Hallstatt-Forscher auf Spur des weltgrößten prähistorischen Bergbaus
Im Hallstätter Salzberg sind rund 100 prähistorische Fundstellen bekannt. Alle davon wurden in den vergangenen 300 Jahren zufällig entdeckt, wenn im Zuge des modernen Salzbergbaus die Tausende Jahre alten Abbaukammern angeschnitten wurden. Archäologen des Naturhistorischen Museums (NHM) Wien sind nun auf der Spur einer gewaltigen Abbaukammer und führen derzeit Sondierungsbohrungen durch. Ist sie so groß wie vermutet, wäre es der weltweit größte prähistorische Bergbau.
Bereits um 5.000 vor unserer Zeitrechnung haben sich Menschen im Hochtal über Hallstatt (OÖ) niedergelassen und Salz gewonnen. Davon zeugen einfache, im Inneren des Berges gefundene Werkzeuge aus der Jungsteinzeit. "Ab 1200 vor Christus hat der Bergbau dann schon fast industrielle Ausmaße angenommen und täglich verließen 1,5 Tonnen Salz das Bergwerk", erklärte Hans Reschreiter, der Leiter der Ausgrabungen unter Tag von der Prähistorischen Abteilung des NHM gegenüber der APA. Aus dieser Zeit stammt auch die 2004 im Berg entdeckte, mit über 3.350 Jahren älteste Holzstiege Europas.
Holz durch Salz konserviert
Das Holz wurde durch das Salz in ausgezeichnetem Zustand konserviert - so wie zahlreiche andere archäologischen Funde, die von Kultur und Arbeits- und Lebensweise in der bronzezeitlichen Salzmetropole zeugen und von den NHM-Wissenschaftern seit mehr als 60 Jahren erforscht werden. Die Funde sind auch erhalten geblieben, weil Bergstürze und Erdrutsche die Bergwerke immer wieder verschüttet haben.
Das war auch bei jener riesigen Kammer aus der Zeit um 700 v. Chr. der Fall, in der 1734 der berühmte "Mann im Salz" gefunden wurde, die bestens erhaltene Leiche eines prähistorischen Bergmanns, der bei der mächtigen Hangrutschung ums Leben gekommen sein dürfte. Diese Abbaukammer dürfte über 300 Meter lang, mehr als 20 Meter hoch und bis zu 30 Meter breit gewesen sein. Alleine Höhe und Breite entsprechen dem Publikumsraum der Wiener Staatsoper.
Mit Hilfe der dendrologischen Expertise der Wissenschafter von der Universität für Bodenkultur Wien kann anhand der Jahresringe der beim Bergbau verwendeten Hölzer die Bergbauaktivität auf wenige Jahre genau datiert werden. So weiß man, dass schon bald nach der Katastrophe unter der verschütteten Kammer der Bergbau wieder fortgesetzt wurde.
"Die Menschen damals wussten genau, was sie können und was sie dürfen, etwa wie viel Abstand sie zu der darüberliegenden Kammer halten müssen", so der Archäologe. Und sie waren damals "derart resilient, dass sie keine Probleme hatten, mit diesen regelmäßigen Unterbrechungen zurechtzukommen", sagte Reschreiter am Wochenende am Rande der von NHM und Salzwelten Hallstatt organisierten alljährlichen Veranstaltung zur Wissenschaftsvermittlung "Archäologie am Berg". Sie stand heuer im Zeichen der Jubiläen 50 Jahre UNESCO Welterbekonvention, 30 Jahre von deren Ratifizierung durch Österreich und 25 Jahre Welterberegion Hallstatt-Dachstein-Salzkammergut.
Bisher sind nur wenige kleine Ausschnitte aus diesem damals neuen Bergwerk aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. bekannt, die Daten deuten aber darauf hin, dass es noch gewaltiger war und über 400 Metern lang, mehr als 30 Meter hoch und 40 Meter breit sein könnte.
Premiere für Untertage-Kernbohrgerät
Um das zu bestätigen setzen die Archäologen erstmals ein großes Untertage-Kernbohrgerät der Salinen Austria AG ein, das üblicherweise für geologische Erkundungsbohrungen verwendet wird und hunderte Meter in den Berg vordringen kann. So wollen sie die prähistorische Abbaukammer systematisch erkunden.
Die erste Bohrung wurde bereits 13 Meter vorangetrieben und "verläuft vielversprechend", so Reschreiter. Anhand des bei der Bohrung gewonnenen Bohrkerns mit einem Durchmesser von fünf Zentimetern wissen die Experten, dass sie bereits in die ehemalige Abbaukammer vorgedrungen sind. Davon zeugt etwa eine meterdicke Schicht abgebrannter Leuchtspäne und anderer Abfall, die von den Bergleuten einfach fallen gelassen wurden und in die sie bereits vorgedrungen sind.
In den nächsten Wochen wollen sie einen "Bohrfächer" durch diese prähistorische Kammer legen, um deren Dimension abschätzen zu können. Sollte sich die vermutete Größe bestätigen wäre dies der mit Abstand größte bekannte prähistorische Bergbau weltweit.
Reschreiter schätzt, dass dort vier bis fünf Tonnen Salz pro Tag gewonnen werden konnten. Solche Daten sind für die Archäologen insofern interessant, "weil wir das Gesamtsystem verstehen wollen". Auf Basis der Größe des Bergbaus können sie den Ressourcenverbrauch, die Zahl der beschäftigten Bergleute und der für sie notwendigen Tiere, die Transportwege, die Intensität der Nutzung der Landschaft, etc. abschätzen.
Neue Dimensionen in der Forschung
Sollte sich die Methode mit dem Kernbohrgerät bewähren, wollen die Wissenschafter den Bohrer an verschiedenen Stellen im vorhandenen Stollensystem ansetzen, "und systematisch den prähistorischen Bergbau durchleuchten, wir haben ja noch riesige blinde Flecken", so Reschreiter. "Das würde die Erforschung der ältesten Kultur- und Industrielandschaft, in der immer noch produziert wird, in ganz neue Dimensionen bringen."
NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland hat am Wochenende mit dem Direktor der HTL Holzfachschule Hallstatt, Christoph Preimesberger, einen Kooperationsvertrag zur gemeinsamen wissenschaftlichen Zusammenarbeit zur Geschichte und Kultur Hallstatts sowie der Erforschung der Region unterzeichnet. Das Spektrum reicht dabei von Themen für Diplomarbeiten für die Schüler, Praktika, experimentelle Archäologie, etc.. Beide Institutionen seien mit ihrer Expertise im Bereich Holz sehr breit aufgestellt und würden sich gut ergänzen, sagte Reschreiter.
Service: www.nhm-wien.ac.at/hallstatt; www.salzwelten.at