"Meet the Makers! - Frischer Wind und neue Kräfte für regionale Innovationssysteme"
In den vergangenen Jahren haben sich zahlreiche relevante Innovationen vielfach abseits ausgetretener Pfade und weitgehend unabhängig von Universitäten, Forschungszentren und Leitbetrieben entwickelt. In starker Wechselwirkung mit dem digitalen Wandel hat sich die Maker-Szene etabliert, die sich u.a. durch Co-Ideation, Co-Working und Co-Creation, Design Thinking, Do-It-Yourself, Rapid Prototyping, Minimum Viable Products und eine intensive Einbeziehung von Nutzer*innen auszeichnet.
Erfolg durch Offenheit, Kreativität und Vertrauen
Maker-Spaces, FabLabs und Innovation Hubs haben sich als offene Arbeitsumgebungen etabliert, die auf eine enge Zusammenarbeit von talentierten Individuen ausgelegt sind. Meist sind sie den Ateliers und Werkstätten von Künstler*innen und kreativen Handwerker*innen viel ähnlicher als den geschützten Laboren wissenschaftlicher Instituten. Zweifellos haben sich diese Orte rasch zu relevanten Brutstätten für unkonventionelle Ideen zur Lösung aktueller Probleme entwickelt. Hier werden nicht nur neue Formen der Zusammenarbeit gelebt, die stärker auf gegenseitige Unterstützung und Vertrauen als auf Verträge und Honorar aufbauen, sondern auch neue Geschäfts- und Finanzierungsmodelle erprobt. Es wird auf neue Organisationsformen gesetzt, die hierarchische Strukturen möglichst überwinden und problem- und lösungsorientiert die jeweilige individuelle Expertise in den Vordergrund rücken. Erprobte wissenschaftliche Methoden werden mit künstlerisch-kreativen Arbeitsweisen kombiniert. Die Möglichkeiten sozialer Netzwerke und Plattformen werden zielgerichtet genützt und dienen weniger der Ablenkung und Selbstdarstellung als vielmehr dem Austausch mit anderen an verwandten Fragestellungen Interessierten. Soziales Engagement und gesellschaftliche Relevanz, unternehmerisches Denken, Wissenschaft und Innovation, Selbstverwirklichung und Marktorientierung werden auf scheinbar spielerische Weise verbunden. Die Maker-Szene ist von Durchlässigkeit und Diversität geprägt und rückt Bedürfnisse von Nutzer*innen in den Mittelpunkt. Kreativität und spielerische Methoden führen häufig zu eher zufälligen Entdeckungen. Das von- und miteinander Lernen gehört genauso zum Selbstverständnis gelebter Solidarität, wie eine Kultur des Scheiterns, die Fehler als Notwendigkeit für Weiterentwicklung anerkennt. Subjektive Meinungen und Ideen werden ausgetauscht, noch bevor diese mit objektiven Methoden streng wissenschaftlich abgesichert, publiziert oder patentiert sind. Hohe Flexibilität und rasches proaktives Handeln geschehen in einem Umfeld, das mit wenig Bürokratie dynamische Innovationsprozesse ermöglicht. Charakteristisch ist für die Maker-Szene, dass sie vor allem von ambitionierten Einzelpersonen und unabhängigen Initiativen getragen wird, die frei von institutionellen Interessen und außerhalb gut etablierter Netzwerke agieren.
Elfenbeintürme als Wahrzeichen der freien Wissenschaft
Selbstverständlich sind die jahrzehntelang erprobten und in vieler Hinsicht bewährten Strukturen des Wissenschaftsbetriebs dadurch alles andere als obsolet. Zahlreiche erfolgreiche Innovationssysteme sind nach wie vor weitgehend linear organisiert und reichen von Wissenschaft und Grundlagenforschung an Universitäten über anwendungsorientierte Forschung und Entwicklung bis zu einem straff organisierten Entwicklungs-, Innovations- und Produktmanagement und den davon meist losgelösten Verkaufs-, Vertriebs- und Marketingstrukturen in den Unternehmen. Auch Spielregeln und Geschäftsmodelle sind eindeutig geregelt: Basisfinanzierung für Wissenschaft, Förderagenturen für Grundlagenforschung und anwendungsorientierte F&E, Auftragsforschung mit Geheimhaltungspflichten, Publikationen für die (jeweils eigene) Scientific Community in teuren Journals, Zitierindizes, Journal Impact Faktoren, wissenschaftliche Kongresse, Patente, Lizenzierungen etc. Die Rollen und Aufgaben sind in diesen Strukturen klar verteilt und werden von erfahrenen Spezialist*innen übernommen. Diverse Abläufe sind effizient organisiert, und der wissenschaftlich fundierte, qualitätsgesicherte Output ist zweifelsfrei enorm. Auch wenn die sprichwörtlichen Elfenbeintürme der akademischen Forschung in den letzten Jahrzehnten zunehmend in Verruf geraten sind und deren Öffnung unbedingt erforderlich ist, sollten sie dennoch auch jene positiv besetzten, wertvollen Wahrzeichen bleiben, in denen sich die freie Wissenschaft geschützt vor kurzlebigen Trends und möglichst unabhängig von ökonomischen und politischen Interessen weiterentwickeln kann.
