#CoronaAlltag: Tourismus - Alles auf Anfang und Alles Neu?
Noch Anfang März verfassten einige unserer Studierenden ihre Abschlussarbeiten zum Thema Besucherlenkung, Overcrowding und Overtourism. Zuviel Tourismus, vor allem in Europas Großstädten und Kulturstätten wie Barcelona oder Venedig. Nur wenige Wochen später zeigt sich ein anderes Bild. Der Tourismus ist zusammengebrochen und nicht existent. Dies betrifft nahezu jede Region in unterschiedlichstem Ausmaß.
Die Covid-19 Krise zeigt uns unsere Grenzen im Krisenmanagement auf - während Asien hier schon erste Lern-Erfahrung gesammelt hat, trifft es insbesondere Europa sehr stark: Zum einen sind alle politischen Ebenen gefordert, zum anderen aber auch all jene Branchen deren Einnahmen wegbrechen. Klein- und Mittelunternehmen im Tourismus trifft es hier besonders hart: Ohnehin verschuldet, müssen viele Betrieb auf die Einnahme aus dem Osterurlaub verzichten und können ihren Zahlungen nicht mehr nachkommen.
Manche Prognosen gehen von einem 50% Einbruch der etwas über 150 Mio. Nächtigungen in Österreich im laufenden Jahr aus, weltweit sieht es ebenso düster aus.
Wird der Tourismus nach Corona ein neuer Tourismus sein? Das ist eine der Fragen, die allen ExpertInnen immer wieder gestellt werden. Die pessimistische Antwort lautet "Nein". Wir werden in ein, zwei Jahren wieder Richtung bekannter Superlativen unterwegs sein, uns an Nächtigungs- und Ankunftsrekorden erfreuen und die wirtschaftliche Entwicklung nutzen, um die Schäden die durch Corona entstanden sind (für jene für die es noch möglich ist) zu reparieren. Wir sind Reisende und wenn es die Möglichkeiten gibt, dann stillen wir unsere Reiselust.
Aber, die Möglichkeiten sind zunächst beschränkt: Rezession führt zu weniger Konsumkraft - weniger Reisen werden nachgefragt. Viele (der verbleibenden) Fluglinien werden sparen müssen, manche Destinationen werden nicht mehr allzu einfach erreichbar sein. Das Buchungsverhalten wird noch kurzfristiger und flexibler und unberechenbarer für die touristischen Leistungsträger. All dies hat zur Folge, dass manche Destinationen nur langsam ihr Tourismussystem wieder hochfahren können.
Die optimistische Antwort "Ja, nach Corona wird es einen neuen Tourismus geben" fußt auf der Annahme, das Angebot und Nachfrage nicht nur rational, sondern auch langfristig und somit nachhaltig reagieren. Alte Fehler (siehe die Overtourism Diskussion) werden vermieden, Qualitätstourismus statt Massentourismus ist das Motto, das noch stärker bei der Neubelebung der Branche bedacht wird. KonsumentInnen suchen Qualität und wollen Gutes tun. "Greta" und "Fridays for Future" kommen nach Corona wieder gestärkt zurück und beeinflussen das Reiseverhalten der Jungen. Regionalität, Authentizität - das sind neue, alte Schlagwörter nach Corona.
Also bringt Corona auch etwas Gutes? Ja: Nähe und soziale Kontakte werden wertgeschätzt und Nachhaltigkeits-Werte spielen generell eine wichtige Rolle in der Wahl des Urlaubsziels, des Transportmittels und der Aktivitäten vor Ort. Die SDG (Sustainable Development Goals) werden auf Seiten der Anbieter die Leitlinien für einen verbesserten Tourismus. Dazu braucht es aber Mut: Konsumenten sagen NEIN zu Ausbeutung und ökologischem Wahnsinn, Anbieter besinnen sich auf den Ursprung des Reisens, nämlich dem Reisenden Raum zu geben in Reiseerlebnisse einzutauchen und sie genießen zu können. Vielleicht heißt es dann, wir reisen ein paar Tage weniger im Jahr, dafür bewusster und für den (kleinen) Anbieter bleibt am Ende auch ein Gewinn in der Tasche.
Zur Person: Mike Peters ist Professor für Klein- und Mittelunternehmen & Tourismus an der Universität Innsbruck, am Institut für Strategisches Management, Marketing und Tourismus. Er forscht mit seinem Team im Forschungszentrum Tourismus & Freizeit zu verschiedensten Themen: Der Forschungsfokus liegt zum einen auf der Erforschung der Heterogenität von touristischen Familienunternehmen und Kleinunternehmen, zum anderen beschäftigt sich Peters und sein Team mit relevanten Fragestellungen in Tourismusdestinationen: Alpine Freizeit und Bewegung am Berg oder Besonderheiten des Food Labelling sowie die Bedeutung der Regionalität für den Konsumenten sind einige der aktuellen Forschungsthemen (siehe tourismusforschung.tirol)
Service: Dieser Gastkommentar ist Teil der Rubrik "Corona - Geschichten aus dem Krisen-Alltag" auf APA-Science: http://science.apa.at/CoronaAlltag. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.