Was Eislaufen und Permafrost gemeinsam haben
Beim Eislaufen bildet sich ein dünner Flüssigkeitsfilm zwischen Kufe und Eis. Ähnliche Effekte treten auch in Permafrostböden auf - und zwar an den Grenzflächen zwischen Eis und porösen Tonmineralen. Forscher der Universität Wien und des Max-Planck-Instituts für Polymerforschung berichten nun im Fachjournal "Angewandte Chemie", dass diese dünne Wasserschicht in Tonmineralen zähflüssiger als herkömmliches Wasser ist.
Für die Eisglätte beim Schlittschuhlaufen sind verschiedene Effekte verantwortlich, etwa Druck- und Reibungsschmelzen. Aber selbst auf einer freien Eisoberfläche bildet sich bei Temperaturen unter 0 Grad Celsius ein dünner, durch die Grenzfläche hervorgerufener Flüssigkeitsfilm. Markus Mezger, Professor für Fluide an Grenzflächen an der Fakultät für Physik der Universität Wien, hat sich nun mit Kollegen vom Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz die Eigenschaften dieser Schmelzschicht genauer angeschaut.
Permafrostböden, die rund ein Viertel der Landfläche auf der Nordhalbkugel bedecken, setzen sich aus einer Mischung von Eis und anderen Materialien zusammen. Dazu zählen etwa Tonminerale, die aus mikroskopisch dünnen Plättchen bestehen. Die Kontaktflächen zwischen Eis und Tonmineralen sind durch deren porösen Aufbau riesig: Ein Gramm Tonmineral verfügt über zehn Quadratmeter Oberfläche. Ähnlich wie in einem Schwamm kann viel Wasser zwischen diese Plättchen gespeichert werden und gefrieren.
Viskosität höher als bei normalem Wasser
Weil sich an der Grenzschicht zwischen Eis und Tonmineral-Oberfläche ein Flüssigkeitsfilm bildet, gibt es auch unterhalb von 0 Grad Celsius einen vergleichsweise hohen Anteil an flüssigem Wasser in Tonmineral-hältigen Permafrostböden. "Wir haben den sogenannten Diffusionskoeffizienten dieser dünnen Schmelzschicht untersucht", erklärte Mezger gegenüber der APA. Dieser Wert gibt an, wie beweglich die Teilchen einer Flüssigkeit sind und hängt damit mit deren Viskosität zusammen. Die Viskosität gibt an, wie zäh- oder dünnflüssig eine Flüssigkeit ist.
Für drei verschiedene Minerale (Kaolin, Talg und Vermiculit) konnten die Forscher zeigen, dass die Viskosität des Wassers in der Grenzflächen-Schmelzschicht höher als jene von gewöhnlichem Wasser ist. Der Grund dafür ist, dass unterkühltes Wasser in zwei verschiedenen Zuständen vorkommt, die sich durch ihre Dichte unterscheiden, sagte Mezger. "Die Temperatur bestimmt die Mischung dieser beiden Komponenten und entscheidet damit über die Viskosität der Schmelzschicht."
Die Ergebnisse können dabei helfen, verschiedene Phänomene in Zukunft besser zu verstehen, betonen die Forscher. Sie könnten etwa in Modelle über die mechanische Stabilität von Permafrost einfließen, seien aber auch entscheidend etwa für den Transport von Pflanzennährstoffen oder Schadstoffen in den Böden.
Service: https://doi.org/10.1002/anie.202013125