#CoronaAlltag: Neue Lehrformate für Krisenzeiten
Wie alle Lehrenden an Österreichischen Universitäten standen auch wir im März vor der Herausforderung, unsere Lehre kurzfristig auf virtuelle Formate umzustellen. Da wir selbst, ebenso wie KollegInnen aus unserem Forschungsnetzwerk, bereits direkt zu Krisen und Krisenmanagement geforscht hatten, haben wir kurzfristig beschlossen, unsere organisationstheoretischen Master-Kurse direkt auf dieses Thema zu beziehen. Gemeinsam entwickelten wir ein Kurskonzept zum Thema "Organizing in Times of Crisis: The Case of Covid19". In der Tat ist die Krisenforschung ein ganz zentrales Thema in der Organisationsforschung. Wer Organisationen als soziale Systeme versteht, die besonders gut darin sind, Unsicherheit zu absorbieren und Komplexität zu reduzieren, kommt nicht umhin, die Regeln, Routinen und Praktiken zu erforschen, durch die Organisationen Koordinations- und Handlungsfähigkeit auch in maximal unsicheren Situationen herstellen: In Ausnahmesituationen wie der aktuellen Krise oder in Organisationen, die routinehaft mit Krisenereignissen umgehen wie beispielsweise Notfallkliniken oder die Feuerwehr. Ein Kurs zum Thema "Organizing in Times of Crisis" kann damit zweierlei: Organisationstheoretisches Grundwissen vermitteln und gleichzeitig den Studierenden einen Reflexionsraum für die aktuelle Krisensituation eröffnen.
Doch nicht nur das - mit dem Kurs wollten wir auch aus einer Not (Wie schaffen wir es in extrem kurzer Zeit, neue Lehrinhalte zu entwickeln?) eine Tugend machen (Wissen offen - für Lehrende wie Studierende auch an anderen Hochschulen - zur Verfügung stellen). Wir haben deshalb kurzfristig unser Forschungsnetzwerk aktiviert und führende OrganisationswissenschaftlerInnen aus dem deutschsprachigen Raum gebeten, ihre Expertise zu unterschiedlichen Facetten des Krisenmanagements in einer Video-Kurzvorlesung aufzuzeichnen. Jede Vorlesungseinheit beinhaltet darüber hinaus verschiedene Aufgabenstellungen, die darauf abzielen, einen Transfer zwischen den eher allgemeinen Readings und Vorlesungen im Bereich Krisenmanagement und Organisation und aktuellen empirischen Fällen und Entwicklungen rund um Corona herzustellen.
Strukturell ist der Kurs angesichts von Ausgangsbeschränkungen und möglicherweise verstärkten Betreuungspflichten von Studierenden als radikal asynchrones, online-basiertes Lehrangebot ausgestaltet. Auf virtuelle Co-Präsenz sämtlicher Studierender wird bewusst verzichtet. Gleichzeitig sind sämtlich Inhalte des Kurses - Vorlesungsvideos, Foliensätze, Aufgabenstellungen und ein Standard-Syllabus - offen lizenziert und auf Englisch auf der Webseite timesofcrisis.org verfügbar. Der Kurs, der aus insgesamt 12 Lehreinheiten besteht und von insgesamt acht Forschungspersönlichkeiten von verschiedenen Universitäten in Deutschland und Österreich gestaltet wurde (konkret neben Universität Innsbruck und Universität Linz aus Österreich noch die Universität Hamburg, Leuphana Universität Lüneburg, Freie Universität Berlin, Europa-Universität Viadriana Frankfurt/Oder und das Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft Berlin), kann somit weltweit von Lehrenden dezentral eingesetzt und für die lokalen Bedürfnisse konfiguriert werden.
Von diesem neuen Format - auch für uns und unsere KollegInnen ein Experiment - erhoffen wir uns zweierlei: Für Studierende den Mehrwert von forschungsgeleiteter Lehre erlebbar zu machen, weil durch die einzigartige Kooperation jede Vorlesungseinheit auf die jeweiligen Forschungsschwerpunkte der beteiligten WissenschaftlerInnen fokussiert ist und so gleichzeitig eine gewisse didaktische und theoretische Vielfalt erzeugt; und für Lehrende ein modulares Konzept zu bieten, welches strikt den Prinzipien von "open science" folgt und gleichzeitig eine Kombination mit universitätseigenen Kursmanagementsystemen ermöglicht.
Auch für uns und unsere KollegInnen war dieses Experiment Neuland und ein Wettlauf mit der Zeit, doch wie letztlich haben alle pünktlich und zuverlässig geliefert, so dass wir bereits im laufenden Semester mit dem Kurs in unseren Master-Programmen starten konnten. In einem Blog, der die Website begleitet, werden seither weitere Videos und Texte zum Thema veröffentlicht. Geplant ist, auch Forschungs-Essays von Studierenden nach Abschluss der Veranstaltung dort zu veröffentlichen.
Zu den Personen: Elke Schüßler ist Professorin für Betriebswirtschaftslehre und Vorständin des Instituts für Organisation an der Johannes Kepler Universität Linz. Leonhard Dobusch ist Professor für Organisation am Institut für Organisation und Lernen an der Universität Innsbruck.
Service: Dieser Gastkommentar ist Teil der Rubrik "Corona - Geschichten aus dem Krisen-Alltag" auf APA-Science: http://science.apa.at/CoronaAlltag. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.