Netzwerkwissenschafter netzwerken erstmals in Wien
Mehr als 850 Forscherinnen und Forscher aus rund 50 Ländern werden von 10. bis 14. Juli erstmals in Wien über aktuelle Trends in der Netzwerkwissenschaft diskutieren. Die Themenpalette reicht bei der "NetSci 2023" von der Anfälligkeit von Strom- und Computernetzwerken bis zur Veränderung von Meinungen in sozialen Netzwerken.
Organisiert wird die Veranstaltung, die laut den Angaben heuer einen Besucherrekord verbuchen kann, vom Complexity Science Hub (CSH) und der ebenfalls in Wien ansässigen Central European University (CEU). "Da Netzwerke quasi jeden Bereich des Lebens berühren - von der Epidemiologie bis hin zur Wirtschaft, von der Physik bis hin zur Psychologie - ist es eine sehr interdisziplinäre Konferenz", erklärte CSH-Chef Stefan Thurner, der gemeinsam mit János Kertész und Federico Battiston (beide CEU) die wissenschaftliche Leitung der Konferenz übernommen hat, gegenüber der APA. Deshalb würden hier Fachleute, die sonst nur selten Gelegenheit zum Austausch haben, aufeinander treffen.
Die Palette der Beiträge ist entsprechend vielfältig: Der Physiker Shlomo Havlin wird beleuchten, wie anfällig Netzwerke von Netzwerken sind - also inwieweit Strom-, Kommunikations- und Computernetzwerke insgesamt deutlich verwundbarer sind als jedes einzelne für sich betrachtet. Die Psychologin Mirta Galesic beschäftigt sich mit sozialen Phänomenen - unter anderem damit, wie sich Meinungen in sozialen Netzwerken verändern müssen, damit bestimmte Probleme gelöst werden können - beispielsweise beim Klimawandel.
Vielfältige Anwendungsgebiete
Die Netzwerkwissenschaft habe in den vergangenen Jahrzehnten eine explosionsartige Entwicklung erfahren, so Kertész von der CEU: "Wir haben das Gerüst der Komplexität aufgedeckt, die Gesetze für das Wachstum großer Netzwerke entdeckt und verstehen die dynamischen Prozesse in ihnen." Die Anwendungsgebiete reichen dabei von der Entwicklung von Arzneimitteln über die Entschärfung von Wirtschaftskrisen bis zur Verbesserung des Internets.
Die derzeit wichtigste Entwicklung in den Netzwerkwissenschaften sei, Netzwerke nicht nur als Summe von Strichen zu betrachten, die Punkte verbinden. "Vielmehr verbinden sie Gruppen von Punkten. Man spricht von sogenannten Powergraphs", sagte Thurner. Bei Lieferketten wären beispielsweise alle Zulieferer eine Gruppe von Punkten, alle Kunden eine andere. Eine Firma sei demnach ein Knotenpunkt, der zwei Punkthaufen verbindet.
Unterschiedliche Gewichtung
"Auf diese Weise können wir ganze Versorgungsnetzwerke abbilden", erläuterte der Komplexitätsforscher. In normalen Netzwerken wären alle Inputs, die etwa ein Bäcker benötigt, gleich gewichtet. Es würde nicht berücksichtigt, dass manche dieser Inhaltsstoffe wichtiger sind als andere. "Wenn beispielsweise Backpulver nicht mehr verfügbar ist, kann man bestimmte Kuchen nicht mehr machen - auch wenn alle anderen Inhaltsstoffe vorhanden sind", so Thurner.
Nicht alles in der Welt sei so einfach, dass es mit Netzwerken beschrieben werden könne. "Sehr oft muss man wissen, was die Knotenpunkte und Links genau miteinander tun. Wenn diese dynamisch sind, wird alles sehr unübersichtlich. Die Netzwerkwissenschaft bringt da Ordnung hinein", erklärte der Experte.
Service: "NetSci 2023", 10. bis 14. Juli, Universitätsring 1, 1010 Wien, https://netsci2023.wixsite.com/netsci2023