#CoronaAlltag: Auf dem Weg zur klimafreundlichen Mobilität - auch in Corona-Zeiten
Obwohl durch die Corona-Krise die Mobilität und damit auch der Ausstoß von klimaschädlichem CO2 weltweit um sieben Prozent zurückging, ist wohl bald wieder ein sprunghafter Anstieg der Emissionen zu erwarten. Bis 2030 sollten jedoch weltweit jedes Jahr ein bis zwei Milliarden Tonnen CO2 eingespart werden, um die Pariser Klimaziele zu erreichen und den Klimawandel zu bremsen. Einen nicht unwesentlichen Beitrag hat dabei der Verkehrssektor zu leisten - und Teil einer Lösung kann und wird die Elektromobilität sein. Wir am Center for Low-Emission Transport des AIT Austrian Institute of Technology forschen genau in diesem Bereich: der nachhaltigen und grünen Mobilität der Zukunft.
Als Projektleiter des Leuchtturmprojekts "EMotion - Electric Mobility in L-Category Vehicles for all Generations", das vom Klima- und Energiefonds in Kooperation mit dem BMK im Rahmen der 2. Ausschreibung "Zero Emission Mobility" gefördert wird, beschäftige ich mich mit der Entwicklung einer zweirädrigen elektrischen Mobilitätslösung für den urbanen und suburbanen Bereich. Jugendlichen und der 50+ Generation soll eine komfortable, günstige und energieeffiziente Alternative zum Auto geboten werden.
Gemeinsam mit der KTM E-Technologies GmbH und acht weiteren Industrie- und Forschungspartnern fand das Kick-Off-Meeting Anfang März 2020 noch in altbekanntem Format, von Angesicht zu Angesicht, statt. Die dunklen Corona-Wolken zogen zu diesem Zeitpunkt bereits auf und kurz nach dem Zusammentreffen wurde der erste Lockdown verkündet. Von einem Tag auf den anderen kam es daher auch am AIT zu weitreichenden Veränderungen im Arbeitsalltag, wo möglich wurde Homeoffice Realität. Was im ersten Moment positiv klang, weil ich mir die Möglichkeit, manchmal von zu Hause aus zu arbeiten, schon lange gewünscht hatte, erwies sich bereits nach kurzer Zeit als echte Herausforderung. Als Vater zweier Kindergartenkinder und Ehemann einer wahrlich systemrelevanten Frau, deren Arbeit im Krankenhaus kein Homeoffice zulässt, landete ich - wie so viele - auf dem harten Boden der Tatsache, dass Homeoffice und Kinderbetreuung wohl doch nicht so gut harmonieren. Aber mit zeitweiser tatkräftiger Unterstützung von "Feuerwehrmann Sam" und der "Paw Patrol" konnten Telefon- und Videokonferenzen bald auch im Homeoffice mehr oder weniger effizient abgewickelt werden.
Trotz dieser plötzlich komplett veränderten Rahmenbedingungen ist es uns als Projektkonsortium gut gelungen, das Projekt bis jetzt nahezu plangemäß abzuarbeiten, wenn auch an manchen Stellen kleine Abstriche gemacht werden mussten. Gerade die wichtige Komponente der persönlichen Nutzer*innen-Interviews zur Erhebung der Bedürfnisse an ein neues Mobilitätskonzept und eine innovative Benutzer*innen-Schnittstelle litt deutlich unter der Situation und konnte nur in reduziertem Umfang mit einem speziellen Hygienekonzept durchgeführt werden. Die technische Entwicklung des Fahrzeugrahmens und des elektrischen Antriebsstranges läuft jedoch planmäßig: Modernste Augmented-Reality-Technologien helfen uns, ungeachtet der physischen Distanz, gemeinsam virtuell am Zweiradmodell zu stehen, zu diskutieren und Ergebnisse zu analysieren. Zu hoffen bleibt nur, dass bis zur Demonstrationsphase des Projekts im Jänner 2022 wieder eine gewisse Normalität im Arbeitsalltag eingekehrt ist.
Aufgrund der geballten Innovationskraft des Konsortiums war es uns bisher möglich, fast alle Schwierigkeiten, die uns die Corona-Pandemie bei der Entwicklung einer urbanen und suburbanen Mobilitätslösung bereitet, zu kompensieren. Neue Technologien helfen uns dabei, die Situation zu meistern und tragen gleichzeitig dazu bei, unnötige Fahrten zu vermeiden - ganz im Sinne der von der Forschung angestrebten Dekarbonisierung! Fanden vor Corona die Meetings in ähnlichen Projekten oft jedes Mal an einem anderen Projektpartnerstandort statt, mussten wir uns innerhalb kürzester Zeit darauf einstellen, Dienstreisen durch Videokonferenzen schlicht und einfach zu ersetzen. Das spart nicht nur Unmengen an CO2, sondern auch Kosten und vor allem Zeit.
Trotzdem: Der persönliche Austausch, zumindest von Zeit zu Zeit, ist durch Zoom, Teams oder Skype nicht zu ersetzen. Gerade das kurze Gespräch zwischendurch eröffnet oft neue Perspektiven. Und davon lebt Forschung. Insofern freue ich mich darauf, die Projektpartner ohne Ansteckungsrisiko wieder physisch treffen zu können - am besten nach einer umweltschonenden Anreise mit dem von uns entwickelten E-Zweirad!
Zur Person: Thomas Bäuml ist Scientist am Center for Low-Emission Transport des AIT Austrian Institute of Technology. Wissenschaftlich tätig ist er im Bereich der elektrischen und thermischen Simulation von Batterie- und Fahrzeugsystemen sowie in der Analyse der Alterung von Batterien.
Service: Dieser Gastkommentar ist Teil der Rubrik "Corona - Geschichten aus dem Krisen-Alltag" auf APA-Science: http://science.apa.at/CoronaAlltag. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.