#CoronaAlltag: Geschäftsführung und Forschung zwischen DKT und Videocalls
Das Arbeitsleben, wie wir es vor Corona kannten: Meetings, Geschäftsreisen und Besprechungen. Auch mein Alltag als Geschäftsführer des VRVis Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung drehte sich um den persönlichen Kontakt und direkten Austausch, ob mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, meinen Studierenden an der FH, oder auch Unternehmenspartnern und Fördergebern. Das Kollaborative steckt in der Forschung in jedem Winkel: von gemeinsamen wissenschaftlichen Publikationen, dem Brückenbau von Wissenschaft und Industrie, um neueste Technologien und Lösungen in die heimischen Firmen zu bringen, interdisziplinären Projektanträgen für neue Forschungsvorhaben oder in der öffentlichen Wissenschaftskommunikation. Als Forschungszentrum im IT-Bereich (mit den Kernthemen Virtual Reality, Visual Computing und Data Science) sind wir von der Infrastruktur und den flexiblen Arbeitsweisen gut aufgestellt für größere Zeiträume des dezentralen Arbeitens. Doch kann das länger gut gehen?
Der Internetgott gibt, der Internetgott nimmt
Nun sitze ich die fünfte Woche zu Hause in meinem Büro und der Erfolg eines Arbeitstages fußt derzeit vor allem auf einer starken Internetverbindung. Reisen, Vorträge und Konferenzen sind abgesagt, aber auch regional führt die soziale Distanzierung zu vielen Meetings via Skype, Zoom oder Jitsi. Internationale Konferenzen wie die IEEE VR, die kürzlich in den USA stattfinden hätte sollen und üblicherweise über tausend Teilnehmende zählt, wurde online abgehalten. Unser Senior Researcher Kresimir Matkovic hielt dort ein Online-Tutorial ab, unsere Forscherin Katharina Krösl wurde für ihre erfolgreiche Live-Demo "XREye" sogar mit dem Best Research Demo Award der IEEE VR 2020 ausgezeichnet. Die Verlagerung in den Online-Raum hat viele Vorteile: durch die wegfallenden Reisezeiten und -kosten können unsere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun an deutlich mehr digitalen Konferenzen teilnehmen. Das bedeutet mehr Austausch, mehr Information und neue Ideen. Alles ist zwar anders, aber es funktioniert - und das sogar gut.
Nicht alle Veranstaltungen schaffen es ins Digitale
Jedoch lassen sich nicht alle Events gleich einfach ins Internet verlegen. Als einem der ältesten COMET-Zentren Wiens steht für uns dieses Jahr eine große Evaluierung an: wir müssen unseren Fahrplan für die nächste Förderperiode vorlegen. Hier werden wir über mehrere Stufen auf (strategisches) Herz, (wissenschaftliches) Hirn und (unternehmerische) Nieren geprüft. Im Juni wäre eine eintägige Site-Visit angesetzt gewesen, mit internationalen Expertinnen und Experten, Vertreterinnen und Vertretern der Fördergeber, Unternehmenspartner sowie der Ministerien. Es hätte Präsentationen, Lab-Visits, Demos unserer Nachwuchsforschenden gegeben, ebenso wie gemeinsame Diskussionen über den Best Way Forward. Insgesamt wären einige Personen aus dem In- und Ausland angereist, zusätzlich zu unserer Belegschaft. Das ist natürlich nicht mehr möglich. Aber wie eine Betriebsbesichtigung aus der Ferne machen? Wir haben einen guten Plan B entwickelt: Demos, Posterpräsentationen sowie Lab-Visits bereiten wir als Videos vor, Präsentationen werden vorab übermittelt und zusätzlich ergänzen wir mit Screencasts. Ansonsten gilt auch hier, dass Videocalls von guter Moderation und Disziplin abhängen.
Geschäftsführung in Zeiten von Corona
Abseits von der Arbeit widme ich mich meiner Familie und betreue meine drei Kinder, die derzeit nicht zur Schule gehen. Dazu gehört das Anleiten bei Schulaufgaben, das Verteilen von Hausarbeiten oder auch einmal eine gemeinsame Runde DKT - man könnte hier durchaus Parallelen zu meiner Geschäftsführertätigkeit ziehen. Stichwort DKT: Dieser Tage beschäftigt mich natürlich auch die unternehmerische Seite der Corona-Krise. Unsere umsichtige Aufnahmepolitik, die in der Forschung grundsätzlich konservativ, da oftmals projektbasiert ist, macht sich nun bezahlt. Wir schaffen es ohne Kündigungen und Kurzarbeit. Darüber bin ich froh, denn als Leiter dieses Forschungsunternehmens bin ich natürlich auch für die Menschen, die hier arbeiten und täglich die Technologie-Entwicklung im Bereich Bildverarbeitung, Künstlicher Intelligenz und visueller Analyse vorantreiben, verantwortlich. Als nächstes gilt es den Blick vom Aktuellen auf das Zukünftige zu richten. Viele der Branchen, für welche wir Lösungen entwickeln, wie beispielsweise die Automobilbranche, sind von der Corona-Krise schwer getroffen. Das betrifft natürlich Finanzierung von gemeinsamen Projekten. Hier müssen wir zusammen Wege überlegen, um diese schwierige Zeit zu überbrücken. Denn Forschung darf nicht stillstehen. Wie wichtig wissenschaftliche Erkenntnisse und rasche Ergebnisse sind, zeigt sich gerade jetzt sehr deutlich in der Biomedizin. Ich bin jedoch zuversichtlich, dass wir diese herausfordernde Zeit gut überstehen werden. Schließlich ist das Kerngeschäft der Forschung Kollaboration, Innovation und Problemlösung!
Zur Person: DI Dr. Gerd Hesina ist Geschäftsführer des VRVis Zentrum für Visualisierung und Virtual Reality. Er ist ebenfalls Lektor an der Fachhochschule Technikum Wien. Gerd Hesina studierte Informatik an der TU Wien. Er hat mehr als 25 Jahre Erfahrung in der Forschung und Entwicklung von Softwarealgorithmen und interaktiven Echtzeitanwendungen. Darüber hinaus ist er Autor und Co-Autor von zahlreichen international begutachteten wissenschaftlichen Publikationen. Er erhielt den Titel Dipl.-Ing. im Jahr 1997 und Dr. techn. im Jahr 2001.
Service: Dieser Gastkommentar ist Teil der Rubrik "Corona - Geschichten aus dem Krisen-Alltag" auf APA-Science: http://science.apa.at/CoronaAlltag. Die inhaltliche Verantwortung liegt beim Autor/der Autorin.