Laboratori Nazionali del Gran Sasso: Forschung unter 1.400 Meter Fels
Die Laboratori Nazionali del Gran Sasso (LNGS) in den Abruzzen (Italien) gelten als weltgrößtes Untergrundlabor. 1.400 Meter Gestein schützen die Experimente zur Untersuchung von Elementarteilchen vor störenden äußeren Einflüssen. Derzeit arbeiten rund 500 Forscher aus 30 Ländern an verschiedenen Versuchen in den riesigen unterirdischen Hallen. Mit dem am Donnerstag eröffneten COSINUS-Experiment macht man sich dort erneut auf die Suche nach der rätselhaften Dunklen Materie.
Etwa 120 Kilometer nordöstlich von Rom durchquert nahe der Stadt L'Aquila ein zehn Kilometer langer Autobahntunnel das Gran-Sasso-Massiv. Als der Chef des italienischen Nationalen Institut für Kernphysik (Istituto Nazionale di Fisica Nucleare, INFN), Antonino Zichichi, in den 1970er-Jahren von den Plänen für diesen Tunnel hörte, hatte er die Idee, diese Gelegenheit für die Errichtung eines Untergrundlabors zu nutzen, erklärte Paolo Gorla von den LNGS gegenüber der APA. Die Pläne wurden 1979 dem italienischen Parlament vorgelegt, wenig später genehmigt und im Zuge der Errichtung des Autotunnels ein großer unterirdischer Komplex gegraben, der für autorisierte Personen und Fahrzeuge über eine Abfahrt im Tunnel erreichbar ist.
Bereits 1989 startete das erste Experiment in den drei Versuchshallen, die jeweils 100 Meter lang, 20 Meter breit und 18 Meter hoch sind. Bereits bei ihrer Errichtung wurden sie so ausgerichtet, dass ihre Längsachsen genau zum CERN, dem europäischen Teilchenforschungszentrum in Genf, zeigen, was für manche Experimente gebraucht wird.
Rund 1.400 Meter Fels des Apennin schützen das Labor und die darin ablaufenden empfindlichen - großteils internationalen - Experimente vor allem vor der störenden kosmischen Strahlung. Diese ist so tief unter der Erde im Vergleich zur Oberfläche millionenfach reduziert.
Zudem ist der störende Neutronenfluss in den unterirdischen Hallen aufgrund der sehr geringen Menge der radioaktiven Elemente Uran und Thorium im Dolomitkalkgestein des Berges etwa tausendmal geringer als an der Oberfläche. So können schwache oder seltene Signale von verschiedenen Elementarteilchen erfasst werden.
Kaum Auswirkungen des verheerenden Erdbebens
Die Größe der Hallen lässt sich nur erahnen, zu dicht sind sie vollgepackt mit den weit aufragenden Experimentiertürmen. Von außen sieht man häufig nicht viel mehr als die massiven Metallgerüste, die die Detektoren mit ihren verschiedenen zusätzlichen Abschirmungen, die diversen Serviceeinrichtungen, Reinräume und Arbeitsplätze tragen.
Das verheerende Erdbeben, das 2009 L'Aquila und umliegende Orte schwer beschädigte bzw. zerstörte, hatte kaum Einfluss auf das Untergrundlabor und seine Einrichtungen, auch wenn viele Mitarbeiter persönlich betroffen waren, sagte Gorla. Grund dafür seien auch "sehr strikte Bauvorschriften für die Experimente, die zum Teil noch strenger sind als für zivile Bauten".
Einer der Schwerpunkte an den LNGS ist die Erforschung von Neutrinos. Ein solches Experiment wurde einer breiteren Öffentlichkeit bekannt - allerdings aufgrund eines Fehlers: Am CERN erzeugte Neutrinos, die auf die Reise zu den 730 Kilometer entfernten LNGS geschickt wurden, bewegten sich angeblich schneller als das Licht, verkündete das Team des Opera-Experiments 2011 - ein vermeintliche Sensation, würde das doch Einsteins Relativitätstheorie verletzen. Doch die Sensation entpuppte sich schließlich nur als Fehler bei der Messung.
Allerdings hatte das Opera-Experiment an den LNGS schon 2010 ein spektakuläres Ergebnis geliefert, als erstmals die Umwandlung eines Myon-Neutrinos in ein Tau-Neutrino beobachtet wurde - ein Erkenntnis-Puzzlestein für das Zutreffen der Annahme, dass Neutrinos Masse haben.
Ein weiterer Schwerpunkt der Forschungen an den LNGS ist die Suche nach der Dunklen Materie: Seit Mitte der 1990er Jahre läuft in der Einrichtung etwa ein Experiment, das für Schlagzeilen und wissenschaftliche Diskussionen sorgt: Das Instrument DAMA misst seit Jahren Signale, die auf die Existenz der rätselhaften Dunklen Materie hindeuten - ein Ergebnis, das bisher weltweit kein einziges anderes Experiment bestätigen konnte. Das am Donnerstag eröffnete Großexperiment COSINUS will dies nun unter österreichisch-deutsch-italienischer Leitung überprüfen.
Service: https://www.lngs.infn.it/en