Neue Ansätze einer klimaschonenden regenerativen Kreislaufwirtschaft sollen den Umgang mit den endlichen Ressourcen der Erde verändern. Ein Großteil davon wandert derzeit aber in die „gebaute Umwelt“ – also Gebäude und Infrastruktur wie Straßen oder Brücken. Wie groß die Herausforderungen sind, zeigen die Zahlen: Das Bauwesen hat einen riesigen CO2-Fußabdruck, ist für einen Großteil des Ressourcenverbrauchs und drei Viertel des in Österreich anfallenden Abfalls verantwortlich.
Auf dem Weg in die Kreislaufwirtschaft gilt es daher, bereits bei der Planung von Bauvorhaben Ressourcen intelligent einzusetzen, die Lebenszeit der Materialien und Gebäude zu verlängern und die Wiederverwertung und damit Rückführung von Stoffen in den Kreislauf neu zu gestalten. Wie zirkuläre Bauweisen etabliert werden können, welche Forschungsansätze es gibt und wo konkreter Handlungsbedarf besteht, haben zahlreiche Expertinnen und Experten gegenüber APA-Science beleuchtet.
„Kreislaufwirtschaft ist eine neue Form des Wirtschaftens, die wir erlernen müssen, um in Zeiten des Klimawandels bestehen zu können“, erklärt Thomas Romm, Architekt, Gründer von BauKarussell, einer Genossenschaft zur Weiterentwicklung der zirkulären Bauwirtschaft, und Mitautor der Studie „KreislaufBAUwirtschaft„. Der Bausektor sei mit seinem „exorbitanten Ressourcenverbrauch“ dafür von größter Bedeutung (siehe „Das muss alles neu gedacht werden„).
Bei der Entwicklung von emissionsarmen Baustoffen sei man bereits weit, sogar bei den vermeintlichen Haupt-Übeltätern, so Romm. Beton bleibe der Hauptbaustoff, ortet er eine gewisse Alternativlosigkeit. Alternativlos sei aber nur der Baustoff, nicht die Emissionen, die mit ihm verbunden sind. Es werde massiv an Dekarbonisierungsmöglichkeiten gearbeitet, verweist der Architekt beispielsweise auf die Reduktion von Klinker im Zement, Füllstoffe im Beton oder die Beigabe von technischem Kohlenstoff.
Die Stadt als Vor-Ort-Rohstoff-Lager
Ein Schlüsselfaktor der Kreislaufwirtschaft ist die Nutzung der bebauten Stadt als Vor-Ort-Rohstoff-Lagerstätte, das „Urban Mining“. „Materialien, wenn sie sortenrein getrennt sind, sind ein großer Wertschöpfungsfaktor“, streicht Romm hervor. Dieser Ansatz wird nicht nur vom BauKarussell, sondern auch von Initiativen wie den Materialnomaden oder KRAISBAU vorangetrieben, befindet sich aber in einer frühen Phase der Umsetzung.
Eigentlich sei die Wiederverwendung von Bauteilen und Baumaterialien nicht die erste Wahl im Hinblick auf zirkuläres Bauen, erläutert Anna-Vera Deinhammer, Projektkoordinatorin von KRAISBAU, gegenüber APA-Science. Im Vordergrund stünden Umnutzung, Sanierung und Revitalisierung, bevor man sich dem Ausbau und der weiteren Verwendung widmet. Ist das nicht mehr möglich, gilt Re-Use aber als wichtiger Schritt hin zur Kreislaufwirtschaft.
Viele wertvolle Materialien landen im Downcycling
Noch gehen viele wertvolle Materialien verloren beziehungsweise landen im Downcycling, wo Abbruchmaterialien aus dem Hochbau in den Straßenbau gelangen (siehe „Re-Use kommt nur langsam in Schwung“). Bei den Bauprodukten geht es laut Deinhammer vor allem um Gewährleistungs- und Haftungsfragen sowie fehlende Anreize und Normen, die Unternehmen dazu motivieren, wiederverwendbare Materialien stärker in den Bauprozess zu integrieren.
Allerdings werde der Re-Use von Bauteilen, „so wie sie sind“ inzwischen von den Unternehmen selbst angetrieben, weil sich da schon Geschäftsmodelle entwickelt hätten, konstatiert Bernadette Luger, Leiterin der Stabsstelle Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit im Bauwesen bei der Stadt Wien. Vorzeigeprojekt sind Branchenkennern zufolge der Neubau der Volksschule Anif in Salzburg oder das sogenannte Vorklinik-Hochhaus am Campus der Uni Graz, bei dem mehr als 17 Tonnen Bauteile und Möbel weiter genutzt wurden.
Das Bauwesen hat einen riesigen CO2-Fußabdruck und ist für einen Großteil des Ressourcenverbrauchs in Österreich verantwortlich. Auf dem Weg in eine klimaschonende regenerative Kreislaufwirtschaft müssen noch viele Hindernisse überwunden werden. Welche innovativen Ansätze und Projekte es hier gibt, zeigen Expertinnen und Experten auf.
Österreichs Kreislaufwirtschafts-Strategie mit Links zur Strategie 2022 & zum Ersten Fortschrittsbericht Juni 2024
KreislaufBAUwirtschaft Projektendbericht 2021 vom Umweltbundesamt & BMK (PDF)
Leitfaden Kreislaufwirtschaft im Hochbau, hrsg. von der Donau-Universität Krems
Online-Portal materialflows.net, präsentiert aktuelle Ressourcendaten auf globaler Ebene
Circularity im Climate Lab, seit Februar 2023 österreichisches Zentrum für Kreislaufwirtschaft
ZUM HINEINHÖREN:
APA-Science-Podcast “Nerds mit Auftrag” mit Karin Huber-Heim, Inhaberin der FH-Stiftungsprofessur für Circular Economy der Stadt Wien (mit Unterstützung des BMK produziert, September 2024)