Klima-Glossar: Klimagerechtigkeit
Spätestens seit den weltweiten Klimastreiks von Fridays for Future und anderen Organisationen ist der Begriff "Climate Justice", zu deutsch "Klimagerechtigkeit", weit verbreitet. Der Begriff wirft ein Licht darauf, wie unterschiedlich die Folgen des Klimawandels verteilt sind und stellt vor allem die Frage, wer für die Folgen und deren Linderung zur Verantwortung gezogen werden soll.
Unterschiedliche Bevölkerungsgruppen tragen unterschiedlich stark zum Klimawandel bei und sind vor allem unterschiedlich stark von dessen negativen Folgen betroffen. Daten zum weltweiten Emissionsausstoß zeigen, dass es vor allem Länder des Globalen Norden sind, die für den Großteil des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sind, während Länder des Globalen Südens nur einen Bruchteil dazu beitragen. Die Folgen des Klimawandels spüren jedoch in erste Linie zweitere.
Fünf Länder und EU für Großteil der CO2-Emissionen verantwortlich
Die Begriffe "Globaler Norden" und "Globaler Süden" sind dabei weniger geografisch zu verstehen, sondern sollen vor allem dazu dienen, Länder nach ihren jeweiligen ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Charakteristiken im globalen Kontext einzuordnen. Eine solche Trennung wurde das erste Mal in den 1980er-Jahren entworfen und zeigt, dass die Kluft zwischen reichen und armen Ländern recht zuverlässig, mit Ausnahme von Australien und Neuseeland, zwischen dem Norden und Süden der Erde liegt.
Zu den weltweit größten Emittenten von CO2 zählen laut einem Bericht der EU-Kommission aus 2021 China, die USA, die 27 Mitgliedsstaaten der EU, Indien, Russland und Japan. Zusammen sind diese Länder laut dem Bericht für 67,8 Prozent der gesamten CO2-Emissionen weltweit verantwortlich. Dem deutschen Statistischen Bundesamt zufolge waren die G-20 Staaten für rund 80 Prozent der weltweiten absoluten CO2-Emissionen verantwortlich. Demnach leisten Industrieländer den größten Beitrag zur Klimaveränderung, während Schwellenländer wie Indien und China dabei sind auf bzw. zu überholen.
G20-Staaten: Saudi-Arabien mit höchstem CO2-Ausstoß pro Kopf
Ein ähnliches Bild zeigt sich, wenn man die Pro-Kopf-Emissionen einzelner Staaten betrachtet. Die Pro-Kopf-Emissionen drücken aus, wie viel jede Einwohnerin und jeder Einwohner eines Landes zum menschengemachten Klimawandel beiträgt. Laut Daten der Emissionsdatenbank für die globale Atmosphärenforschung EDGAR (Emission Database for Global Atmospheric Research) der EU-Kommission verzeichnete Saudi-Arabien 2020 mit 17 Tonnen den höchsten CO2-Ausstoß je Einwohnerin bzw. je Einwohner unter den G-20-Staaten. Danach folgten Australien (15,2 Tonnen), Kanada (14,4 Tonnen) und die USA (13,7 Tonnen). China rangierte mit rund 8,2 Tonnen vor der EU (5,9 Tonnen). In Österreich lag der CO2-Ausstoß pro Kopf bei 7,25 Tonnen.
