Ein Trip ins Jenseits und zurück
„Wenn du stirbst, bevor du stirbst, wirst du nicht sterben, wenn du stirbst.” Mit diesem Spruch, der im griechischen Kloster Agiou Pavlou am Berg Athos verewigt ist, eröffnet Brian Muraresku sein Buch „The Immortality Key” (Der Schlüssel zur Unsterblichkeit). Im Gespräch mit APA-Science erklärt der Autor, was es damit auf sich hat und welche entscheidende Rolle Psychedelika für die westliche Zivilisation und das frühe Christentum gespielt haben könnten.
Muraresku, der bereits an einem zweiten Buch und einer Dokumentation zum Thema arbeitet, führt im Interview aus, wie es zu seiner zwölf Jahre dauernden Odyssee gekommen ist, welche harten wissenschaftlichen Beweise es für seine Thesen gibt (siehe dazu „The Immortality Key“: Wenn Psychedelika unsterblich machen) und was im Reich der Spekulation bleiben muss.
APA-Science: Sie leiten Ihr Buch mit dem Leitgedanken ein, mit Hilfe von bewusstseinsverändernden Substanzen visionäre Einsichten zu erleben, und so eine Art Vorschau ins Jenseits zu bekommen, habe eine Tausende Jahre alte Tradition. Was ist die daneben zentrale Botschaft, die Sie Ihren Lesern vermitteln möchten?
Muraresku: Ich denke, die allgemeine Auffassung ist, dass der Gebrauch von Psychedelika, insbesondere der rituelle Gebrauch von Psychedelika, etwas Exotisches oder Fremdes ist und das irgendwie nicht zur westlichen Zivilisation gehört. Wenn also die meisten Leute über Psychedelika nachdenken, ist das hauptsächlich auf einige der Erkundungen zurückzuführen, die in Amerika stattfanden. Zum Beispiel geht Gordon Wasson im 20. Jahrhundert bekanntermaßen nach Mexiko und entdeckt Psilocybin-haltige Pilze wieder. Der große Harvard-Ethno-Botaniker Richard Evans Schultes reist in den Amazonas und entdeckt Ayahuasca wieder, heute haben wir eine ganze Ayahuasca-Tourismusbranche, zu deren Anhängern auch Will Smith gehört.
Ich habe mich aus akademischer Sicht oft gefragt, wie diese Entdeckungen und der Krieg gegen Drogen in den 1970er-Jahren unsere Sicht auf den historischen Gebrauch von Halluzinogenen, Psychedelika und bewusstseinsverändernden Substanzen in der westlichen Zivilisation beeinflusst haben. Und je mehr ich mir dieses große Dilemma anschaute, je mehr Daten ich gefunden habe, desto mehr entdeckte ich, dass es dort tatsächlich eine Verbindung gibt.
Und die Verbindung, die ich herstellen wollte, war hauptsächlich mit der antiken griechisch-römischen Welt – den alten Griechen einerseits, und wie das dann das Ur-Christentum auf der anderen Seite beeinflusst: Ein großes, kontroverses Thema, das bis in die späten 1970er-Jahre zurückreicht. Aber mit dem Aufkommen der Wissenschaft und einigen hartnäckigen Nachforschungen in alten Zeitschriften stellt sich heraus, dass es einige Daten gibt, die darauf hindeuten, dass diese Drogen tatsächlich einen wichtigen Einfluss auf die Entwicklung der sogenannten westlichen Zivilisation gehabt haben.
Sie sprechen etwa auch die Kultstätte Göbekli Tepe auf dem Gebiet der heutigen Türkei an, wo 12.000 Jahre alte Bierreste gefunden wurden. Was wissen wir über den Gebrauch von bewusstseinserweiternden Substanzen noch lange vor dem Entstehen der westlichen Zivilisation?
Das ist eine sehr gute Frage. Ich bin mir nicht sicher, ob es endgültige archäobotanische oder archäochemische Beweise für den Einsatz von Psychedelika gibt, die auf Göbekli Tepe zurückgehen. Das ist ungefähr die Zeit, die wir die landwirtschaftliche Revolution nennen. Ich denke, es gibt faszinierende Beweise für die Gärung von Bier, und so fand wurde in der Südtürkei zumindest vor 12.000 Jahren schon das Bewusstsein verändert. Auch in der Raqefet-Höhle in Israel, die ich erwähne, gibt es in 13.000 Jahre alten Steinmörsern einige Beweise für das Brauen eines prähistorischen Bieres.
Ganz konkret werden die wissenschaftlichen Nachweise für den Gebrauch für psychedelische Substanzen aber dann spätestens in Mas Castellar de Pontós, einer archäologischen Fundstätte in Spanien, wie Sie im Buch beschreiben?