Gamechanger oder Gatekeeper?
Zunehmend in Schwierigkeiten geraten die etablierten Innovationsstrukturen vor allem dort, wo aufgrund des rasanten disruptiven (digitalen) Wandels eine deutliche Beschleunigung der Innovationsprozesse gefordert ist und wo immer komplexer werdende wirtschaftliche, soziale und ökologische Herausforderungen eine möglichst zeitgleiche Betrachtung aus unterschiedlichsten Perspektiven erfordern. Seit mehreren Jahren bekennen sich österreichische Forschungsinstitutionen daher zu Open Science und Mission-Oriented Research, greifen nach und nach Open Innovation Methoden auf, unterstützen Startups und Spinn-offs etc. Die "Third Mission" hat längst Einzug in die Strategien österreichischer Hochschulen gehalten. Allerdings hinkt die Umsetzung im internationalen Vergleich zum Teil noch deutlich hinterher, und selbst jene Institutionen, die sich als "Gamechanger" positionieren möchten, zählen in vieler Hinsicht noch eher zu den "Gatekeepern". Aktuellen Studien zufolge sind Entwicklungszyklen in manchen Ländern etwa doppelt so schnell wie in Mitteleuropa. Begründet wird das u.a. damit, dass technologische Entwicklung aufgrund der über Jahrzehnte überaus erfolgreich praktizierten Ingenieurswissenschaften nach wie vor zunächst bis ins kleinste Detail geplant und entlang einer genau definierten Strategie umgesetzt werden.
Meet the Makers!
Dennoch wäre es wenig zielführend, bestehende Innovationssysteme stark zu verändern, um Methoden und Mechanismen der Maker-Szene zu kopieren oder diese gar in bestehende Strukturen zu integrieren. Vielmehr müssen unterschiedliche Innovationskulturen als Chance begriffen und die jeweiligen Stärken ausgebaut werden, um darauf aufbauend auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten. Bereits jetzt existieren mehrere beispielgebende Aktivitäten: Besonders gut etabliert hat sich die Initiative IMM- Industry Meets Makers, die sich bereits seit mehreren Jahren für den Wissenstransfer zwischen der lebendigen Maker-Szene und industriellen Leitbetrieben einsetzt. Ein spannendes Aufeinandertreffen von Makern, Industrie und Hochschule fand auch beim "Smart Public Life Hackathon" von T-Mobile und der Fachhochschule St. Pölten statt. Der Austria IT Security Hub wurde als Plattform für einen intensivierten Austausch zwischen Makern, Unternehmen, Forschungs- und Ausbildungsstätten gegründet. Im kommenden Juni wird erstmals das Future Tech Bootcamp als Kooperation von Industry Meets Makers, Industriellenvereinigung Niederösterreich und FH St. Pölten veranstaltet und verschiedene andere Aktivitäten werden von zahlreichen Akteuren vorbereitet. Um diese Ideen weiter vorantreiben, Erfahrungen austauschen, Maßnahmen besser koordinieren und gemeinsam strukturieren zu können, wird in den nächsten Wochen der Digital Makers Hub gegründet. Diese Initiative wird von Industry Meets Makers, der Zukunftsakademie Mostviertel, der Tabakfabrik Linz und der Fachhochschule St. Pölten als offenen Plattform für ein intensive Interaktionen zwischen Maker- und Startup-Szene mit Unternehmen, Hochschulen und Forschungsinstitutionen gestartet. Die Maker-Szene soll dabei Unabhängigkeit, Flexibilität und Dynamik bewahren, aber auf stabile Strukturen und eine umfassende Wissensbasis von Hochschulen und Unternehmen aufbauen können. Wenn es durch ein strukturiertes Miteinander gelingt, zumindest etwas frischen Wind und einige neue Kräfte in regional verankerte Innovationssysteme zu bringen, wären wichtige Schritte gemacht.