Wie Wasserdruck den Stoffwechsel von Tiefsee-Mikroorganismen hemmt
Ein Teil der Mikroorganismen, die sich in Tiefen von mindestens 200 Metern aufhalten, leidet unter dem dortigen extremen Wasserdruck. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschern, die im Fachblatt "Nature Geoscience" erschienen ist. Stark in ihren Aktivitäten zur Umwandlung der organischen Reststoffe eingeschränkt sind allerdings lediglich rund zehn Prozent der Tiefseebewohner. Trotzdem ändert das die Annahmen über den Nahrungsbedarf in dem riesigen Lebensraum.
Die Mikroorganismen der Tiefsee fristen im Gegensatz zu ihren Kollegen in oberen Wasserschichten in der Regel ein deutlich kargeres Dasein. Sie sind auf jene nur rund zehn bis zwanzig Prozent an potenzieller Nahrung in den Meeren angewiesen, die die Lebewesen in den lichtdurchfluteten Teilen der Wassersäule übrig lassen. Untersuchungen zum Nahrungsmittelumsatz in großen Tiefen gibt es bereits, allerdings wurden die Bakteriengemeinschaften dafür in der Regel an die Oberfläche geholt, und ihr Stoffwechsel dort vermessen.
Das aus Wissenschaftern aus Österreich, Spanien und Japan bestehende Team ging für seine Untersuchung der Mikrobengemeinschaften der drei großen Ozeanbecken der Erde einen anderen Weg: Sie simulierten die extremen Druckverhältnisse nicht etwa im Labor, sondern ließen einen Inkubator mit den charakteristischen Mikroben an einem Stahlseil in die Meerestiefe hinab. Bis 4.000 Meter konnten so die Abläufe unter den tatsächlichen dortigen Druck- und Temperaturverhältnissen verfolgt werden, wie der Initiator der Arbeit, Gerhard J. Herndl vom Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie der Universität Wien der APA erklärte.
Andere Ergebnisse in eigentlicher Lebensumgebung
Die so gewonnenen Daten verglichen die Forscher dann mit jenen Werten, die sie an Bord der Forschungsschiffe unter Oberflächendruck-Bedingungen aufzeichneten. Dabei zeigte sich, dass die Bakterienverbände in ihrer eigentlichen Lebensumgebung - die Tiefsee ist der insgesamt größte, wenn auch teils am wenigsten erforschte Lebensraum der Erde - weniger organischen Kohlenstoff umsetzen als zuvor angenommen wurde. Je tiefer man die Mikrobengemeinschaften abtauchen ließ, desto stärker reduzierte sich deren Gesamtumsatz: "In 4.000 Meter Tiefe ist die gemessene Aktivität nur etwa ein Drittel von jener, die wir an Bord der Forschungsschiffe gemessen haben", so Herndl.
Dieser Effekt zeigte sich aber bei weitem nicht bei allen Tiefseemikroben. Während manche Vertreter unter Oberflächenbedingungen einen bis zu hundertfach höheren Umsatz an den Tag legten, blieben andere Arten ihrem Stoffwechselniveau auch in großen Tiefen treu. Genauere Analysen offenbarten, dass in etwa 85 Prozent der Bakterien auf Änderungen des Wasserdrucks nicht reagierten. Rund fünf Prozent benötigten wiederum den höheren Wasserdruck für ihr Wachstum.
Sensible Reaktion auf höhere Drücke
Die restlichen zehn Prozent reagierten mitunter sehr sensibel auf höhere Drücke: "Dieser kleine Teil der Bakteriengemeinschaft stammt offensichtlich ursprünglich aus den Oberflächengewässern und wurde mit sinkenden Partikeln in die Tiefsee verfrachtet und zeigt dort nur wenig Aktivität. Werden die Bakterien jedoch wieder an die Oberfläche gebracht, reagieren sie sofort mit sehr hohen Wachstumsraten", so Herndl.
Das führt dazu, dass die Aktivität dieses geringen Anteils an der Gesamtzusammensetzung deutlich überschätzt wurde. So deutlich, dass die tatsächlich gemessenen Gesamtstoffwechselumsätze in großen Tiefen bis zu ein Drittel niedriger liegen als frühere Schätzungen ergaben. Die neue Untersuchung zeige also, dass die bisherigen Annahmen über Nährstoffanlieferung und -verbrauch in großen Wassertiefen überdacht werden müssen, so die Wissenschafter.
Service: https://www.nature.com/articles/s41561-022-01081-3