Wissenschafts-"Speed-Dating" bei der Langen Nacht der Forschung
Man glaubt es kaum, aber: "Programmieren ist eine unglaublich kreative Tätigkeit", erklärte Naemi Luckner von der Technischen Universität Wien kürzlich in einem ScienceFlash des fti...remixed im Rahmen der Langen Nacht der Forschung (LNF). Gemeinsam mit drei anderen Jungforschern gab sie Kindern und Jugendlichen persönliche Einblicke in ihre Arbeit.
Fti ... remixed ist eine Wissenschaftskommunikationsplattform, die Jugendlichen den Zugang zu den Themen Forschung, Technologie und Innovation eröffnet. Bei der langen Nacht der Forschung war die Initiative des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) mit einem sogenannten "ScienceFlash" vertreten, bei dem in vier zwanzigminütigen Online-Sessions junge Forscher Einblicke in ihre Forschungsfelder gaben. Im Gegensatz zu vielen Programmpunkten der LNF fand der ScienceFlash live statt. APA-Science hat sich zu den Gesprächsrunden dazugeschalten.
"Das Whiteboard ist einer der wichtigsten Teile meines Arbeitsplatzes", zeigt Naemi über Zoom ein Foto von ihrem Arbeitsplatz her, der tatsächlich mehr wie ein Kreativbüro als wie das Büro einer Programmiererin aussieht. Ihr Themenschwerpunkt ist die Human Computer Interaction, die junge Frau forscht in den Bereichen Game Design und E-Learning.
Digitales Zusammentreffen
Fti ist eine Plattform speziell für Jugendliche. Aus diesem Grund ist auch der ScienceFlash speziell für die Zielgruppe der Unter-Dreißig-Jährigen gedacht. Das Zusammenbringen von Jugendlichen und Wissenschaftern, das vom fti normalerweise analog gemacht wird, wurde heuer (wie auch die restlichen Programmpunkte der LNF) ins Internet verlegt. Fast 50 Personen nahmen die Möglichkeit wahr und schalteten sich in die Unterhaltung dazu.
Das Publikum war sehr jung. "Wer traut sich, die Kamera zu aktivieren und den anderen sein Gesicht zu zeigen", fragten die Veranstalter des fti, die die interaktiven Gesprächsrunden moderieren. Die Gesichter auf dem Bildschirm gehörten Teenagern, einige davon vermutlich noch keine 13 Jahre alt.
Das Konzept der ScienceFlashes war interaktiv, Fragen konnten jederzeit in den Chat gepostet werden. Immer wieder wurden die Zuseher gebeten, an kurzen Umfragen teilzunehmen - beispielsweise zu der Frage, was denn den größten Teil von Naemis Arbeit ausmache. Auf die Antwort "Designen" haben nur wenige getippt. Ein Highlight sei für sie außerdem die Zusammenarbeit mit den Menschen, für die sie ihre Produkte und Designs kreiere, erklärte sie. "Workshops konzipieren und durchführen und schauen, was dabei herauskommt, das sind die Sachen, die mir am meisten Spaß machen." Heraus kommt dann beispielsweise eine Art digitaler "Tagesplaner für ältere Menschen, die schon leicht vergesslich sind", zeigte sie die A4-Blatt-große Tafel her, in deren Inneren sich ein Smartphone versteckt, das an anfallende Termine und Tätigkeiten erinnert. Die Zusammenarbeit sei wichtig, damit sie sich in die Zielgruppe hineinversetzen und sich vorstellen kann, was diese benötigt.
Mit Informatik könne man viel mehr Dinge machen, als die meisten Menschen sich vorstellen, betonte sie: "Man hat zwar viele Vorgaben, aber wenn man das einmal gelernt hat, kann man im Grunde alles damit machen, was man will."
Dass die Arbeit als Informatikerin so kreativ ist, schien Anklang zu finden. Bei einer abschließenden Umfrage antwortete ein Großteil, sich sehr für diesen Berufsweg zu interessieren.
Welcome to the Jungle
Weiter ging es mit Oliver Weiss von der Universität für Bodenkultur (BOKU). "Ich glaube, ich bin ein bisschen der Exot heute", erklärte der Jungforscher lachend mit Blick auf die anderen Vortragenden. Oliver arbeitet in der Vegetationstechnik, wie eine Fotografie seines Büros, die er herzeigte, unschwer erkennen ließ, und nahm die Zuseher direkt mit in den Zimmerpflanzendschungel, den er seinen Arbeitsplatz nennt.
