Klima-Glossar: Lieferkettengesetz
Im Zuge der Globalisierung haben sich Produktionsprozesse, Waren- und Kapitalflüsse weltweit enorm vernetzt. Europäische und amerikanische Unternehmen haben viele ihre Produktionsschritte in weit entfernte Regionen verlagert, weil sich dort billiger produzieren lässt. Reiche Länder profitieren von einer breiten Palette an günstigen Waren, oft auf Kosten der Menschenrechte und Umweltstandards in den Produktionsländern. Ein Lieferkettengesetz soll das in Zukunft verhindern.
Moderne Lieferketten erstrecken sich über die ganze Welt und sind oft hoch komplex. Smartphones werden etwa in den USA entwickelt, die Rohstoffe für den Touchscreen stammen aus China, das Lithium für den Akku aus Bolivien, das Gold in der SIM-Karte aus Südafrika, das Kupfer für die Kontakte kommt aus Chile, die seltenen Erden für Mikroprozessoren aus Indien. Verarbeitet werden die Rohstoffe zum Beispiel in Indonesien, in China wird daraus dann das Smartphone gebaut. Vertrieben wird zum Beispiel über ein Tochterunternehmen im steuerschonenden Irland, gekauft und genutzt wird das Mobiltelefon weltweit. Am Ende landet es als Elektroschrott auf den Müllhalden im Ghana oder Nigeria und verschmutzt dort Trinkwasser und Böden.
Schlechte Arbeitsbedingungen, lange Arbeitstage
So oder so ähnlich sehen die Produktionsprozesse vieler Produkte aus, die in Österreich alltäglich von vielen Menschen gekauft und genutzt werden. Kaffee kommt aus Südamerika, Gemüse aus Afrika und die neueste Mode aus Bangladesch. Die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern sind oft extrem schlecht, die Arbeitstage lang und die Löhne weit unter dem Existenzminimum. Auch Kinder müssen häufig unter diesen Bedingungen arbeiten, um das Familieneinkommen aufzubessern. Die Wahrung der Menschenrechte und Umweltstandards spielen dabei häufig kaum eine Rolle. Für Verbraucherinnen und Verbraucher sind Herkunft und Produktionsbedingungen schwer nachvollziehbar und nachhaltiger Konsum deshalb oft unmöglich.
Ein Lieferkettengesetz soll das ändern. Unternehmen sollen dazu verpflichtet werden, die Einhaltung bestimmter Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen, im Umweltschutz und in der Korruptionsbekämpfung entlang ihrer gesamten Lieferkette zu überprüfen. Das EU-Parlament hat bereits im März 2021 ein entsprechendes EU-Gesetz gefordert: Firmen sollen demnach "ihrer Sorgfaltspflicht nachkommen und Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt in ihrer Lieferkette ermitteln, angehen und beheben". Verstöße sollen sanktioniert werden und Produkte, die mit Zwangs- oder Kinderarbeit in Verbindung gebracht werden, sollen verboten werden.
Die EU-Kommission legte im Februar 2022 einen Vorschlag für ein EU-Lieferkettengesetz vor. Darin heißt es, dass in der EU tätige Firmen dazu gebracht werden sollen, zu prüfen, dass ihre weltweiten Lieferanten unter anderem keine Sklaven- oder Kinderarbeit dulden und Umweltstandards einhalten. Zudem sollen Manager sicherstellen, dass Geschäftsmodell und Strategie ihres Unternehmens auf die Begrenzung der globalen Erderwärmung von maximal 1,5 Grad ausgerichtet sind.
Regelungen für 13.000 Firmen
Geplant sind Regelungen, die dann für etwa 13.000 Firmen in der EU gelten würden. Erfasst sind Firmen mit mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und einem Nettojahresumsatz von mehr als 150 Millionen Euro. In Bereichen mit einem hohen Risiko für Verstöße gegen Arbeits-und Umweltstandards, etwa Textilindustrie, Bergbau oder Landwirtschaft, sollen die Vorschriften schon für kleinere Firmen gelten. Zudem könnte das Vorhaben rund 4.000 Unternehmen einbeziehen, die in der EU tätig sind, aber ihren Sitz nicht dort haben.
Arbeiterkammer, Gewerkschaften und und NGOs in Österreich sahen in dem Kommissionsvorschlag gute Ansätze, kritisierten aber fehlende Einbindung, Schlupflöcher und einen zu kleinen Geltungsbereich. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) und die Industriellenvereinigung (IV) hielten den Entwurf in der Praxis für nicht umsetzbar.
Die genaue Ausgestaltung des Gesetzes wird nun noch weiter vom EU-Parlament und den EU-Ländern verhandelt. Wie lange es noch dauert, bis ein EU-Lieferkettengesetz in Kraft tritt, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Einige EU-Länder haben bereits jetzt entsprechende Gesetze, so zum Beispiel Deutschland. Auch in Österreich gab es Rufe nach einem Lieferkettengesetz, aber noch keine konkreten Gesetzespläne. Die Mitgliedsstaaten sind zur Umsetzung von EU-Recht verpflichtet. Bei einem europäischen Gesetz, das über die nationalen Regeln hinausgeht, müssen die Gesetze angepasst werden.