Dieser Fund in Mas Castellar de Pontós war schon in den neunziger Jahren. Was dort gefunden wurde, ist außergewöhnlich. Jordi Juan-Tresserras von der Universität Barcelona hat mit Hilfe von optischer Mikroskopie und Rasterelektronenmikroskopie mikrobotanische Überreste von Bier, das scheinbar mit Mutterkorn versetzt war, entdeckt. Das ist dieser berüchtigte Pilz, der bereits Ende der 1970er-Jahre von Carl Ruck in seinem berühmten Buch ‘The Road to Eleusis’ vermutet wurde, das er gemeinsam mit Gordon Wasson und Albert Hofmann geschrieben hat, der bekanntermaßen LSD entdeckte. Und ihre Idee war, dass diese Getreidekörner für den Aufstieg der westlichen Zivilisation sehr wichtig waren.
Wir haben über die landwirtschaftliche Revolution gesprochen, die vor zwölftausend Jahren auf Göbekli Tepe zurückgeht. Aber Carl Ruck und Albert Hoffman und Gordon Wasson dachten, dass diese Körner vielleicht nicht nur zum Brauen von Bier oder zum Backen von Brot angebaut wurden, obwohl sie dafür gut sind. Aber sie wissen auch, dass der Pilz Mutterkorn auf diesen Getreidepflanzen ziemlich leicht wächst. Es kommt häufiger bei Roggen, aber auch bei Gerste und Weizen vor. Und in den späten 1970er-Jahren mutmaßten sie, dass eine Art Alkaloid aus Mutterkorn die berühmte fehlende Zutat für diese psychedelische Erfahrung bei Eleusis vor 2500 Jahren gewesen sein könnte, einer Art spiritueller Hauptstadt des antiken Griechenlands.
Es gab keine harten Daten, die es auf die eine oder andere Weise beweisen könnten, bis ich auf diese unglaubliche Entdeckung von Jordi und Enriqueta Pons, die Archäologen in den 1990er-Jahren, stieß. Soweit ich das beurteilen kann, wurde einfach nicht viel darüber berichtet, weil es auf Katalanisch geschrieben wurde. Jordi schrieb einige Artikel auf Spanisch in Complutum und anderen spanischsprachigen Zeitschriften. Aber auch die haben es einfach nicht in die akademischen Runden geschafft. Das lag wohl an einer modernen Sprachbarriere, die verrückt ist, wenn man es mit der Antike zu tun hat.
So erhärteten sich die Hinweise auf eine Art absichtlichen Konsum eines Getränks, das mit diesen griechischen Mysterien verwandt war. Es war eine sehr, sehr hellenistische Stätte voll mit Hinweisen auf die Geheimnisse von Eleusis, obwohl sie so weit entfernt in Spanien liegt.
Welche weiteren evidenzbasierten Fakten würden Sie nennen, die Sie in Ihrer These bestärkt haben? Ich vermute, die Funde in der Villa Vesuvio in Pompeji haben viel damit zu tun?
Ja, das ist meine Nummer zwei. Das sind die beiden Ergebnisse, die Eckpfeiler für das Buch sind. Ich versuche, die Geschichte auf unterhaltsame Art zu erzählen, aber wir stellen sehr große Fragen: Darüber, wo das alles angefangen und wie alles geendet hat? Welche Rolle spielte die Kirche bei der Unterstützung oder Unterdrückung dieser uralten geheimnisvollen Rituale? Aber die beiden harten wissenschaftlichen Daten, mit denen ich zufrieden bin, sind Mas Castellar de Pontós und Villa Vesuvio. Dabei springen wir in das erste Jahrhundert vor Christus. Und wir können es definitiv datieren, weil es die Überreste dieses alten Bauernhauses waren, die durch den Ausbruch des Vesuvs (79 n.Chr.; Anm.) erhalten blieben, sodass wir es mit Überzeugung auf die zweite Hälfte des ersten Jahrhunderts datieren können – ungefähr zur gleichen Zeit, als sich die frühesten Christen in diesem Teil Italiens ansiedelten.
Ein weiterer faszinierender archäobotanischer Fund hat mit diesen alten Weinkrügen zu tun, die Dolia genannt werden. In einer dieser Dolien fand die italienische Archäobotanikerin Marina Ciaraldi die Überreste aller möglichen Dinge wie über 50 Arten verschiedener Bäume und Pflanzen, darunter Opium, Cannabis, Bilsenkraut und schwarzen Nachtschatten, was auf einen ziemlich unkonventionellen Wein hinweist. Ich meine, nicht gerade dein durchschnittlicher Tafelwein – und nicht zu vergessen, da waren auch Überreste von Eidechsen, Fröschen und Kröten drin.
Und an welchen Punkten betreten wir den spekulativen Bereich der Geschichte? Wo können wir wirklich nur vermuten, was passiert ist?
