Tourismus bis Mikroben: Forscher über Folgen vom Gletscherschwund
Beim Gletscherrückgang zählt Österreich zu den am stärksten betroffenen Ländern. Was das für nahe am Eis oder an Gletscherflüssen lebende Menschen bedeutet, z.B. mit Blick auf Tourismus oder Wasser zur Stromproduktion, diskutieren Forschende und Betroffene am Donnerstag, dem Vortag des heuer erstmals begangenen "Welttages der Gletscher", im Tiroler Galtür. Dem Sterben der Gletscher widmet sich der Film "Requiem in Weiß" - Premiere zur Film-Tour ist am Mittwoch in Wien.
Gletscher zählen zu den beeindruckendsten Indikatoren des Klimawandels. So seien die jährlichen Dickenverluste des im Gemeindegebiet Galtürs liegenden Jamtalgletschers beispielsweise von im Mittel einem Meter auf etwa drei Meter pro Jahr gestiegen, erklärte Andrea Fischer, Glaziologin am Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Innsbruck und "Wissenschafterin des Jahres 2023", in einer Mitteilung. In wenigen Jahren werde deshalb nur mehr wenig Schmelzwasser im Gletscherbach fließen.
Vom (neuen) Leben und würdelosen Sterben
Ebenfalls am Podium vertreten sein wird die Mikrobiologin Birgit Sattler von der Universität Innsbruck und Direktorin des Austrian Polar Research Institute (APRI). Sie verwies im Vorfeld der Veranstaltung darauf, dass Gletscher nicht nur gefrorene Landschaften, sondern eigenständige Lebensräume sind, etwa für spezialisierte Organismen, die sich perfekt an extreme Bedingungen angepasst haben. Zum Schutz vor UV-Strahlung dunkel pigmentierte Mikroben würden nicht nur zur Gletscherschmelze beitragen. "Sie sind auch von großem biotechnologischem Wert, insbesondere aufgrund ihrer medizinisch wirksamen Komponenten", wurde Sattler zitiert.
Neben ihr und Fischer werden auch Lilian Schuster von der Uni Innsbruck und dem Wegweiser-Projekt "Goodbye Glaciers!? - Pfiati Gletscher!?" sowie Matthias Dengg als Vertreter des Fachverbandes Seilbahnen der Wirtschaftskammer Österreich und Gebhard Walter, Leiter der Wildbach- und Lawinenverbauung in der Sektion Tirol und gebürtiger Galtürer, mitdiskutieren. Thema sind demnach auch Auswirkungen der aktuellen Entwicklungen auf Wintersportregionen sowie notwendige Anpassung der Schutzsysteme an die geänderten Bedingungen.
Wer eher visuellen Belegen für das Gletschersterben zugeneigt ist, sei auf die "Premieren-Tour" des Dokumentarfilms "Requiem in Weiß - Das würdelose Sterben unserer Gletscher" von Harry Putz hingewiesen: Der 60 Minuten dauernde und an 13 Gletschern in Österreich, Deutschland und der Schweiz gedrehte Streifen wird zunächst am Mittwoch im Stadtkino Wien gezeigt, in Anwesenheit von Klimaforscherin Helga Kromb-Kolb, Liliana Dagostin vom Österreichischen Alpenverein und Alexandra Strickner von Global2000. Nächste Gelegenheit bietet sich Interessierten, wie die APA bereits berichtete, am 21. März in Innsbruck, bevor es weitere Stopps in Schlanders (Italien), München (Deutschland) und Naters (Schweiz) gibt.
"Feierlichkeiten" in Paris und New York
Auch an UNO-Standorten in Paris sowie in New York wird der erste "Welttag der Gletscher" - huckepack mit dem "Weltwassertag" (alljährlich am 22. März) - "gefeiert", wie es auf der Website zum Gletscherschutz-Jahr (IYGP 2025) heißt. Im Pariser UNESCO-Hauptquartier kommen von Donnerstag bis Freitag Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um sich zum Gletschersterben auszutauschen: "Angesichts der Rekordschmelze der Gletscher soll diese gemeinsame Feier die Bedeutung der Gletscher als 'Wassertürme der Welt' für Milliarden von Menschen unterstreichen, die auf sie angewiesen sind", heißt es in der Ankündigung. Im Rahmen des Treffens wird auch der UNO-Weltwasserentwicklungsbericht 2025 vorgestellt, der heuer Gletschern gewidmet ist. Zudem möchte man hier auch den Grundstein für die "UNO-Aktionsdekade für Kryosphärenwissenschaften" (2025-2034) legen.
Service: "Ice Matters/Fern(er) zählen", Alpinarium Galtür, 20. März, 19:00 Uhr, https://go.apa.at/OvAKHSDU; "Requiem in Weiß - Das würdelose Sterben unserer Gletscher" - Premierentour: https://freiluftdoku.com/requiem-in-weiss/; "2025 International Year of Glaciers' Preservation": https://www.un-glaciers.org