Klima-Glossar: Flächenverbrauch und -versiegelung
Flächen- oder Bodenversiegelung bezeichnet die wasser- und luftdichte Abdeckung des Bodens. Jene hat eine Reihe ökologischer Konsequenzen, unter anderen geht produktiver Boden dauerhaft verloren. Etwa 11,3 Hektar an Fläche wird in Österreich täglich verbraucht, rund die Hälfte davon auch versiegelt. Im türkis-grünen Regierungsprogramm ist von einem Zielpfad zur Reduktion des Flächenverbrauchs auf 2,5 Hektar am Tag die Rede, aber gesetzliche Vorgaben fehlen weiterhin.
Flächen- oder Bodenversiegelung ist zu unterscheiden von der "Flächeninanspruchnahme", die mit dem Flächen-, Bodenverbrauch sowie dem polemischeren Ausdruck "Flächenfraß" synonym ist. Letztere bezeichnen den Verlust von produktiven Böden durch Verbauung für Siedlungs- und Verkehrszwecke, aber auch andere Intensivnutzungen, die damit für die land- und/oder forstwirtschaftliche Produktion und als natürlicher Lebensraum nicht mehr zur Verfügung stehen. 11,3 Hektar ist die Fläche von ungefähr 16 Fußballfeldern, die in Österreich laut Umweltbundesamt (UBA) von 2018 bis 2021 durchschnittlich jeden Tag in Anspruch genommen wurde. Von diesen Flächen wurden 41 bis 58 Prozent versiegelt.
Flächenversiegelung ist aus einer Reihe von Gründen höchst problematisch: "Durch Versiegelung gehen alle biologische Funktionen des Bodens verloren", fasst WWF-Bodenschutzsprecher Simon Pories gegenüber der APA zusammen. Außerdem können versiegelte Böden an heißen Sommertagen nicht zur Kühlung der Luft beitragen, auch geht die Fähigkeit des Bodens CO2 zu speichern verloren.
Die wasserdichte Abdeckung von Böden führt zudem zu einem geringeren Grundwasserpegel, weil Regenwasser nicht versickern kann. Aus dem gleichen Grund steigt das Risiko von Überschwemmungen. Wasserverdunstende und schattenspendende Pflanzen finden keinen Platz auf versiegelten Flächen, wodurch der Hitzeeffekt verstärkt wird. Die Böden von Grün- und Freiräumen beherbergen ein eigenes Ökosystem, in dem mehr Arten leben als auf der Oberfläche. Dadurch führt die Versiegelung letztendlich auch zum Biodiversitätsverlust.
Immer wieder Ankündigungen
Schon die Regierung Schüssel I hatte im Rahmen des Beschlusses der "Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes" (NSTRAT) im Jahr 2002 angekündigt, die weitere Versiegelung von Flächen verhindern zu wollen. Auch im Programm der Regierung Faymann II von 2013 war von "Initiativen zur Verhinderung der voranschreitenden Bodenversiegelung" die Rede. Im Jahr 2017 wollte die türkis-blaue Regierungskoalition die "stärkere Rücksichtnahme hinsichtlich des Verlustes von unverbauter Fläche durch fortschreitende Bodenversiegelung" forcieren. Die türkis-grüne Regierung hat sich mit Amtsantritt einem Zielpfad zur Reduktion des Flächenverbrauchs auf 2,5 Hektar am Tag verpflichtet. Demgegenüber ist laut UBA der durchschnittliche tägliche Bodenverbrauch 2018-2021 im Vergleich zur Vorperiode um nur 0,2 Hektar auf 11,3 zurückgegangen.
Vor 16 Monaten hatte die damalige Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) die Erarbeitung einer "1. Österreichischen Bodenschutzstrategie" angekündigt. Innerhalb eines Jahres wollte sie diese zusammen mit Bund, Ländern und Gemeinden auf den Weg bringen. Erst kurz vor dem letztjährigen "Tag des Bodens" am 5. Dezember meldete sich ihr Nachfolger Norbert Totschnig (ÖVP) wieder zum Thema: Den Flächenfraß in Österreich zu reduzieren, müsse "unser aller Ziel" sein, sagte der Minister - es gelte aber "Qualität vor Tempo".
Zu einem finalen Entwurf der Bodenschutzstrategie, der möglicherweise noch im März publiziert werden könnte, übte die Naturschutzorganisation WWF harte Kritik: "Das Raumentwicklungskonzept ÖREK 2030" sei eine "politische Kapitulation vor dem Flächenfraß". "Bund, Länder und Gemeinden" hätten die Strategie "weiter verschlechtert" und gemeinsam "verbindliche Ziele abgeschwächt". In dem Bericht ist hingegen von der "grundsätzlichen Zielrichtung einer substanziellen Reduktion der Flächeninanspruchnahme durch Siedlungs- und Verkehrsflächen bis 2030" zu lesen. Allerdings wird laut Bericht auch das Ziel der Reduktion des Flächenverbrauchs auf 2,5 Hektar "einer evidenzbasierten Plausibilisierung unterzogen werden".
Problem des Föderalismus
In Österreich ist die überörtliche Raumordnung grundsätzlich Ländersache, während die oberste Bauinstanz in Gemeinden jeweils der Bürgermeister ist. Gerade deshalb ist der Bodenverbrauch auch ein Problem des Föderalismus. 2023 ist wieder ein Jahr des Finanzausgleiches, bei dem von Bund, Ländern und Gemeinden für mehrere Jahre die Aufteilung von Steuereinnahmen sowie die Aufgaben der jeweiligen Gebietskörperschaften vereinbart werden. Dadurch würde sich die Chance ergeben, auf Bundesebene Anreize gegen Flächenverbrauch, beispielsweise in Form von überbordenden Bewilligungen von Gewerbegebieten und Einkaufszentren an Ortsrändern, und für Ökologisierung zu setzen. Im ÖREK 2030 ist die Umsetzung der "Anpassung finanzieller Instrumente" (wie des Finanzausgleichs, Anm.) erst für 2030 geplant.
Der voranschreitende Flächenverbrauch und die damit einhergehende -versiegelung ist nicht nur ein österreichisches Problem: Die EU-Bodenstrategie aus dem Jahr 2021 ist ein wichtiger Teil der EU-Biodiversitätsstrategie 2030 im Rahmen des europäischen "Green Deal". In dieser ist das Ziel des "Netto-Null-Flächenverbrauchs" bis 2050 festgelegt. Das bedeutet, dass, wenn eine Fläche "verbraucht" wird, dieser Verbrauch an einer anderen Stelle ausgeglichen werden muss. Brachflächen können beispielsweise als Anbauflächen renaturiert werden. Bis 2023 sollen EU-Staaten "ehrgeizige nationale, regionale und lokale Ziele für die Verringerung des Netto-Flächenverbrauchs für 2030 stecken", heißt es in einem Q&A zur Bodenschutzstrategie. Eine im Vorjahr im Fachjournal "PLOS Sustainability and Transformation" veröffentlichte Studie listet Österreich beim Thema Zersiedelung, das direkt mit dem Bodenverbrauch zusammenhängt, weltweit auf Platz neun.
Service: https://www.umweltbundesamt.at/umweltthemen/boden/flaecheninanspruchnahme
https://environment.ec.europa.eu/topics/soil-and-land/soil-strategy_de#zeitplan
https://www.wwf.at/neuer-wwf-report-zeigt-enormen-flaechenfrass-der-bundeslaender