Nachhaltiger Getreideanbau mit mehrjährigem Weizen
Im Gegensatz zu einjährigen Pflanzen bietet mehrjähriger Weizen ein diverseres Mikrobiom und belastet Böden und Umwelt deutlich weniger. Dies konnten Forschende des Instituts für Umweltbiotechnologie der TU Graz nun nachweisen.
Der Anbau einjähriger Getreidepflanzen ist belastend für die Natur. Jedes Jahr müssen die Böden neu gepflügt und bepflanzt werden, die Pflanzen benötigen eine recht große Menge an Wasser sowie Pestiziden und weiteren Chemikalien. Das trägt dazu bei, dass die Bodenqualität abnimmt und die Diversität des Pflanzenmikrobioms, also der Gesamtheit aller auf und in der Pflanze lebenden Mikroorganismen, äußerst gering ist. Ein Team des Instituts für Umweltbiotechnologie der TU Graz hat im Projekt "NAPERDIV - Naturbasierte mehrjährige Getreideproduktion als Modell zur Bewahrung funktioneller Biodiversität für eine zukunftssichere Landwirtschaft" untersucht, ob der Anbau mehrjähriger Getreidepflanzen umweltverträglicher ist. Dabei haben die Forschenden festgestellt, dass diese ein diverseres und daher gesünderes Mikrobiom entwickeln, da die Böden nicht jährlich komplett umgepflügt werden müssen und wesentlich weniger Chemikalien zum Einsatz kommen.
Vergleiche in drei Ländern
Untersucht hat das Team eine Weizenpflanze, die unter dem Handelsnamen Kernza bekannt ist (Graugrüne Quecke bzw. Thinopyrum intermedium). Auf Feldern in Frankreich, Belgien und Schweden haben die Forschenden anhand von Probenentnahmen in den Jahren 2021 und 2022 das Mikrobiom von Kernza mit jenem von einjährigem Weizen auf einem Nebenfeld verglichen. "Die Analysen im Labor und am Computer haben gezeigt, dass die Diversität des Mikrobioms an den Wurzeln bei den mehrjährigen Pflanzen signifikant höher war als bei den einjährigen", sagt Kristina Michl vom Institut für Umweltbiotechnologie der TU Graz. "Einer der Hauptgründe dafür ist, dass die Wurzeln von Kernza unberührt blieben, während die einjährigen Pflanzen nach der Ernte neu gepflanzt werden."
Die Forschenden konnten außerdem zeigen, dass der mehrjährige Weizen nicht nur direkt das Wurzelmikrobiom beeinflusst, sondern auch indirekt über die dafür spezifischen Anbaumethoden. Da Kernza nicht so stark bearbeitet werden muss und weniger Chemikalien benötigt, ist die Erde gesünder, was zu einer erhöhten Diversität an Mikroorganismen führt, aus der sich der mehrjährige Weizen die benötigten herauspicken kann. Auch höhere Organismen profitieren von den mehrjährigen Pflanzen: Es siedeln sich mehr Regenwürmer und Käfer an.
Weniger Wasser und Dünger, aber geringerer Ertrag
Kernza hat zusätzlich den Vorteil, dass es weniger Wasser sowie Stickstoff- und Phosphordüngung benötigt als einjährige Getreidepflanzen, da die Wurzeln wesentlich tiefer in den Boden wachsen. Und weil der Boden weniger bearbeitet und verdichtet wird, kann er Wasser wesentlich besser aufnehmen, was zum Hochwasserschutz beiträgt.
Größte Einschränkung für den Einsatz des mehrjährigen Getreides ist derzeit noch der geringere Ertrag im Vergleich zum einjährigen Weizen, der aktuell bei nur rund 20 Prozent liegt. Allerdings ist die Züchtungsgeschichte von Kernza erst rund 20 Jahre alt und man geht davon aus, dass in den nächsten 30 bis 50 Jahren der Ertrag von einjährigen Pflanzen erreicht wird. Unklar ist dabei, ob sich die ertragsmaximierende Züchtung negativ auf das Mikrobiom auswirkt. Hierzu laufen Untersuchungen mit mehrjährigem Reis in China.
Zulassung für Esswaren in Europa läuft noch
"Zusätzlich ist ein Problem, dass der Ertrag ab dem zweiten, dritten Jahr stark abnimmt. Die Idee wäre, dass man diese mehrjährigen Getreide in eine Fruchtfolge integriert und sie nach drei bis fünf Jahren wieder entnimmt, um andere Sorten einzubringen. So kann sich der Boden für einige Jahre vom jährlichen Getreidewechsel erholen", sagt Kristina Michl.
In den USA ist Kernza für die Lebensmittelproduktion zugelassen, in Europa läuft das Verfahren noch. Dennoch gibt es bereits Produkte, etwa Bier oder Whisky, auf Basis des mehrjährigen Getreides. In den USA kommt es schon für die Zubereitung von Brot, Keksen, Crackern und anderen Backwaren zum Einsatz. Vom Geschmack und den Backqualitäten her erinnert es dabei mehr an Roggen als an Weizen.
Das Projekt "NAPERDIV" wurde vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF gefördert und war Teil der EU-weiten Projektinitiative Biodiversa (https://www.biodiversa.eu/).
Dieses Forschungsthema ist im Field of Expertise "Human & Biotechnology" verankert, einem von fünf strategischen Schwerpunktfeldern der TU Graz.
Kontakt Kristina MICHL BSc MSc, Dr.rer.nat. TU Graz | Institut für Umweltbiotechnologie Tel.: +43 316 873 4314 kristina.michl@tugraz.at Technische Universität Graz Medienservice E-Mail: medieninfo@tugraz.at Website: https://presse.tugraz.at
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Ein Feld mit Kernza. Bildquelle: Michl - TU Graz
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Ein Feld mit Kernza. Bildquelle: Michl - TU Graz