Dunkle Materie, Dunkle Energie, ... - Woraus das Universum besteht
Gleich ob Mensch, Tier, Erde, Sterne oder weit entfernte Galaxien - die uns bekannte Materie besteht aus Protonen, Neutronen und Elektronen. Diese machen aber nur fünf Prozent unseres Universums aus - der große Rest besteht aus Dingen, die man noch nicht versteht: Dunkle Materie und Dunkle Energie. Dass es sie gibt, weiß man, weil ihre Existenz beobachtbare Folgen hat. Daher suchen Physiker schon lange danach und versuchen, diese rätselhaften Phänomene zu entschlüsseln.
Man geht davon aus, dass das gesamte Energie- und Materiebudget des Universums aus fünf Prozent gewöhnlicher Materie, aus 27 Prozent Dunkler Materie und 68 Prozent Dunkler Energie besteht. Betrachtet man also nur die Materie im Universum, sind 85 Prozent davon Dunkle Materie.
Diese wurde, so wie wir sie heute verstehen, erstmals 1933 von dem in den USA tätigen Schweizer Astronomen Fritz Zwicky (1898-1974) postuliert. Er analysierte die kinetische Energie vom Coma Galaxienhaufen und schloss so indirekt auf dessen Gesamtmasse. Die entpuppte sich als wesentlich größer als die sichtbare Masse.
"Wenn man sich anschaut, wie schnell sich die Sterne um das Zentrum ihrer Galaxie bewegen und anhand ihrer Leuchtkraft berechnet, wie schwer sie sind, wären sie viel zu schnell und müssten aus ihrer Galaxie geschleudert werden, gäbe es nur die gewöhnliche Materie", erklärte Florian Reindl vom Institut für Hochenergiephysik (HEPHY) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und dem Atominstitut der Technischen Universität (TU) Wien gegenüber der APA. Er hat am Donnerstag mit COSINUS ein neues Experiment zur Suche nach der Dunklen Materie in den "Laboratori Nazionali del Gran Sasso" (LNGS) bei L'Aquila (Italien) gestartet, dem weltgrößten Untergrundlabor.
Offensichtlich hält etwas anderes, eben die Dunkle Materie, die Sternensysteme mit ihrer Gravitation zusammen. Sehen kann man Dunkle Materie nicht, sie zeigt sich nur durch ihre Gravitationswirkung. Inzwischen gibt es eine ganze Reihe weiterer Beobachtungen, die ebenfalls indirekt auf die Existenz Dunkler Materie hindeuten, etwa bei Galaxienhaufen, beim Gravitationslinseneffekt und selbst bei der kosmischen Hintergrundstrahlung aus dem frühen Universum.
Dunkle Materie immer noch rätselhaft
Woraus die Dunkle Materie besteht, ist noch völlig unklar. Es gibt verschiedene Vorschläge dafür, die von kurz nach dem Urknall entstandenen (primordialen) Schwarzen Löchern über massereiche, astrophysikalische, kompakte Halo-Objekte (MACHOs) wie Braune Zwerge bis zu hypothetischen Elementarteilchen wie Axionen, sterilen Neutrinos oder schwach wechselwirkenden massereichen Teilchen (WIMPs) reichen. Die Hoffnungen in aussichtsreiche Kandidaten wie die WIMPs hätten sich zerschlagen, weshalb man in der Wissenschaft nun wieder möglichst breit suche, um weiterzukommen, so Reindl. Für den Physiker ist es angesichts der Komplexität des Teilchenzoos, aus dem die fünf Prozent gewöhnliche Materie besteht, ohnedies vorstellbar, dass es einen ähnlich komplexen Sektor bei der Dunklen Materie gibt.
Was immer die Dunkle Materie ist, rechnen lässt sich schon damit - zumindest so, dass sie auch für Laien anschaulich wird. Aus der Galaxienrotation hat man laut Reindl errechnet, dass die Dichte der Dunklen Materie bei 0,4 Gigaelektronenvolt (GeV) pro Kubikzentimeter liegt. GeV ist eine Energieeinheit, die aber auch für die Masse von Elementarteilchen verwendet wird.
Nachdem die Masse eines Protons ein GeV beträgt, liegt die Dichte der Dunklen Materie im Sonnensystem bei weniger als einem Proton pro Kubikzentimeter. "Im Volumen der Erde, wenn man sie grob angenähert als Kugel betrachtet, sind demnach ungefähr 0,8 Kilogramm Dunkler Materie vorhanden", so Reindl, der noch einen anderen anschaulichen Vergleich parat hat: "Wenn man für das Dunkle-Materie-Teilchen eine Standard-WIMP-Masse annimmt, kommt man auf 200.000 Teilchen, die pro Sekunde durch die Fläche eines Quadratzentimeters, also etwa eines Fingernagels, fliegen."
Dass es auch sehr viel Dunkle Energie im Universum gibt, nimmt man an, um die beschleunigte Ausdehnung des Universums zu erklären. Eigentlich müsste sich die Expansion des Universums aufgrund der Gravitation der darin enthaltenen Materie verlangsamen. Doch die Astronomen Saul Perlmutter, Brian Schmidt und Adam Riess wiesen 1998 nach, dass sich das Universum immer schneller ausdehnt, wofür sie 2011 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet wurden.
Als Ursache für diese Beschleunigung wird Dunkle Energie angenommen, die in perfekter Gleichförmigkeit im Universum verteilt ist und der Schwerkraft entgegenwirkt. Was sich physikalisch hinter der Dunklen Energie verbirgt ist bisher vollkommen unklar.