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Gastbeitrag / Hans-Peter Weiss / Donnerstag 10.06.21

Universitätsgebäude sind für Veränderung gerüstet

Foto: Daniel Hinterramskogler Baustelle MED CAMPUS Graz, Modul 2

Die Gestaltung von Universitätsliegenschaften erlebt aktuell eine ungeheure Dynamik. Vor zehn Jahren haben wir zusammen mit der Wirtschaftsuniversität Wien den Campus WU auf der sprichwörtlichen grünen Wiese geplant und errichtet. Bei seiner Eröffnung war er nicht nur in Wien eine Sensation. Inzwischen hat er mit vielen Grünflächen, Lokalen und Gastgärten einen ganzen Stadtteil belebt und ist zur touristischen Attraktion geworden. Für die positive Weiterentwicklung von Universitätsvierteln und ihrer Umgebung zu lebendigen Stadtquartieren gibt es seitdem viele Beispiele aus Wien und den Landeshauptstädten.

Die Atmosphäre, die von Universitätsgebäuden ausgeht, macht diese zu einem Dreh- und Angelpunkt für das studentische Leben und Lernen. Wir haben vor fünf Jahren – also deutlich vor der Pandemie – erfragt, dass über 50 Prozent der Studierenden und ForscherInnen einen Zusammenhang zwischen der Architektur ihres Unigebäudes und ihrem Lern- oder Forschungserfolg erkennen.

Damals gaben übrigens nur 59 Prozent der Studierenden an, E-Learning zu nutzen. Während der Pandemie mussten die Universitäten ihre digitale Infrastruktur unverzüglich aufrüsten und aus den Hörsälen und Seminarräumen in die WG-Zimmer und Studentenwohnheime streamen. Wir haben die baulichen Rahmenbedingungen dafür geschaffen und arbeiten auch weiterhin an den Voraussetzungen, dass Unis mit der optimalen technischen Ausstattung arbeiten können.

Das Raum- und Funktionskonzept, das in Universitätsgebäuden steckt, will ausgeklügelt geplant sein. Während der Pandemie hat man auch bei dem einen oder anderen laufenden Bauprojekt umdisponiert. Beim zweiten Bauteil des MED CAMPUS Graz, der sich gerade in Bau befindet, sind jetzt etwa extra Einheiten für Videokonferenzen vorgesehen und die Größe der Kommunikationszonen wurde überdacht.

Wir sind als BIG für 200 Uni-Liegenschaften, von Renaissancebauten bis zum modernen Unicampus, verantwortlich. Die Gestaltung von Universitätsgebäuden setzt hohe technische Expertise und Verständnis für den universitären Betrieb voraus. Immerhin beherbergen sie vom Elektronenmikroskop bis zum Konzertflügel, von tausenden StudienanfängerInnen bis zu SpitzenwissenschaftlerInnen ein breites Spektrum an verschiedenen Nutzungen und Nutzergruppen.

Jede Universität hat individuelle Anforderungen an ihre Bauvorhaben, die wir bei Planung und Bau berücksichtigen. Oft befinden sich mit Labors, Hörsälen für mehrere hundert Personen, Aufnahmestudios mit speziellen Anforderungen an die Akustik und Bürozimmern sehr unterschiedliche Nutzungseinheiten unter einem Dach.

Eine zentrale Aufgabe bei der Planung ist es, künftige Nutzungen soweit wie möglich mitzudenken. Wie schnell sich die Anforderungen an den Unibetrieb ändern können, sehen wir gerade.

Um auch künftigen Anforderungen im Universitätsbetrieb gerecht zu werden, planen wir die Raumstruktur nach Möglichkeit so, dass sie im Laufe des Lebenszyklus eines Gebäudes möglichst einfach verändert werden kann. Aufstockungen und Erweiterungen bei Platzmangel werden ebenfalls bereits mitgedacht.

Beispiel Biologiezentrum

Als ganz aktuelles Beispiel möchte ich das Biologiezentrum erwähnen, das wir gerade für die Universität Wien fertiggestellt haben. Die einzelnen Gebäudeteile sind so geplant, dass sie aufgestockt werden können, zudem können Büros zu Labors umfunktioniert werden und umgekehrt. In zweigeschossige Hörsäle können Zwischendecken eingezogen werden. Die Räume können innerhalb eines Raumverbandes einfach umgestaltet werden. Die Installationen sind in der Decke verbaut, die Wände bleiben frei von Leitungen und Kabeln.

 

Bei der Planung hatten wir auch das Thema Klimafreundlichkeit im Blick. Denn gerade die lange Lebensdauer eines Gebäudes bedeutet die Schonung von Ressourcen. Flexible Raum- und Funktionskonzepte erlauben es natürlich auch, auf disruptive Ereignisse wie eine Pandemie zu reagieren.

Bruno Klomfar

Kurzportrait

Hans-Peter Weiss ist CEO der Bundesimmobiliengesellschaft und der ARE Austrian Real Estate. Nach seinem Studium an der Universität für Bodenkultur Wien startete Hans-Peter Weiss seine berufliche Laufbahn im Jahr 1998 bei den Bundesforsten. Von 2000 bis 2011 war er in unterschiedlichen Führungsfunktionen für die Esterhazy Betriebe GmbH tätig. 2011 wurde er in die Geschäftsführung der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) berufen. Seit ihrer Gründung 2012 ist er Geschäftsführer der ARE Austrian Real Estate, einer Tochtergesellschaft der BIG.

 

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