Österreichische Physiker arbeiten an Transatlantik-Quantennetzwerk
An den Grundlagen für ein transatlantisches Netzwerk zur Quantenkommunikation arbeiten Wissenschafter aus Europa und Kanada. Dabei soll die Verteilung abhörsicherer Kryptographie-Schlüssel mittels verschränkter Photonen über Satellit erforscht werden. An den Vorhaben sind auch österreichische Physiker beteiligt, u.a. der Quantenphysiker Thomas Jennewein von der University of Waterloo, der auch Mastermind des ersten kanadischen Quantensatelliten ist, der 2025 starten soll.
Das dreijährige Projekt "Hyperspace" wird vom deutschen Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik koordiniert. Jeweils mit anderen Schwerpunkten beteiligt sind daran drei kanadische Institutionen und vier Partner aus Europa, und zwar die Universitäten Pavia und Padua (beide Italien), das Forschungsinstitut CEA-Leti (Frankreich) und die Technische Universität (TU) Wien. Von der EU und dem Natural Sciences and Engineering Council of Canada wird das Vorhaben mit 2,8 Mio. Euro finanziert.
In Quantennetzwerken macht man sich das quantenphysikalische Phänomen der Verschränkung zunutze. Demnach bleiben zum Beispiel zwei verschränkte Photonen über beliebige Distanzen miteinander verbunden und teilen ihre physikalischen Eigenschaften. Sobald man eine Eigenschaft an einem der beiden Lichtteilchen misst, etwa seine Schwingungsrichtung (Polarisation), ist zwingend auch die entsprechende Eigenschaft des zweiten Teilchens ident damit.
Es lässt sich somit also an zwei Orten zeitgleich exakt dieselbe Information erzeugen. Die Gesetze der Quantenphysik garantieren dabei, dass niemand diese Information abhören kann. Diese Erzeugung und Verteilung abhörsicherer Schlüssel zur Ver- und Entschlüsselung von Informationen wird als "Quantum Key Distribution" (QKD; dt: Quantenschlüsselaustausch) bezeichnet.
Mit Satellitenlink Tausende Kilometer überbrücken
Auf kurzen Strecken ist QKD mittlerweile kein Problem mehr. Die für ein globales Netzwerk notwendige Überbrückung größerer Distanzen ist allerdings schwierig, weil die Verschränkung gegenüber äußeren Einflüssen sehr empfindlich ist und Photonen verloren gehen. Aus diesem Grund versucht man, QKD über Satellit zu realisieren.
"Der Hauptvorteil von einem Satellitenlink ist, dass man damit Tausende Kilometer überbrücken kann, das Signal dabei aber nur wenige Kilometer in der störenden Atmosphäre zurücklegen muss", erklärte Thomas Jennewein im Gespräch mit der APA. Dass das funktioniert, hat China bereits 2017 in einem aufsehenerregenden Experiment gezeigt: Mit seinem Quantenkommunikationssatelliten "Micius" wurde ein quantenverschlüsseltes Videotelefonat zwischen dem damaligen Präsidenten der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Anton Zeilinger, und seinem chinesischen Amtskollegen realisiert.
"Das hat gezeigt, dass die Dinge möglich sind, und es nicht nur Science-Fiction ist, was wir hier machen - Hut ab, das war eine riesen Leistung", so Jennewein, der bei Zeilinger dissertiert und mit dem späteren Nobelpreisträger gearbeitet hat, ehe er 2009 nach Kanada ging. China sei federführend in diesem Bereich und habe weitere QKD-Satelliten gestartet. Mittlerweile weiß man auch, dass die Verschränkung robuster gegenüber äußeren Störungen wird, wenn die Teilchen in mehreren Dimensionen verbunden werden, also etwa nicht nur über die die Polarisation, sondern über weitere Eigenschaften der Photonen verschränkt werden.
Wie robust eine solche Hyperverschränkung ist, hat kürzlich der Quantenphysiker Marcus Huber von der TU Wien und vom Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) der ÖAW gezeigt. Er hat mit seinem Team mithilfe mehrdimensional verschränkter Photonenpaare bei Tageslicht einen Quantenschlüssel über eine Distanz von zehn Kilometern über den Dächern Wiens durch die Luft übertragen. Huber ist auch an dem Projekt "Hyperspace" beteiligt, das ebenfalls auf solche mehrdimensional verschränkte Photonen setzt.
Noch in der Anfangsphase
"Verschränkung in vielen Freiheitsgraden bleibt auch noch im schlimmsten Hintergrundrauschen identifizierbar und ermöglicht damit auch unter widrigen Bedingung Quantenkommunikation", sagte Huber zur APA. Dafür müssten aber noch bessere Quellen designt, getestet und auch weltraumtauglich gemacht werden. "Dies ist das Ziel unseres Konsortiums, in dem jeder Teilnehmer ein wesentliches Stück Expertise beiträgt", so der Physiker.
"Wir sind noch in der Anfangsphase, aber unser Ziel ist, ein Missionskonzept auszuarbeiten. Aufbauend darauf können dann notwendige Entwicklungsarbeiten erfolgen und auf eine konkrete Mission hingearbeitet werden", so Jennewein. So wollen die Wissenschafter in dem Projekt abschätzen, welche Technologien benötigt werden, etwa Lichtquellen für mehrdimensional verschränkte Photonen, welche Übertragungsprotokolle notwendig sind, in welcher Höhe ein Satellit fliegen muss, um Bodenstationen in Kanada und Europa im Blick zu haben, wie gut die Übertragungsqualität für diesen Orbit ist, ob ein Satellit ausreicht, wie groß er sein muss, wie viel Übertragungszeit man über ein Jahr gemittelt hat, in wie vielen und welchen Dimensionen die Photonen verschränkt werden sollten, usw.
Die Ergebnisse des "Hyperspace"-Projekts sollen laut Jennewein zumindest teilweise auch in die "Quantum Encryption and Science Satellite (QEYSSat) Mission" einfließen, deren Start 2025 geplant ist. Der österreichische Physiker hat den ersten kanadischen Quantensatelliten initiiert und ist auch wissenschaftlicher Leiter der von der Kanadischen Weltraum Agentur CSA finanzierten Mission. Der mit einem Quanten-Empfänger und -Sender ausgestattete Satellit soll aus dem erdnahen Orbit verschränkte Photonen mit einer Bodenstation austauschen können. Denkbar wäre etwa, dass man neue, im Zuge von "Hyperspace" entwickelte Photonenquellen von einer Bodenstation aus mit QEYSSat zu verbinden versucht, sagte Jennewein.
Service: Projekt "Hyperspace": http://go.apa.at/583aTMQD; QEYSSat: http://go.apa.at/JoPCBp8d