Forscher arbeiten an Gebäude-Risikoabschätzung bei Waldbränden
Im Juli 2018 brannte es im griechischen Ort Mati unweit der Hauptstadt Athen. An nur einem Tag forderte der verheerende Waldbrand in der Siedlung 102 Menschenleben, zerstörte 1.400 Hektar Land und 1.200 Gebäude. Trotzdem blieben manche Bauten in dem Gebiet verschont. Welche Faktoren dazu beitragen, haben Forscher aus Wien und Griechenland erforscht. Sie entwickeln einen Gebäude-Risikoindex, den sie in der Folge auch auf Österreich übertragen wollen.
Maria Papathoma-Koehle vom Institut für Alpine Naturgefahren der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien gab im Rahmen der Jahrestagung der bis Ende der Woche laufenden "European Geosciences Union" (EGU) in Wien Einblicke in die Katastrophe vor fast vier Jahren. In der Früh begann bei trockenem, heißem Wetter und viel Wind jemand Laub auf einem nahen Hügel zu verbrennen, am Abend waren an dem Küstenort 102 Menschen tot. In dem in den 1960er-Jahren zuerst als illegale Siedlung errichteten Ortsteil der Kleinstadt Nea Makri gab es keine geplanten Straßenstrukturen. In der teils verwinkelten Ortschaft wurden letztlich viele Menschen von den Flammen eingeschlossen, wie Papathoma-Koehle erklärte. Der Weg zum Strand und zum rettenden Meer war teils durch Zäune abgeschnitten, mit denen sich Bewohner ihren Privatstrand abgrenzten.
Schnell Daten nach Katastrophe gesammelt
Mittlerweile sei die Katastrophe recht gut untersucht, denn bereits in den Tagen danach konnten Wissenschafter aus Athen vor Ort Daten sammeln. Dabei fiel auf, dass manche Gebäude bis auf die Grundmauern abbrannten und andere kaum oder gar keine Schäden davontrugen. Die Wissenschafter machten sich daran, herauszufinden, woran das liegen könnte. Das sei wichtig, weil Evakuierungen in Waldbrandgebieten oft schwierig seien und relativ gut abgesicherte Gebäude auch als Schutzräume dienen können.
Anhand von detaillierten Daten von über 400 Gebäuden in Mati haben die Forscher einen Risikoindex für jedes einzelne Haus berechnet, der rückblickend gut mit dem Ausmaß der tatsächlichen Schäden übereinstimmte. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie kürzlich im Fachmagazin "Scientific Reports". Als größter Schwachpunkt entpuppte sich das Dach. Waren die Häuser mit brennbaren Materialien gedeckt, waren die Verheerungen in der Regel größer. Als wichtiger Faktor entpuppte sich auch, ob es die Form des Daches begünstigte, dass sich dort leicht entflammbares Laub ansammeln konnte. Ebenfalls entscheidend war, wie stark die Vegetation um das Gebäude herum war, nicht so bedeutend war es überraschenderweise, wie nahe das nächste Haus stand. Ein wichtiger Faktor war zudem, ob die Fensterläden aus Holz oder Metall waren.
Auf Situation im Alpenraum übertragen
Die Analyse gebe Anhaltspunkte dafür, wie ein Risikoindex für Gebäude berechnet werden könnte. Eines der wichtigsten Ziele sei nun die Übertragung der Erkenntnisse auf die Situation im Alpenraum. Gerade der für österreichische Verhältnisse sehr große Brand im Herbst vergangenen Jahres in Hirschwang in der Marktgemeinde Reichenau a.d. Rax (NÖ) habe Waldbrände auch hierzulande zu einem "heißen Thema" werden lassen, so die Boku-Forscherin. Der laut Einsatzkräften bisher größte Waldbrand in Österreich vernichtete immerhin 115 Hektar Forst.
Papathoma-Koehle betonte, dass so ein Ereignis in unseren Breiten etwas Neues ist, die immer länger werdenden heißen und trockenen Phasen die Waldbrandwahrscheinlichkeit aber auch bei uns ansteigen lassen. Im Vergleich zu Griechenland gebe es zwar durchaus große Unterschiede bei der Beschaffenheit der Gebäude, im Klima und der Vegetation, allerdings würden die Unterschiede durch den Klimawandel kleiner. Mittlerweile stünden in Österreich "viele Häuser" in potenzielle gefährdeten Gebieten am Übergang zwischen Wäldern und städtischen Gebieten, sagte die Forscherin.
Zum Glück gebe es in Österreich noch keinen derart verheerenden Fall wie jenen in Mati. Um die Erkenntnisse der Forschungsarbeit auf die alpine Region zu übertragen, diskutiere man nun die Ergebnisse mit Experten hierzulande. Das Ziel sei ein erster Index für Österreich, der auf Expertenurteilen beruht. Derartige Arbeiten seien auch für die Raumplanung wichtig, da man an den Problemen beim Brand in der unreguliert gewachsenen Siedlung in Griechenland auch sehen könne, wie die institutionellen Rahmenbedingungen in einem Land und das Mitbedenken der Möglichkeit von Waldbränden einen Unterschied im Katastrophenfall machen können.
Service: https://doi.org/10.1038/s41598-022-10479-3