Chemie-Nobelpreis: Ehrung für Verbinderin von Chemie und Biologie
Die mit den diesjährigen Chemie-Nobelpreis ausgezeichnete "Click- und bioorthogonale Chemie" hat eine neue Verbindungslinie zwischen der Biologie und der Chemie geöffnet. Das sagte der Chemiker Nuno Maulide von der Universität Wien gegenüber der APA. Vor allem Carolyn R. Bertozzi habe das von Barry Sharpless und Morten Meldal begründete Feld "in eine andere Liga gehoben".
"Es ist wieder einer dieser Preise, über den sich die Community freut", sagte Maulide, der als organischer Synthesechemiker vor allem mit Bertozzi intensiv in Kontakt steht. Sie sei "sehr unterstützend" und ein "Star" - obwohl das ihrer bescheidenen Persönlichkeit eigentlich nicht entspreche. Die 55-Jährige sei jedenfalls höchst aktiv und vielbeschäftigt.
Die von ihr aus der "Click-Chemie" heraus entwickelte "bioorthogonale Chemie" könne man laut Maulide mit einem Zuckerlgeschäft vergleichen: Das Geschäft entspreche der Zelle, in der "Millionen bis Milliarden von Substanzen" herumschwirren, die andere Substanzen zur Reaktion einladen. Die Kunst besteht darin, in diesem Umfeld gezielt künstlich Reaktionen ablaufen zu lassen, die andere Abläufe nicht verändern. Die "bioorthogonale Chemie" verhalte sich wie ein "gut erzogenes Kind" in diesem Geschäft, das trotz der vielen Verlockungen in den Regalen nur die Zuckerl kauft, die es soll, erklärte Maulide.
"Magie der Click-Chemie"
Solche Abläufe in lebenden Zellen punktgenau ablaufen zu lassen, sei "eine massive Herausforderung". Dass das möglich wurde, sei "die Magie der Click-Chemie". Die grundlegende Theorie dazu stamme vom 2020 verstorbenen deutschen Chemiker Rolf Huisgen. In der Zeit rund um die Zuerkennung des ersten Chemie-Nobelpreises an Sharpless im Jahr 2001 hat der US-Amerikaner sich der Idee zugewandt, Biomoleküle gezielt zu verbinden, und das auch in einem lebenden Umfeld zu tun. Sharpless sei nach der ersten Auszeichnung jedenfalls weiter drangeblieben: "Man hat sich zuletzt schon gedacht, dass er wirklich noch einen zweiten Preis bekommen könnte", so Maulide.
Als Sharpless und sein dänischer Kollege Morten Meldal in der Folge bemerkten, dass ihre Methoden etwas langsam ablief, beschleunigten sie den Prozess mit Hilfe der kupferkatalysierte Azid-Alkin-Cycloaddition. Die Verwendung von giftigem Kupfer disqualifizierte die Reaktionen dann aber für die Anwendung in lebenden Zellen.
Genau dieses Problem konnte Bertozzi lösen, indem sie einen der Reaktionspartner deutlich reaktionsfreudiger gemacht hat, erklärte Maulide. Der besondere Charme der Methode sei, dass sie letztlich einfach anzustoßen ist. Damit sei sie auch für Nicht-Chemiker - in den meisten Fällen Biologen - anwendbar. Mittlerweile gebe es "Kits" zu kaufen, die es Biologen ohne großes Wissen in organischer Chemie erlauben, damit zu arbeiten, so Maulide: Sie würden mittlerweile sagen, "man kann das mit dem 'clicken'".
Der Chemiker sieht in dem Forschungsbereich noch viel Potenzial schlummern. Die nunmehrige Auszeichnung werde dem Feld vermutlich wieder viel Schwung verleihen. Der nach dem vorigen Jahr bereits zweite Chemie-Nobelpreis im Feld der Synthesechemie zeige, wie sehr man mit dem Zugang auch anderen Wissenschaftsbereichen weiterhelfen kann.