Impakt-Forscher Christian Köberl wird 65
Die Geschichten, die Christian Köberl zu erzählen weiß, handeln von gewaltigen, manchmal sogar epochalen Ereignissen. Entsprechend oft finden wissenschaftliche Arbeiten des Kosmochemikers über Meteoriteneinschläge (Impakte) ihren Niederschlag in den Medien. Jüngst berechnete er etwa, dass ein Einschlag eines Asteroiden zum "Schneeball Erde" geführt haben könnte. Am Sonntag (18.2.) feiert der ehemalige Generaldirektor des Naturhistorischen Museums Wien seinen 65. Geburtstag.
Impaktkrater hat der Leiter des Departments für Lithosphärenforschung der Universität Wien in großen internationalen Projekten weltweit untersucht. Als leitender Wissenschafter ("Principal Investigator") war Köberl an diesen aufwändigen, kilometertiefen Bohrungen in abgelegenen Gebieten beteiligt und konnte so die oft verborgenen Überreste von Meteoriten- bzw. Asteroideneinschlägen auf der Erde erforschen.
So arbeitete er an den Bohrungen in den 180 Kilometer großen Chicxulub-Krater im Golf von Mexiko mit, geformt von jenem Asteroiden, der vor 66 Millionen Jahren für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich war. Köberl hat auch in Ghana auf einer Bohrplattform mitten im See des Bosumtwi-Krater aus mehr als 2.000 Meter Bohrkerne aus der Tiefe geholt oder Bohrkerne aus dem nordostsibirischen See "El-gygytgyn" ausgewertet, der vor rund 3,6 Millionen Jahren durch einen Meteoriteneinschlag entstanden ist.
In den 1990er-Jahren entdeckte er im US-Bundesstaat Virginia den riesigen, unterirdischen Einschlagskrater eines Meteoriten, der vor 35 Millionen Jahren auf die Erde krachte. Und erst im vergangenen Jahr wies Köberl Impaktkügelchen in einer uralten Gesteinsformation in Westaustralien nach - Spuren des mit 3,48 Mrd. Jahren ältesten bisher bekannten Meteoriteneinschlags.
Nicht nur die Erde im Blick
Köberls Forschungen waren aber nicht nur auf die Erde beschränkt. Er hat auch Impakte und geologische Prozesse anderer Planeten erforscht und sich mit Themen wie beispielsweise Massensterben und Evolution auseinandergesetzt. Mehrmals war er etwa Gastwissenschafter am Lunar and Planetary Institute sowie am NASA Johnson Space Center in Houston (US-Bundesstaat Texas).
Geboren am 18. Februar 1959 in Wien legte sich Köberl mit dem Besuch der Höheren Lehranstalt für Chemische Industrie in Wien schon früh auf sein Fachgebiet fest. Er studierte Technische Chemie an der Technischen Universität Wien sowie Astronomie und Chemie an den Universitäten Wien und Graz. 1983 dissertierte er in Kosmochemie an der Uni Graz und arbeitete anschließend an der Uni Wien.
1990 habilitierte sich Köberl in Geo- und Kosmochemie an der Uni Wien und war anschließend - unterbrochen von Gastprofessuren in den USA und Südafrika - als Assistenz- und als außerordentlicher Professor tätig, ehe er 2009 eine Professur für Impaktforschung und planetare Geologie an der Uni Wien erhielt. 2006 wurde er wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), wo er die Kommission für Geowissenschaften leitet.
Neue Blüte für Meteoritensammlung
2010 übernahm Köberl von Bernd Lötsch die Leitung des Naturhistorischen Museums Wien (NHM), dem er bis 2020 als Generaldirektor vorstand. Auch in dieser Funktion hat er seine Leidenschaft für den Kosmos nicht verborgen: Die Meteoritensammlung des Museums, eine der bedeutendsten der Welt, erlebte unter seiner Ägide eine neue Blüte, etwa durch die Neugestaltung des Meteoritensaals oder die Ankäufe eines 2011 gefallenen Mars-Meteoriten und eines 1976 in Tirol gefundenen Meteoriten.
Zudem schenkte sich das Museum zum 125. Jahrestag seiner Eröffnung ein digitales Planetarium, das von Köberls Nachfolgerin Katrin Vohland im Vorjahr aus budgetären Gründen wieder abgebaut wurde. Aber auch die neugestalteten anthropologischen und prähistorischen Schausäle sowie jener für die Dinosaurier wurden unter seiner Leitung eröffnet und mit dem "Venuskabinett" bekam die weltbekannte "Venus von Willendorf" eine neue Heimat.
2022 war Köberl einer von drei Kandidaten für die Nachfolge von Anton Zeilinger als ÖAW-Präsident. Er kam dabei aber ebenso wenig zum Zug wie im selben Jahr im Bewerbungsverfahren um den Rektorsposten für die Universität Graz, bei dem er einer von sechs zum Hearing geladenen Kandidaten war.
Köberl hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten: 1996 bekam er den Start-Preis des Wissenschaftsfonds FWF, ein Jahr später den Novartis-Preis für Chemie. 2006 wurde der Kleinplanet 15963 nach ihm benannt, 2017 erhielt er den Kardinal-Innitzer-Würdigungspreis, 2022 das Österreichische Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse. Der Forscher hat Hunderte wissenschaftliche Artikel und 15 zum Teil populärwissenschaftliche Bücher publiziert, zuletzt "Achtung Steinschlag! Asteroiden und Meteoriten: Tödliche Gefahr und Wiege des Lebens" (2018).