COVID-19-Impfung bei Diabetes: Antikörperlevel vergleichbar mit Gesunden
Als die ersten Impfstoffe gegen COVID-19 verfügbar wurden, herrschte große Unsicherheit - vor allem bei Menschen aus Hochrisikogruppen. Eine lang angelegte Studie begleitete 150 Menschen mit Diabetes durch das COVID-19-Impfschema und bringt beruhigende Ergebnisse. Gleichzeitig unterstreichen die Studiendaten die Bedeutung regelmäßiger Auffrischungsimpfungen für Menschen mit Diabetes.
„Damals wurden wir in der Ambulanz oft gefragt, ob die Impfung bei Diabetes wirksam sei und ob sich die Betroffenen impfen lassen sollten“, erinnert sich Harald Sourij, Diabetologe an der Medizinischen Universität Graz. Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) und der damit verbundene erhöhte Blutzuckerspiegel beeinträchtigt das Immunsystem. So hatten Menschen mit Diabetes während der COVID-19-Pandemie ein besonders hohes Risiko für schwere Krankheitsverläufe. Studien zufolge verstarb jede vierte Person, die mit Diabetes und einer COVID-19-Erkrankung ins Krankenhaus eingeliefert wurde.
150 Personen in klinischem Projekt untersucht
Heute kann der Kliniker und Forscher auf eigene Studiendaten verweisen, die zeigen, dass die COVID-19-Impfung auch bei Menschen mit Diabetes einen vergleichbaren Schutz gegen das Virus aufbaut. Im Rahmen des vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Projekts „COVID-19-Impfung bei Menschen mit Diabetes“ begleitete Sourijs Team 150 Teilnehmende mit Diabetes durch die ersten drei Dosen des Impfschemas. Untersucht wurden die Antikörperantwort auf die Impfung, die Blutzuckereinstellung zum Zeitpunkt der Impfung und mögliche Nebenwirkungen wie Über- oder Unterzuckerung rund um die Impfung.
Im Ergebnis war die Antikörperantwort nach der zweiten Impfung vergleichbar mit der einer gesunden Kontrollgruppe. „Das hat uns für die Arbeit in der Klinik viel Sicherheit gegeben“, berichtet Sourij. Allerdings zeigen die jüngsten Studiendaten aus dem Projekt, dass der Antikörperspiegel bei Menschen mit Diabetes zwischen der zweiten und dritten Dosis schneller absinkt. Durch die Auffrischungsimpfung konnte der Antikörperspiegel – und damit wohl auch der Impfschutz – in dieser Gruppe wieder auf ein vergleichbares Niveau angehoben werden. Das unterstreicht die Bedeutung regelmäßiger Auffrischungsimpfungen für Menschen mit Diabetes.
In dem Projekt „COVID-19-Impfung bei Menschen mit Diabetes“ begleitete ein Team um den Mediziner Harald Sourij 150 Teilnehmende mit Diabetes, um die Wirkung der ersten Impfstoffe gegen COVID-19 zu untersuchen.
Großes Interesse an der Teilnahme
Wie wichtig die Studie damals war – und noch immer ist –, zeigte auch der Andrang auf die Teilnehmerplätze. „Normalerweise dauert es einige Zeit, bis sich genügend Interessent:innen für eine Studie finden. Aber in diesem Fall hatten wir innerhalb weniger Wochen 150 Teilnehmer:innen“, sagt Sourij. Zusätzlich wurden 86 Personen ohne Diabetes als Kontrollgruppe untersucht. Nahezu alle Teilnehmenden erhielten Impfstoffe auf der Basis von mRNA (Messenger-RNA), die den Bauplan für ein unschädliches Oberflächenprotein des COVID-19 auslösenden SARS-CoV-2 enthalten.
Im Zuge der Impfungen untersuchten die Forschenden den Blutzuckerspiegel sowie die Antikörperantwort nach jeder der drei Dosen. Im Ergebnis zeigte sich, dass der Impfschutz unabhängig davon war, ob ein Typ-1- oder Typ-2-Diabetes vorlag und wie lange die Erkrankung bereits bestand. Auch die Blutzuckereinstellung zum Zeitpunkt der Impfung – die sich auf die Funktion der Immunzellen auswirken kann – spielte keine Rolle. „Das war überraschend, denn wir waren davon ausgegangen, dass die Immunantwort bei Menschen mit Diabetes etwas schwächer ausfällt und die Blutzuckereinstellung einen Einfluss auf die Impfreaktion hat“, sagt Sourij. Lediglich eine schlechtere Nierenfunktion (eine Begleiterkrankung bei fortgeschrittenem Diabetes) und ein höheres Alter waren mit einem schlechteren Impfschutz assoziiert.
