(Keine) Neue Gentechnik im Biolandbau
Die Ablehnung Österreichs, was den geplanten Umgang mit den neuen Gentechniken in der EU angeht, sind nicht neu. Die EU-Pläne würden auch die biologische wie auch die konventionelle gentechnikfrei wirtschaftende Landwirtschaft gefährden, heißt es. Forscher, Saatguthersteller und Biobauer sehen aber auch Nachteile für die Bio-Branche, wenn sich Österreich dem Weg versperrt.
Mit „Neuen Gentechnik“ (NGT)-Methoden wie der Genschere CRISPR/Cas kann man das Erbgut von Pflanzen punktgenau verändern. Davon erhofft sich Biobauer Simon Mühl aus dem Marchfeld (NÖ) vor allem Klimawandel-fittere Pflanzen. Durch die globale Erwärmung häufiger werdende Trockenzeiten und Hitzestress schaden den zur Zeit verwendeten Sorten. „Ich bin in der sehr privilegierten Lage, den Großteil meiner Felder mit Karotten, Erbsen, Sojabohnen und verschiedenen Getreidesorten über Grundwasserbrunnen bewässern zu können“, sagte er im Gespräch mit APA-Science: „Aber nur ein Bruchteil der österreichischen Fläche kann so bewirtschaftet werden“. Dies führe zu immer größeren Problemen. Außerdem könne man damit einzelne Allergene aus pflanzlichen Lebensmitteln nehmen und ihr Eiweißstoffe-Profil so verändern, dass sie verträglicher und nahrhafter sind.
Was man mit NGT leicht verändern kann und was nicht
„Inhaltsstoffe zu verändern und Allergene ausschalten kann man relativ leicht“, erklärt Anton Brandstetter von Saatgut Austria. Die Saatguthersteller würden zum Beispiel auch mit „massiver Beschleunigung“ durch Einsatz der CRISPR/Cas Technologie rechnen, um Stärkeformen wie „Wachsmais“ für die Lebensmittelindustrie zu produzieren. Auch Resistenzen gegen Krankheitserreger und Schädlinge auf zusätzliche Sorten zu übertragen wären möglich, wenn sie „monogenetisch“ veranlagt sind, das heißt, wenn nur eine einzige Erbanlage (ein Gen) dafür verantwortlich ist.
„Toleranz gegen Hitze und Trockenheit kann man aber nicht so einfach mit den neuen Technologien herstellen“, so Brandstetter. Diese Eigenschaften sind von einem komplexen Zusammenspiel verschiedenster Erbanlagen abhängig, die man teilweise noch gar nicht kennt und daher nicht so schnell allesamt mit „einfachen Genveränderungen“ verändern kann, sagt er.
Zwischen Ablehnung und Zustimmung
Im Gegensatz zum Marchfelder Biolandwirt Simon Mühl ist die Organisation „Bio Austria„, die laut eigenen Angaben zwei Drittel der österreichischen Biobauern vertritt, strikt gegen Neue Gentechnik. Es gäbe einen „eindeutigen Standpunkt in der Branche, wonach Bio frei von Neuer Gentechnik bleiben muss“, erklärte sie jüngst in einer Aussendung. Man fordere das EU Parlament dazu auf, das Verbot von Gentechnik in der Bio-Landwirtschaft aufrecht zu erhalten. „Bio muss Gentechnik frei bleiben!“, heißt es dort schließlich.
„Bioprodukte und Produkte ‚Ohne Gentechnik‘ sollen definitiv auch keine neue Gentechnik enthalten – trotz aller Versuche von EU-Kommission und Gentechnik-Herstellern, neue Gentechnik-Verfahren wie z.B. die ‚Genschere‘ CRISPR/Cas von der Gentechnikgesetzgebung auszunehmen und sie damit den Konsumentinnen und Konsumenten ungekennzeichnet unterzujubeln“, erklärte Florian Faber, Geschäftsführer der Wirtschaftsplattform ARGE Gentechnik-frei, jüngst bei einer Fachkonferenz in Wien.
Gegenstimmen sehen in Zweigleisigkeit wenig Sinn
„Wenn Bauern, die biologischen Anbau betreiben, verbessertes Saatgut nicht verwenden können und konventionelle Züchter schon, entsteht eine Zweigleisigkeit, die Biobauern benachteiligt“, sagt Andreas Bachmair vom Department für Biochemie und Zellbiologie der Universität Wien: „Früher oder später würde das wohl auch dazu führen, dass die Lebensmittel verarbeitende Industrie dort hin geht, wo sie verbessertes Ausgangsmaterial zur Verfügung hat“. Für die österreichische Biobranche entstünde damit ein Standortnachteil. „Es gäbe dann auch die absurde Situation, dass die amerikanischen Biobauern neues, verbessertes Saatgut verwenden dürfen, österreichische Biobauern aber nicht“, so Bachmair: „Dann könnte es durchaus sein, dass es in Reformkostläden solche Dinge zu kaufen gibt, aber eben nicht aus Österreich“.
Auch für Simon Mühl wäre es wettbewerbsverzerrend, wenn mit Neuer Gentechnik hergestelltes Saatgut hierzulande exklusiv verboten wird. „Die Politik verwendet gerne das Narrativ, dass wir der Feinkostladen Europas sind“, sagt er: „Das könnte man dann kaum aufrecht erhalten“.
Brandstetter sieht im Falle eines österreichischen Verbotes vor allem dann ein Problem für die Biobauern, wenn sie in Zeiten von Futtermittelknappheit auf konventionelles Futter zurückgreifen müssen, das nicht speziell (als mit Neuer Gentechnik hergestellt) gekennzeichnet würde. Es wäre dann nämlich nicht erkennbar, ob es mittels Neuer Gentechnik produziert wurde oder nicht. „Es ist natürlich in Ordnung, wenn eine Gruppe definiert, dass sie etwas nicht haben möchte“, erklärt er: „In letzter Logik muss es aber im gesamten Wirtschaftsumfeld sinnvoll sein“.
Österreichisches Verbot kaum möglich
Zu einer Wettbewerbsverzerrung wird es wohl aber erst gar nicht kommen, weil es in Österreich laut Verordnungsvorschlag gar nicht möglich sein wird, solches Saatgut zu verbieten, sagt Anton Brandstetter: „Es gibt in Europa freien Warenverkehr und eine einheitliche Saatgutregelung“. Wenn eine Sorte in einem EU-Land zugelassen wurde, darf sie in jedem EU-Land verkauft und angebaut werden, erklärt er.
„Österreich hat sich sehr lange mit der EU angelegt, dass eine Opt-out für die konventionelle Gentechnik gekommen ist“. Diese Opt-out Variante wird es nach aller Voraussicht für die neuen Züchtungstechnologien nicht geben. „Somit wird es auch keine Möglichkeit geben, das in Österreich zu unterbinden“, meint Brandstetter. Letztlich würden sich solche Sorten ohnehin nur etablieren, wenn die Landwirte und Produzenten damit Vorteile im Anbau oder die Industrie in der Verarbeitung sehen. „Wenn sie hingegen nichts Besonderes können, wird es keinen Sinn machen, solches Saatgut zu verwenden“, so der Experte.