Forscherin: Landwirtschaft wie heute im Seewinkel künftig unmöglich
Der Umwelt und Landwirtschaft im burgenländischen Seewinkel geht wegen des Klimawandels das Wasser aus. Einflößen von Donauwasser aus Ungarn wird das Problem nicht komplett lösen, sagte Susanne Hanger-Kopp der APA am Rande der Jahrestagung der "European Geosciences Union" in Wien: Rund um die Landwirtschaft seien weitgehende Umstellungen nötig. Für die Region wäre dies freilich nicht einfach. Die Forscherin erarbeitet mit Kollegen Lösungspakete für alle Beteiligten.
Weil es keine natürlichen Wasserzuflüsse in der Seewinkel-Region gibt, sind der Neusiedlersee, die ökologisch und touristisch sehr wertvollen Salzlacken und die Landwirtschaft absolut abhängig vom verfügbaren Grund- und Regenwasser, sagte Hanger-Kopp, die am Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien arbeitet: "Die globale Erwärmung hat dort besonders starke Auswirkungen, weil die Verdunstung durch die Erwärmung steigt und die Niederschläge nicht mehr in der Regelmäßigkeit kommen, die es braucht."
Die Probleme simmern schon seit Jahrzehnten, doch aktuell sind sie akut: Der Zicksee und die Lange Lacke sind weitgehend ausgetrocknet, der Neusiedlersee hat Rekordtiefstände, ebenso das Grundwasser. "Dass die Salzlacken austrocknen, ist auch früher schon periodisch passiert, doch laut unseren Modellrechnungen sinkt durch den Klimawandel sukzessive die Wahrscheinlichkeit der Wiederbefüllung", berichtet Hanger-Kopp.
Mit dem Rücken zur Wand
Von Seiten der Wasserwirtschaft würde praktisch schon alles gemacht, was möglich ist, meint die Forscherin: Man versucht, das Wasser in den Bewässerungskanälen so zu steuern, dass es möglichst lange in der Region gehalten wird. Sogar die Zufuhr von Wasser der Moson Donau (Kleine Donau) aus Ungarn ist geplant. Das Extrawasser wäre aber ausschließlich für die Landwirtschaft gedacht. Eine Zuleitung in Seen und Lacken muss erst ökologisch genau geprüft werden, weil es dabei noch diverse Bedenken gibt, so Hanger-Kopp: "Damit kann nämlich die Qualität der Ökosysteme beeinflusst werden."
"Abgesehen davon, dass man den Klimawandel engagiert eindämmen muss, ist das größte verbliebene Handlungspotenzial in der Landwirtschaft", sagte sie: "Die Landwirtinnen und Landwirte stehen aber schon heute mit dem Rücken zur Wand." Immer öfter berichten sie, dass sie nicht mehr bewässern können, weil die Pumpleitungen nicht mehr zum Grundwasser hinabreichen. "Mit den Modellierungen sehen wir auch, dass solche Situationen häufiger werden", berichtet die Forscherin: "Immer öfter gerät man auch in die Nähe jener Grenzwerte, wo aufgrund der extremen Situation Bewässerungsverbote ausgesprochen werden müssen. Aktuell befürchtet man, dass sie dieses Jahr tatsächlich erreicht werden."
Auf den ersten Blick würden die nötigen Verbesserungen trivial erscheinen: Effizienter zu bewässern, Kulturen anzubauen, die weniger des nassen Elementes benötigen, die Bodenbearbeitung verändern, um die Austrocknung zu reduzieren. "Das machen aber alle innovativen Landwirtinnen und Landwirte in der Region ohnehin schon, und die anderen sehen oft keine Möglichkeit für größere Umstellungen", sagte Hanger-Kopp. Weil sie etwa auch schon beim Handel jeweils im Herbst des Vorjahres festlegen müssen, was sie in welcher Menge und Qualität liefern, fehle es ihnen auch an Flexibilität, auf die jeweilige Situation reagieren zu können.
"Auch wenn sich viele Betroffene schon bemühen, die Situation zu verbessern, hoffen die meisten aber doch darauf, dass andere etwas tun", meint die Forscherin. Verbreitet sei auch die Ansicht, dass Donauwasser aus Ungarn alle Probleme lösen wird. Doch derzeit hake es zum Beispiel bei der Finanzierung vonseiten Ungarns, und wenn kein Wasser kommt, steht die Landwirtschaft jedes Jahr vor der Gefahr, keine Ernte einzubringen, weil sie nicht bewässern darf oder kann.
Forschungsprojekt erarbeitet akzeptable Ideen für alle
"In unserem Forschungsprojekt werden wir deshalb Szenarien mit Maßnahmen zusammenzubauen, wer im Idealfall wie handeln muss, damit die nötigen Anpassungen möglichst gut gelingen", so Hanger-Kopp. Die Ideenvorschläge sollten möglichst akzeptabel für alle sein: "Natürlich ist es für eine Region schwierig, ganz fundamentale Veränderungen durchführen zu müssen." Diese seien jedoch unausweichlich: "Landwirtschaft wird im Seewinkel in Zukunft nicht mehr so funktionieren wie sie es heute dort tut", meint sie.
Außerdem liefern die Forscher mit ihren Modellergebnissen Vergleichsdaten für neue Referenzwert-Bestimmungen anhand deren festgelegt wird, wie lange bewässert werden darf, wenn das Grundwasser knapp wird.
Die Generalversammlung 2022 der European Geosciences Union (EGU) findet von Montag 23. Mai bis 27. Mai am Austria Center Vienna (ACV) in Wien statt.
Service: Link zur Präsentation an der Fachtagung: https://meetingorganizer.copernicus.org/EGU22/EGU22-11170.html