Kaum Einfluss auf den Blutzucker
Ein zweiter Aspekt der Studie war die Sorge, dass die Impfung bei Menschen mit Diabetes zu Blutzuckerschwankungen führen könne. Um dies zu überprüfen, wurden die Teilnehmenden für die erste Impfdosis mit kontinuierlichen Blutzuckermessgeräten ausgestattet. Diese dokumentierten zwei Tage vor bis drei Tage nach der Impfung in Intervallen von wenigen Minuten die Blutzuckerwerte im Unterhautgewebe. Die Ergebnisse zeigten, dass die Impfung bei den meisten Menschen keinen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel hatte. Nur bei Menschen, die Typ-1-Diabetes hatten und durch die Impfung lokale Schmerzen und Fieber entwickelten, kam es vorübergehend zu leichten Blutzuckerschwankungen, wie es dem Experten zufolge in solchen Fällen zu erwarten sei.
Weitere Publikationen in Kürze
Die vorliegenden Studiendaten befassen sich mit der Antikörperantwort auf die COVID-19-Impfung. Diese wird von B-Zellen, speziellen Lymphozyten des Immunsystems, vermittelt. Darüber hinaus werden im Rahmen einer Infektion oder als Antwort auf eine Impfung eine Vielzahl anderer Zellen des Immunsystems aktiv.
In einem zweiten Teil des Projekts untersucht man die Reaktion von T-Zellen, die einerseits in die Regulation der Antikörperbildung involviert sind und andererseits Krankheitserreger direkt zerstören können. Dieser Zelltyp wird durch einen hohen Blutzuckerspiegel beeinträchtigt. „Das könnte miterklären, weshalb der Impfschutz bei Menschen mit Diabetes kürzer erhalten bleibt“, sagt Sourij. Das Team arbeitet mit Forschenden um die Immunologin Margarita Dominguez-Villar des Imperial College in London zusammen, um die im Rahmen der Studie gewonnenen Proben dahingehend zu analysieren. Erste Ergebnisse werden Anfang 2025 erwartet.
Zur Person
Harald Sourij ist Facharzt für Innere Medizin und Professor für Interdisziplinäre Metabolische Medizin an der Medizinischen Universität Graz. Er leitet die Ambulanz für Diabetes-, Lipid- und Stoffwechselkrankheiten am Universitätsklinikum Graz und die Forschungseinheit für Interdisziplinäre Metabolische Medizin. Das Projekt „COVID-19-Impfung bei Menschen mit Diabetes“ wurde vom Wissenschaftsfonds FWF mit rund 350.000 Euro gefördert und lief von 2022 bis 2024.
Publikationen
Sourij C., Aziz F., Kojzar H. et al.: Severe acute respiratory syndrome coronavirus 2 spike antibody level decline is more pronounced after the second vaccination, but response to the third vaccination is similar in people with type 1 and type 2 diabetes compared with healthy controls: The prospective COVAC-DM cohort study, in: Diabetes, Obesity and Metabolism 2023
Aberer F., Moser O., Aziz F., Sourij C. et al.: Impact of COVID-19 Vaccination on Glycemia in Individuals With Type 1 and Type 2 Diabetes: Substudy of the COVAC-DM Study, in: Diabetes Care 2022
Sourij C., Tripolt N.J., Aziz F., Aberer F. et al.: Humoral immune response to COVID-19 vaccination in diabetes is age-dependent but independent of type of diabetes and glycaemic control: The prospective COVAC-DM cohort study, in: Diabetes, Obesity and Metabolism 2022
Österreichischer Wissenschaftsfonds FWF
Ingrid Ladner, Redaktion scilog
Telefon: +43 676 83487 8117
E-Mail: ingrid.ladner@fwf.ac.at
Website: https://scilog.fwf.ac.at
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