Wie die CO2-Emissionen ermittelt werden
In jedem Land der Welt, das die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) unterschrieben hat, werden die Treibhausgasemissionen nach genauen Vorschriften des Weltklimarats (IPCC) berechnet, erklärte Michael Anderl von der Abteilung Klimaschutz und Emissionsinventare des Umweltbundesamts in Wien.
Diese umfassen fünf Bände formidablen Umfangs und wurden zuletzt aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse um die „Methodischen Verfeinerungen 2019“ (2019 Refinement to the 2006 IPCC Guidelines) ergänzt.
Das Grundprinzip ist laut Anderl einfach: „Die Aktivität mal dem Emissionsfaktor ergibt die Emission“. Die CO2-Emissionen aus dem Verkehr wären nach dieser simplen Berechnungsmethode das Produkt aus der Menge des im jeweiligen Land verkauften Sprits und der CO2-Menge, die pro Spritmengeneinheit aus dem Auspuff strömt. „Nach dieser Methode kann grundsätzlich jedes Land der Welt auf vergleichbare Art seine Emissionen berechnen“, so Anderl. Allerdings, für Industriestaaten sind die Anforderungen höher als für Entwicklungsländer. Das bedeutet, für Sektoren wie z. B Verkehr oder Gebäude sind detailliertere Berechnungsverfahren heranzuziehen. Dabei werden zusätzlich landesspezifische Faktoren in die Berechnungen eingebaut, spezifische Technologien berücksichtigt und komplexe Modelle erstellt, um die Genauigkeit zu maximieren. Das passiert zum Beispiel in Österreich.
Berechnungsquelle nationale Energiebilanz
Die wichtigste Grundlage für die Emissionsberechnung ist die nationale Energiebilanz, sagte der Experte. Sie wird jährlich von der Statistik Austria erstellt und veröffentlicht. „Dort sind sämtliche Energieträger, die in Österreich pro Jahr verbraucht wurden, detailliert verzeichnet“, so Anderl: „Also z.B. jene, die in kalorischen Kraftwerken, in den verschiedenen Industriesektoren wie etwa der Eisen- und Stahlindustrie, in den Privathaushalten, im Straßenverkehr usw. eingesetzt wurden.“ Auf Basis dieser Daten können dann für die Bilanzierung der Treibhausgase im Umweltbundesamt detaillierte Berechnungen angestellt werden: „Man weiß zum Beispiel sehr genau über den fossilen Kohlenstoffgehalt der Brenn- und Treibstoffe Bescheid, weil er immer wieder analysiert wird. Im Verkehrssektor wird z. B. ergänzend mit Emissionsfaktoren vom Prüfstand und detaillierten Fahrleistungsmodellen gerechnet. Dadurch entspricht das Ergebnis viel eher der Realität.“ Bei den Haushalten werde gleichermaßen verfahren: Man berechnet anhand der in Österreich verkauften Heizölmengen und den ermittelten Emissionswerten von Ölheizungen etwa den Ausstoß aus diesem Bereich.
Betreiber und Betriebe melden oft exakte Daten
Aus manchen Sektoren gibt es die exakten Werte: „Emissionshandelsbetriebe müssen alljährlich ihre Emissionen berichten, diese Daten fließen direkt in die Inventur ein“, erklärt Anderl. Halbleiter-Hersteller z.B. haben wiederum laut Industriegasverordnung die eingesetzten Stoffmengen (F-Gase) zu melden, Betreiber von Abfall-Deponien melden die deponierten Mengen , aus denen sich wiederum die spezifischen Methanemissionen berechnen lassen. Viele Großbetriebe berichten ihre Emissionen laut einer gesetzlichen Regelung für Kesselanlagen. Hier stehen den Expertinnen und Experten dann die tatsächlich emittierten Mengen zur Verfügung. „Wir fragen auch bei den Fachverbänden von Industriebranchen Daten ab, mit denen wir dann die Emissionen sehr detailliert berechnen können“, erklärte der Experte.
Viehzahl, Haltungsbedingungen und Milchleistung werden einberechnet
Diese Anstrengungen werden übrigens jährlich unternommen. „Ich bin zum Beispiel für die Inventur der Landwirtschaft zuständig. Wir übernehmen alle Jahre zum Beispiel die neuen Viehbestandszahlen, die Mineraldüngermengen, Daten der Ernteerträge, Milchleistungsdaten, Flächenzahlen und berücksichtigen aktuelle Daten zur landwirtschaftlichen Praxis in Österreich für unsere Berechnungen“, erläuterte Anderl. Aufgrund wissenschaftlicher Publikationen könne man zum Beispiel anhand der Milchleistungsdaten und wenn man weiß, womit die Rinder gefüttert und in welchen Systemen sie gehalten wurden, die von ihnen produzierten Treibhausgasmengen viel exakter berechnen, als mit einer einfachen Milchmädchenrechnung: „Rinder-mal-Emissionsfaktor“. „Länder ohne solch einem ausgefeilten System rechnen die Emissionen simpler hoch, aber grundsätzlich ist das System so ausgelegt, dass sie überall berechenbar und weltweit vergleichbar sind“, so der Experte. In Österreich kommt man mit dem komplexen System aus Berechnungen, Modellen, direkten Daten und Messungen auf eine Unsicherheit der Treibhausgasinventur von vier bis fünf Prozent, berichtet er.
EU und Vereinten Nationen prüfen oft und streng
Die Treibhausgasinventuren werden sowohl von der EU-Kommission als auch vom Klimasekretariat der Vereinten Nationen in jedem Industrieland penibel kontrolliert, so Anderl: „Es ist wie bei einer Steuerprüfung, die Experten prüfen eine Woche lang intensiv die Inventur, in regelmäßigen Abständen kommen sie auch direkt zu uns.“. Auch Mitarbeiter des Umweltbundesamts sind für die UN als Emissionsinventurprüfer unterwegs, freilich in anderen Ländern und nicht dem eigenen. Die Prüfteams geben dann Stellungnahmen ab, was zu ergänzen oder korrigieren ist. „Größere Fehler sind uns glücklicherweise noch nicht unterlaufen , dazu haben wir ein Qualitätsmanagementsystem mit weisungsfreien Mitarbeitern“, berichtet er.
Die intensiven Prüfungsverfahren dienen der Verbesserung der Qualität der Inventuren und sollen verhindern, dass Länder tricksen. „Etwa, indem man die Emissionen in den Basisjahren etwas höher ansetzt, könnte man stärkere Abnahmen der Emissionen vortäuschen, oder indem man sie in den Zieljahren künstlich nach unten rechnet“, sagte Anderl. Deshalb würden „ganz genau nach Unter- oder Überschätzen geprüft“ und bei Bedarf rigorose Korrekturen verlangt.