Neuer KHM-Chef Jonathan Fine: "Wir müssen niederschwelliger werden"
Der US-amerikanische Kunsthistoriker und derzeitige Chef des Weltmuseums, Jonathan Fine, wird Anfang 2025 als Nachfolger von Sabine Haag Generaldirektor des Kunsthistorischen Museums. Mit der APA sprach er über seine Pläne für den KHM-Verband, die aktuellen Herausforderungen der Museen und über die Frage, warum er zeitgenössischer Kunst eher nicht allzu großen Raum geben wird.
APA: Sie sind erst vor zwei Jahren als Direktor des Weltmuseums nach Wien gekommen. Hatten Sie da schon die KHM-Generaldirektion auf Ihrem Karriereplan?
Jonathan Fine: Nein, absolut nicht. Ich bin nach Wien gekommen, weil ich davon überzeugt war, dass das Weltmuseum ein hervorragendes Haus ist. Die Gelegenheit, so ein Museum zu leiten, lag mir sehr am Herzen. Es war absolut nicht der Plan, Generaldirektor des KHM-Verbands zu werden.
APA: Was hat Sie dazu bewogen, sich nun aber doch zu bewerben?
Fine: Als ich hier war, habe ich verstanden, wie intensiv die Verbindungen zwischen den einzelnen Sammlungen sind, und ich bin davon überzeugt, dass man mit den kunsthistorischen Sammlungen auch hier Weltgeschichten erzählen kann - und zwar nicht nur die Geschichten der vergangenen Zeiten, sondern auch jene, die uns heute beschäftigen.
APA: Welche Ideen bringen Sie mit für den Museumsverband?
Fine: Ich glaube, wir müssen niederschwelliger werden. Wir können nicht mehr davon ausgehen, dass alle Wienerinnen und Wiener, alle Touristinnen und Touristen schon eingeweihte Kunsthistorikerinnen und -historiker sind. Wir müssen das, was hier ist, besser und intensiver vermitteln. Ich glaube aber auch, dass wir die Verbindungen zwischen den Museen stärken müssen. Zusammen ist der Verband eine enzyklopädische Sammlung, die mit den großen Museen der Welt mithalten kann. Das müssen wir stärker in den Vordergrund stellen.
APA: Kunststaatssekretärin Mayer meinte, Sie hätten die aktuellen großen Herausforderungen der Museen verstanden. Worin liegen die?
Fine: Ich glaube, Museen werden stärker nach ihrer aktueller Relevanz gefragt. Wir sehen das in der Diskussion um Restitutionen, in der Auseinandersetzung mit Fragen der Kolonialzeit europaweit. Wir sehen das in der gesellschaftlichen Positionierung von Kunst- und Kultursammlungen, die auf den ersten Blick vielleicht sehr elitär erscheinen. Die sind von Weltrang, aber das bedeutet nicht, dass sie nicht für jeden und jede in Österreich zugänglich sein können.
APA: Sie sind ausgewiesener Experte für postkoloniale Fragestellungen. Was davon bringen Sie davon ein in das KHM?
Fine: In meiner bisherigen Arbeit hatte ich einen Schwerpunkt auf der Kunstgeschichte Afrikas, aber die ist immer mit der Kunstgeschichte anderer Kontinente verwoben gewesen. Ich glaube, diese Sensibilität für die Zusammenhänge zwischen Regionen, Erdteilen, Epochen ist das, was ich mitbringen kann und was ich stark im KHM und seinen Häusern betonen möchte.
APA: Gerade ist die Baselitz-Ausstellung im KHM ausgelaufen - ein Versuch, zeitgenössische Kunst mit den Alten Meistern zu kombinieren. Ist das ein Ansatz, der Sie interessiert? Wird zeitgenössische Kunst hier mehr Bedeutung bekommen?
Fine: Die Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Themen, Fragen und Künstlerinnen und Künstlern ist etwas, wofür ich mich sehr im Weltmuseum eingesetzt habe. Die historischen Sammlungen können nur davon profitieren, wenn sie in die Gegenwart geholt werden. Ich schätze die Ausstellung (zu Baselitz, Anm.) sehr, aber ich glaube, in einem Zeitalter, wo wir zunehmend damit konfrontiert sind, dass wir nachhaltiger arbeiten müssen, dass vielleicht große Blockbusterausstellungen mit zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern eher die Ausnahme werden als die Regel. Es gibt in Wien sehr viele Museen, wo man zeitgenössische Kunst erleben und genießen kann. Ich möchte mehr überlegen, wie man einen Schwerpunkt auf die historischen Sammlungen setzt und sie mit gegenwärtigen Themen belebt.
(Das Interview führte Thomas Rieder/APA)
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