessungen, wo mit Quantensystemen Phänomene vermessen werden können, die durch die Gravitation beeinflusst werden. Das Fernziel der Physiker um Philip Walther von der Universität Wien ist es, einmal so sensible und stabile Quantensensoren zu entwickeln, mit denen der Einfluss kleinster Gravitationsänderungen auf die Quantenverschränkung gemessen werden kann, wie er im Gespräch mit der APA erklärte.
Ein Schritt dorthin ist dem Team nun gelungen: Die Basis dafür ist ein sogenanntes "Sagnac-Interferometer". Das ist seit über 100 Jahren das empfindlichsten Gerät für die Messung von Rotation. Selbige nämlich zweifelsfrei festzustellen, ist gar nicht so einfach - vor allem, wenn man sich als Messender selbst in Rotation befindet, wie eben es bei der Erdrotation der Fall ist.
Interferometer konstruiert
Beim Sagnac-Interferometer werden Lichtteilchen (Photonen) vom selben Punkt aus gestartet, dann wird der Laserstrahl geteilt und beide Teilstrahlen laufen in dem Aufbau in entgegengesetzter Richtung ihren Weg ab. Sieht man am Detektor am Ende der Schleife die charakteristischen Interferenzstreifen, zeigt das an, dass sich das Gerät in Rotation befindet und erlaubt das Messen selbiger.
Die Wiener Gruppe hat sich an die Konstruktion eines daran angelehnten Interferometers gemacht, das mit Quantenverschränkung arbeitet: "Wir nehmen zwei Lichtteilchen, die wir zu einer Gabelung schicken." Dort werden die beiden Teilchen als Paar in einen Zustand der Überlagerung bzw. Verschränkung gebracht, sodass beide Lichtteilchen gemeinsam, gleichzeitig gegenläufig beide Wege nehmen.
Befindet sich das Messgerät in Rotation verändern sich aber die beiden Weglängen minimal, "wenn das eine Lichtteilchen ein bisschen mit der Erddrehung mitgeht und das andere sich ein wenig dagegen bewegt", so Walther. Da aber die Teilchen nicht schneller als Lichtgeschwindigkeit sein können, findet eine Art Korrektur der Weglänge bzw. der Umlaufzeit statt.
Am Ende seiner Wege kommt das Paar dann wieder bei einer Weggabelung mit zwei möglichen Ausgängen an, wo es detektiert wird. Normalerweise würden bei beiden Ausgängen über die Zeit hinweg statistisch gesehen gleich viele Photonenpaare ankommen. Ist das System in Rotation, verschiebt sich dieses Verhältnis. Im Fall eines Quanten-Sagnac-Interferometers fällt diese Veränderung bei Quantenlicht größer aus als bei "normalem" Licht.
Zwei Kilometer lange Glasfasern
Um das zu sehen, mussten die Physiker einen Aufbau realisieren, bei dem zwei exakt gleich lange, zwei Kilometer lange Glasfasern, auf einer großen Spule aufgewickelt wurden. Das ist nötig, weil die zu erwartenden Effekte so extrem klein sind.
Zusätzlich musste das Team einen Weg finden, Photonen ohne den Einfluss der Erdrotation zu beobachten, um einen Vergleichswert zu erhalten. Da man die Erdrotation natürlich nicht für das Experiment stoppen kann, haben die Wissenschafter einen Weg gefunden, wie man "dem Licht im Grunde genommen vorgaukelt, dass es sich in einem nicht rotierenden Universum befindet", so der Hauptautor der Studie, Raffaele Silvestri, in einer Aussendung.
Letztlich komme man so auf eine auf Quantenverschränkung basierende Messung, die tausendfach präziser ist als alle bisherigen Experimente aus diesem Bereich. Und: "Wir haben erstmals gezeigt, dass so ein System über Tage stabil laufen kann", so Walther.
Dass man mit dem Quanten-Sagnac-Interferometer bei weitem nicht so genau misst wie mit der langerprobten, laserbasierten Methode, stört die Forscher nicht. "Für uns ist es schon ein großer Durchbruch zu zeigen, dass man diese Kontrolle über Quantenlicht tatsächlich bekommen kann." Der nächste Schritt sei nun, noch deutlich sensiblere Geräte auf Basis der Erkenntnisse zu bauen, die es in "drei bis fünf Jahren erlauben, auch den Einfluss der Gravitation zu messen, der noch viel schwächer als die Erdrotation ist".
Das bringe das Team seinem Ziel näher: "Herauszufinden, wie die Quantenphysik und die Gravitation zusammenspielen. Wir machen den ersten 'Meilenstein' dorthin und zeigen, dass die Quantentechnologie heute so weit entwickelt ist, dass wir in diesen sensiblen Bereich kommen", betonte Walther.
Service: https://dx.doi.org/10.1126/sciadv.ado0215