Je höher das Einkommen desto höher Pro-Kopf Emissionen
Der CO2-Ausstoß pro Kopf verdeutlicht also einen wichtigen Aspekt von Klimagerechtigkeit: den engen Zusammenhang von Pro-Kopf-Emissionen und Einkommen. Denn höhere Einkommen führen oftmals zu einer energieintensiveren Lebensweise und dementsprechend höheren Emissionen. Bereits jetzt liegen die Emissionen reicherer Bevölkerungsgruppen um ein vielfaches höher als jene der ärmeren. Laut einer Studie der Organisation Oxfam hat das reichste eine Prozent (rund 63 Millionen Menschen) zwischen 1990 und 2015 mehr als doppelt so viel klimaschädliches CO2 ausgestoßen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zusammen. Eine weitere Studie von Oxfam schätzt, dass die Pro-Kopf-Emissionen der reichsten ein Prozent der Weltbevölkerung im Jahr 2030 immer noch 30 Mal höher sein werden als das globale Pro-Kopf-Niveau, das mit dem 1,5-Grad-Ziel des Pariser Abkommens vereinbar ist.
Blickt man auf die Folgen des Klimawandels, dreht sich der Spieß jedoch um. So zeigt beispielsweise der Globale-Klima-Risiko-Index der deutschen Entwicklungs- und Umweltorganisation Germanwatch jene Länder, die am stärksten von extremen Wetterereignissen betroffen sind. Die Länder, die 2019 besonders anfällig waren, sind Mosambik, Simbabwe und die Bahamas. Zusammen machen diese drei Länder aber nur einen Bruchteil der weltweiten Emissionen aus. Mosambik hatte beispielsweise 2020 laut Daten des deutschen Statistischen Bundesamts einen CO2-Ausstoß von lediglich 0,31 Tonnen pro Kopf.
Überschwemmungen, Dürren, Hungerkrisen als Folge
Für viele Länder im globalen Süden hat die Klimakrise schon jetzt bedrohliche und weitreichende Folgen. Ein Beispiel dafür ist der Südsudan. Das Land steckt nach Angaben der Hilfsorganisation Save the Children in der "schlimmsten Hungerkrise" seit der Unabhängigkeit vom Sudan 2011. Im Oktober litten laut der Organisation etwa 1,4 Mio. Kinder unter fünf Jahren an Unterernährung. Das Land leidet neben gewaltsamen internen Konflikten unter den Folgen des Klimawandels, der sich insbesondere auf die Landwirtschaft auswirkt.
Überdurchschnittliche Niederschläge im vierten Jahr in Folge führten zu lang anhaltenden Überschwemmungen. Laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) wurden dadurch 65.107 Hektar Getreideanbaufläche geschädigt, was zu einem geschätzten Verlust von 37.624 Tonnen Getreide in den von den Überschwemmungen betroffenen Gebieten führte. Gleichzeitig sind die Menschen im Land von wiederkehrenden Dürren betroffen. Nach Angaben des UNO-Büros für die Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) waren Mitte Oktober fast 909.000 Menschen in neun der zehn Bundesstaaten von dem Hochwasser betroffen. Im Klima-Risiko-Index belegt der Südsudan Platz 8. Der Sudan und Südsudan machen gemeinsam nur rund 0,06 Prozent der globalen CO2 Emissionen aus.
Der jüngste IPCC-Bericht des Weltklimarats, der im März dieses Jahres publiziert wurde, stellte fest, dass Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen schon gegenwärtig immer häufiger auftreten würden und immer schwieriger zu bewältigende Auswirkungen hätten. Millionen von Menschen vor allem in Afrika, Asien, Mittel- und Südamerika sowie auf kleinen Inseln seien daher einer akuten Nahrungsmittel-und Wasserversorgungsunsicherheit ausgesetzt.
Der Aufruf an reiche Staaten, deren historische Treibhausgasemissionen zu einem Großteil für die globale Erwärmung verantwortlich sind, größere Unterstützung bei der Bekämpfung der Klimaschäden ("Loss and Damage") zu leisten, wird auch bei der diesjährigen Weltklimakonferenz (COP27) wieder im Zentrum stehen. Dass Staaten, die über mehr finanzielle Mittel verfügen, den weniger gut ausgestatteten und anfälligeren Ländern finanzielle Unterstützung gewähren sollen, wurde bereits im Kyoto-Protokoll und im Pariser Klimaabkommen festgehalten.