An der HTL Steyr hatte er dann einen Lehrer, der für ihn im Bereich der Signalmessung und der biomedizinischen Anwendungen wegweisend war und ihn motivierte. „Es war damals klar, dass man dafür nach Graz zum Studieren geht“, sagt Müller-Putz. „Ich habe lange ohne Berufsbild studiert, ich habe auf meine Intuition gehört und das verfolgt, was mich interessiert hat“, erzählt er. Im vorletzten Studienjahr stand dann fest, dass es in Richtung Robotersteuerung mithilfe von Gedanken gehen wird. Mit eben diesem Thema hat er sein Studium der Elektro- und Biomedizinischen Technik im Jahr 2000 abgeschlossen. Der Abschluss des Doktoratsstudiums in Elektrotechnik folgte 2004 und seine Habilitation im Fach Medizinische Informatik 2008.
Seit 2011 leitet Müller-Putz das Institut für Neurotechnologie und seit 2014 ist er Universitätsprofessor für Semantische Datenanalyse. Seine Schwerpunkte liegen im Bereich der Biosignalanalyse, EEG-basierter Neuroprothesensteuerung, Kommunikation mit BCI bei Menschen mit eingeschränktem Bewusstsein, hybride-BCI-Systeme, dem menschlichen somatosensorischen System und in der Neuro-Informationsystemsforschung.
Teilnahme am „Cybathlon“
2016 hat das von Müller-Putz ins Leben gerufene Grazer BCI-Studierendenteam „Mirage91“ am ersten „Cybathlon“ – dem von der ETH Zürich initiierten Assistenztechnologie-Weltcup – teilgenommen. In der Disziplin „BCI Race“ steuerte ein seit einem Schlaganfall motorisch schwer eingeschränkter Proband, der von den Studierenden trainiert wurde, in einem „virtuellen Rennen mit Gedankensteuerung“ am PC einen Avatar durch Gehirnsignale ins Ziel. Im Herbst 2019 hat Müller-Putz die „Cybathlon BCI Series” ins Leben gerufen und BCI-Teams aus aller Welt an der TU Graz gegeneinander antreten lassen.
Müller-Putz hat bereits mehrere internationale BCI-Projekte durchgeführt und geleitet. Für die von ihm koordinierte Forschung an einer gedankengesteuerten Neuroprothese für querschnittgelähmte Menschen im dreijährigen EU-Projekt „More Grasp“ erhielt er 2019 auch den „Steirischen Wissenschaftspreis des Landes Steiermark: Digitalisierung in der Wissenschaft“. Mithilfe des von seiner Gruppe mitentwickelten BCI können motorisch schwer Beeinträchtigte unter kontrollierten Laborbedingungen bereits wieder einfache Bewegungen mit der Hand ausführen.
2017 wurde der Grazer Forscher mit dem Ludwig-Guttmann-Preis der Deutschen Gesellschaft für Rückenmarksverletzungen ausgezeichnet. Ab 2015 leitete er das mit zwei Millionen Euro dotierte, jüngst abgeschlossene ERC-Projekt „Feel your Reach“ des Europäischen Forschungsrats. Müller-Putz ist zudem Gründungsmitglied der Internationalen BCI Society.
Bewegte Freizeit
Müller-Putz hat mehr als 180 Publikationen und noch einmal so viele Konferenzbeiträge verfasst, 2018 wurde er in den Vorstand der Internationalen BCI-Society gewählt. Dennoch bleibe genug Zeit für Freizeit. Diese verbringt er am liebsten bewegt: In den Bergen, am Wasser oder beim Segelfliegen. Bewegung steht auch am Anfang des Arbeitstages, den er mit einer Radfahrt zum Arbeitsplatz beginnt. Damit am Ende des Tages das Forscherhirn besser abschalten kann, greift er gerne zu nordischen Krimis. Gernot Müller-Putz ist mit der Autorin Eva Putz verheiratet. Die beiden haben zweimal Nachwuchs bekommen – dieser ist bereits im Jugendlichen-Alter.