Er hat einen Bachelor und Master in Landschaftsplanung an der BOKU absolviert und sich in Richtung Vegetationstechnik spezialisiert, wo er dann auch hängen geblieben sei. Fotos aus seinem Studienalltag zeugten von viel Praxisbezug, von Exkursionen, die bei den Jugendlichen die Lust auf dieses Studium weckten. Anschließend erzählte er von einem Projekt, an dem er zurzeit mitarbeitet. "50 grüne Häuser" forscht im Rahmen der IBA_Wien an kostengünstigen, einfachen Lösungen zur Gebäudebegrünung und beschäftigt sich mit der Frage, welche wärmetechnischen Unterschiede sich dadurch ergeben. Fünf Grad Kälteunterschied haben sie bei einer begrünten Fassade gemessen, erzählte Oliver. Das sei aber relativ wenig, an einem richtig heißen Sommertag hätte man einen noch stärkeren Effekt feststellen können.
Die Erzählungen lösten eine rege Beteiligung im Chat aus, wo Fragen gestellt wurden wie "Welche Pflanze ist denn gut für ein Klassenzimmer?" oder "Wieviel kostet die Begrünung einer Fassade?"
Vier mal zwanzig Minuten, dann ist es vorbei. Am Ende der kurzen, digitalen Treffen zeigte sich: Interesse wecken und spannende Menschen vorstellen, funktioniert in der kurzen Zeit, der Weg bis zu einer Karriere in der Wissenschaft dauert dann aber doch länger.
Reise durch die Wissenschaftslandschaft Österreichs
Im Gegensatz zu den Live-Sessions der ScienceFlashes sind die meisten anderen Programmpunkte der Langen Nacht der Forschung, die heuer coronabedingt ins Internet verlegt wurde, noch bis 30. Dezember unter www.langenachtderforschung.at online abrufbar. Mehr als 620 virtuelle Stationen stehen Interessenten zur Verfügung, das Programm reicht von Webinaren und erklärenden Videos über Experimente bis hin zu Online-Rätseln.
Ein Klick bringt interessierte Personen beispielsweise nach Graz ans Institut für Experimentalphysik der Technischen Universität, wo Wissenschafter erklären und anschließend auch im Labor demonstrieren, was passiert, wenn Licht auf eine Oberfläche trifft. Die Laserschutzbrillen, die die Forscher zum Schutz der Augen aufsetzen, kann man sich als Zuseher vor dem Computer sparen.
Weiter geht die Reise durch die Wissenschaftslandschaft Österreichs nach Salzburg, wo die Paris-Lodron-Universität dazu einlädt, in Form eines interaktiven Quizzes das eigene Wissen zu Theologie unter Beweis zu stellen. Das Quiz fängt einfach an ("Wer gehört nicht zu den Evangelisten, Markus, Paulus, Johannes oder Lukas?" ), steigert sich dann aber in seiner Schwierigkeit ("Das große Abendländische Schisma ... a) war die letztendliche Abtrennung der orthodoxen Kirche, b) ist ein anderes Wort für Reformation, c) war die Zeit von Päpsten und Gegenpäpsten in Rom, Avignon und Pisa, d) ist ein theologisch-philosophisches Konstrukt von Thomas von Aquin zur Unfehlbarkeit des Papstes"). Aber auch diejenigen, die wissen, wie viele Wörter der kürzeste Vers in der deutschen Einheitsübersetzung der Bibel umfasst, können nichts mehr gewinnen, denn obwohl das Quiz weiterhin online abrufbar ist, war die Teilnahme für die Auswertung nur bis Samstag möglich.
Die Medizinische Universität Innsbruck wiederum nimmt Zuseher in einem kurzen Video auf eine Führung durch das Anatomische Museum mit, wo einzigartige anatomische Präparate beherbergt werden, deren Besonderheiten man als regulärer Besucher oft übersehen würde. Der Blick der Kamera schweift über abnormale Schädelformen, streift Turmschädel, Langschädel, Wasserkopf und Schiefkopf, und gleitet hinüber zu einem riesenhaften Skelett in einer Vitrine, das während seines menschlichen Daseins an Gigantismus gelitten und rund 2 Meter 20 gemessen hat. Weiter geht es mit dem eingelegten Inneren einer Dame, die ihr Herz wortwörtlich am rechten Fleck, nämlich auf der rechten Seite des Brustkorbes, trug. Im Hintergrund dümpelt ein Gehirn munter vor sich hin.
Von Innsbruck nach Schärding, von Schärding an den Mondsee, vom Mondsee nach Hagenberg. In (etwas weniger als) 80 Tagen um die Welt der Wissenschaft? Mit der wohl Längsten Nacht der Forschung kein Problem.
Von Anna Riedler / APA-Science
Service: Diese Meldung ist Teil der Reportage-Reihe "APA-Science zu Besuch ...": http://science.apa.at/zubesuch