Mikroplastik-Fasern fliegen weit und hoch durch Atmosphäre
Der Transport von Mikroplastik über Flüsse in die Ozeane ist relativ gut untersucht, während der Transport dieser potenziellen Umweltschadstoffe durch die Atmosphäre noch viele Fragen aufwirft. Forschende der Uni Wien und aus Deutschland zeigten nun jüngst im Journal "Environmental Science & Technology" auf, wie die Form der Teilchen die Flugdistanzen prägt: Mikroplastik-Fasern halten sich demnach deutlich länger in der Luft als angenommen und fliegen besonders hoch.
Das Wissen über die Verteilung von Mikroplastik in der Atmosphäre sei bisher noch limitiert, schreibt das Team um Daria Tatsii und Andreas Stohl vom Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien in ihrer Studie. Die synthetischen organischen Polymere, die in unterschiedlicher Form und Größe von bis zu einigen Millimetern in Durchmesser bzw. Länge auftreten können, gelten als Umweltschadstoffe für Ökosysteme an Land und im Wasser. Bei ihrem Transport durch die Luft bestehe zudem das Risiko des Einatmens, so die Forschenden.
Stohl, Professor für Allgemeine Meteorologie, konnte bereits im Rahmen einer ersten Modellberechnung der globalen Ausbreitung von Mikroplastikteilchen aus dem Straßenverkehr durch Wind im Jahr 2020 zeigen, dass dieser Transportweg - neben der Verbreitung von Mikroplastik durch Flüsse - eine zentrale Rolle spielt.
Aktuelle Berechnungsmodelle unzureichend
Mit den derzeit bestehenden Berechnungsmodellen könne man aber nicht nachvollziehen, wie die Partikel - inklusive der für atmosphärischen Transport schon sehr großen Teilchen mit etwa 1 Millimeter Ausdehnung in Länge und häufig faserartiger Form - in so entlegenen Gebieten wie der Arktis, der Antarktis, aber auch auf den Sonnblickgletschern abgelagert werden können, sagte Stohl zur APA: "Es gibt aber keine andere Möglichkeit dafür, als dass dies über den Transport durch die Atmosphäre erfolgt." Doch in der Atmosphäre selbst seien die Partikel neben Wüstenstaub, Luftverschmutzung aller Art und anderer Aerosole nur schwer erfassbar.
Bisherige Berechnungsmodelle gingen zudem von absolut runden Partikeln aus. Mit Hilfe ihres neuen entwickelten Ansatzes konnten die Forscher nun aufzeigen, dass Fasern von Mikroplastik sehr viel weiter durch die Atmosphäre transportiert werden als bisher angenommen. Während sich kugelförmige Partikel vergleichsweise rasch absetzen, können Mikroplastik-Fasern auch die Stratosphäre, als zweite Erdatmosphärenschicht, erreichen.
Das Team ermittelte zunächst experimentell, wie schnell sich Mikroplastikfasern in der Atmosphäre absetzen. Es standen bisher kaum Daten über die Dynamik der Fasern in der Luft zur Verfügung, sagte Mitautor Mohsen Bagheri vom Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen laut Aussendung. Ein Grund dafür sei, "dass es schwierig ist, kontrollierte und wiederholbare Experimente mit so kleinen Partikeln in der Luft durchzuführen". Über Fortschritte im 3D-Druck mit Submikrometer-Auflösung und einen von den Forschenden entwickelten neuartigen Versuchsaufbau konnte nun aber nachgewiesen werden, dass die Form der Partikel einen Unterschied macht.
Es kommt auf die Masse an...
Die Erkenntnisse über den Absetzungsprozess von faserförmigen Partikeln wurde in einem nächsten Schritt in ein globales atmosphärisches Transportmodell integriert. Das Resultat: Die Fasern mit einer Länge von bis zu 1,5 Millimeter konnten in dem Modell die entlegensten Orte der Erde erreichen, während sich Kugeln derselben Masse viel näher an den jeweiligen regionalen Plastikquellen absetzten. Die Längenangabe sei hier aber nicht als harte Grenze zu verstehen, sagte Stohl: "Es kommt auf die Masse an und bei gleicher Masse gilt: Je länger die Fasern sind, desto weiter können sie transportiert werden." Die relativ großen Partikel könnten aber bei entsprechenden Bedingungen durchaus Strecken vom Äquator bis zum Pol zurücklegen.
Die chemische Zusammensetzung und damit spezifische Dichte der Fasern nannte Stohl als weitere Einflussgröße. Der Fokus der Studie lag aber auf dem Einfluss der Faserform auf die Flugstrecke - "das hat man sich bisher einfach nicht experimentell angeschaut", so Stohl: "Wir haben nun die ersten Messdaten dazu geliefert sowie eines der ersten Berechnungsmodelle vorgelegt, dass den Einflussfaktor der Form berücksichtigt."
Der Befund, dass Mikroplastik-Fasern auch viel größere Höhen in der Atmosphäre erreichen können als bisher angenommen, könnte für den Meteorologen auch Auswirkungen "auf die Prozesse der Wolkenbildung und sogar auf das stratosphärische Ozon" haben. Allerdings seien noch weitere Studien notwendig, um den Einfluss von Mikroplastik auf die Atmosphäre zu erforschen. "Was darüber hinaus wirklich fehlt, ist ein besseres Verständnis über die Emissionsquellen von Mikroplastik, über die emittierten Größen der Partikeln, wie hoch der Anteil aus sekundären Quellen ist (z.B. durch Fragmentierung größerer Partikel, Anm.) - es fehlt jegliches quantitatives Verständnis, was in die Atmosphäre gelangt", so Stohl.
Service: Publikation online: https://pubs.acs.org/doi/epdf/10.1021/acs.est.3c08209