Dürre verschiebt Kohlenstoff-Anteile im Neusiedler See-Schilfgürtel
In den Jahren 2019 bis 2022 gingen die Pegel des Neusiedler Sees bekanntlich teils dramatisch zurück. Dadurch wird der charakteristische Schilfgürtel dichter, was zumindest einen mehr oder weniger positiven Effekt hat: Er sondert weniger von dem Treibhausgas Methan ab, wie Messungen ergaben. Anders die Situation in Mooren, wo die Dürre die Klimabilanz deutlich verschlechtert. Derartigen Langzeiteffekten widmet sich eine neue Forschungseinrichtung der Uni Wien.
Die Einrichtung namens "Core Facility Long Term Wetland Ecosystem Research" (LTWER) untersucht, wie die Ökosysteme in Mooren und anderen Feuchtgebieten funktionieren. Im Zentrum der Messungen und Auswertungen stehen die Kohlenstoff- und Wasserkreisläufe im Schilfgürtel von Österreichs größtem See und dem Pürgschachen Moor - einem alpinen Feuchtgebiet im Nordwesten der Steiermark. Angesiedelt ist die Einrichtung an der Universität Wien, mit Meßstandorten in den Feuchtgebieten, im burgenländischen Illmitz wird sie am 19. September offiziell eröffnet.
Um die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen wissenschaftlich detailliert nachvollziehen zu können, brauche es aufwendige Langzeitmessungen und die nötige Infrastruktur. Gemessen wird am Neusiedler See und im steirischen Hochmoor mittels sogenannter Eddy-Kovarianz-Meßtürme vor allem die Konzentration der klimarelevanten Spurengase Kohlendioxid (CO2) und Methan (CH4). Zusätzlich kann über das Verhältnis der Kohlenstoff-Typen 12C und 13C auch darauf geschlossen werden, aus welchem Teil des Ökosystems die Gase stammen. Außerdem kann gemessen werden, wie sich Kohlenstoff- und Stickstoffkonzentrationen im Wasser verteilen. Letztlich sehe man nicht nur, was ins System hineinkommt und was hinaus geht, sondern kann auch auf zu Grunde liegende Prozesse schließen, erklärte der Geoökologe und LTWER-Leiter Stephan Glatzel von der Universität Wien im Gespräch mit der APA.
Feuchtgebiete als Kohlenstoffspeicher
Gerade Feuchtgebiete können als "wichtigste Kohlenstoffsenken der Welt" viel Kohlenstoff längerfristig speichern. Wird ihnen aber zu viel Wasser entnommen bzw. leiden sie unter Trockenheit, kann sich ihre Funktion als Gegenspieler zum Temperaturanstieg auch umkehren. Ob sich so etwas im Burgenland und in der Steiermark zeigt, messen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter schon seit ungefähr drei Jahren. Unter dem Dach der "Core Facility" wird der längerfristige Betrieb der in der Anschaffung mehrere Hunderttausend Euro teuren Geräte gesichert.
Auch wenn die Daten bis jetzt erst wenige Jahre umspannen, zeichnen sich bereits Veränderungen ab: Im Pürgschachen Moor "sehen wir, dass es in einem feuchten Jahr CO2 speichert, und dass das System insgesamt Klimagase einspart", sagte Glatzel. In trockenen Jahren wird deutlich weniger CO2 eingelagert, durch die Methan-Freisetzung wird das Moor aber letztlich zur Quelle für klimarelevante Gase - was den Klimawandel fördert. "Das zeigt, dass dieses Moor an der Kippe von der Senke zur Quelle ist." Darum sollte das Ökosystem feucht gehalten werden und nicht Wasser für die Landwirtschaft entnommen werden.
Im Schilfgürtel des Neusiedler Sees verdichtet sich die Biomasse durch das fehlende Wasser stark. Das Schilf nimmt durch die aktuelle Austrocknung zwar Kohlenstoff auf, das geht aber zulasten des im Boden gespeicherten Anteils, erklärte Glatzel. Wenn nun das Gros in die Biomasse eingebaut wird, laufe man etwa Gefahr, dass durch Schilfbrände umso mehr davon in sehr kurzer Zeit in die Atmosphäre gelangt.
Allerdings nehme im Schilfgürtel "die Methanemission aufgrund der trockeneren Verhältnisse ab", so Pamela Baur von der Arbeitsgruppe Geoökologie, was wiederum ein positiver Effekt für das Klima wäre. Auf den Neusiedler See sieht Glatzel nun insgesamt eine Phase zukommen, die von Extremen geprägt sein wird, und in der das besondere Ökosystem dementsprechend schwieriger zu managen sein wird.
Service: Weitere Informationen: https://wetlands.univie.ac.at