Es gibt zwei Punkte. Der Fund des Mutterkon-Biers in Mas Castellar de Pontós im zweiten Jahrhundert vor Christus bedeutet also nicht unbedingt, dass in Eleusis, drüben in der wichtigsten spirituellen Hauptstadt, ein Mutterkorn-Bier getrunken wurde. Wir haben dafür keine organischen Beweise von der Fundstätte. Ich ging dorthin, um mit der Archäologin in Eleusis, Kalliope Papangeli, über all diese wilden Theorien zu sprechen, und nach ihrem Wissen wurden vor Ort keine Gefäße mit ähnlichen Beweisen gefunden. Es ist natürlich spekulativ, Mas Castellar de Pontós mit Eleusis zu verbinden, aber es gibt dennoch sehr überzeugende Hinweise.
Eine Schlüsselrolle könnte dabei dem Seefahrervolk der Phokäer zukommen?
Ja, warum ich die Phokäer interessant finde, obwohl das ebenso spekulativ ist: Sie haben, soweit wir wissen, nur eine Handvoll Kolonien gegründet. Eine war in Massalia, dem heutigen Marseille. Eine war in Empuries (ursprünglich Emporion), unweit von Mas Castellar de Pontós an der Küste Kataloniens. Und der dritte Ort, den sie gründeten, befand sich in Velia in Süditalien, nicht allzu weit südlich von Pompeji im Herzen von Magna Graecia, wo wir wissen, dass die antiken griechischen Geheimnisrituale in den Jahren vor Christus überlebt haben.
Ich meine, es ist natürlich ein bisschen spekulativ anzunehmen, dass das pharmakologische Wissen von den Phokäern in den gesamten antiken Mittelmeerraum getragen wurde. Aber es ist seltsam, dass es an den beiden Stellen, an denen diese archäobotanischen Daten auftauchen, eine Verbindung zu den Phokäern besteht. Davon ausgehend wird es nun interessant herauszufinden, ob und wie ein Teil dieses pharmakologischen Wissens in die frühesten griechischsprachigen Kirchen in und um Rom gelangt ist. Ich konzentriere mich aus einem bestimmten Grund auf Italien, wo die katholische Kirche entstanden ist. Die katholische Kirche ist es, die im Zeitalter der Entdeckungen zum globalen Christentum führt. Wir spekulieren also über die Verbreitung dieser Pharmakologie. Aber ich bin zuversichtlich, dass die Daten, such die noch kommenden, den Weg weisen sollten.
Es wird noch mehr kommen?
Wir fangen gerade erst an.
Wie hat sich Ihre eigene Wahrnehmung von Religion, Christentum und Gott im Laufe Ihrer zwölfjährigen Forschung verändert?
Ich bin katholisch aufgewachsen. Ich glaube, ich hatte ziemlich viel Glück, weil ich mit den besten Teilen des Katholizismus aufgewachsen bin. Ich in einer Erzdiözese in Philadelphia groß geworden und wurde von Jesuiten ausgebildet. Die Ironie für mich ist also, dass ich nur Latein und Griechisch von den Jesuiten gelernt habe. Ich bezweifle, dass sie erwartet haben, dass ich dieses Wissen annehmen und dann all diese uralten Hinweise auf Psychedelika und diese gewaltige Verschwörung untersuchen würde. Die Wahrheit ist, dass die Jesuiten große Fragen stellen und ich habe das getan.
Deshalb macht für mich die Richtung meines Glaubens und dieses Buch für mich absolut Sinn, weil mir immer beigebracht wurde, dass ein Glaube, der unhinterfragt bleibt, irgendwie hohl ist. Um die Frage zu beantworten: Je mehr ich die antike Welt studiere, desto näher komme ich einer Arbeitshypothese von Gott und der Bedeutung von Religion, von der ich denke, dass sie den Menschen heute nicht nur einen Sinn verleiht, sondern dies auch damals eindeutig getan hat. Weil ich sehe keinen starken Unterschied zwischen Religion und Wissenschaft, wenn wir über Eleusis und über diese Mysterien sprechen. Was in den Katakomben und Hauskirchen des frühen Christentums passiert sein könnte, unterscheidet sich komplett davon, wie Religion heute praktiziert wird. Damals war man noch nicht auf Schriften fokussiert. Es gab noch keine heiligen Bücher.
Zuerst einmal war Eleusis eine geheim gehaltene mündliche Überlieferung. Es gibt also keine Doktrin und kein Dogma. Im frühen Christentum, speziell im ersten Jahrhundert, hat man vielleicht einige der Evangelien gehört, aber auch hier war es größtenteils eine kaum gebildete Personengruppe, wo die Fähigkeit zu lesen sehr gering war. Was die Menschen zu diesen Traditionen hinzog, war also die Erfahrung. Wir haben zu Beginn über das Konzept des Sterbens vor dem Tod gesprochen. Ich meine, je mehr ich nachforschte, desto mehr wurde mir klar, wie viel Bedeutung das für das Leben dieser Menschen hatte. Und wenn man darüber nachdenkt, ist das der Wissenschaft viel näher als der Religion.
Auf der einen Seite gibt es die Vorstellung eines abstrakten Gottes, der durch Lehre und Dogma wahrgenommen wird. Auf der anderen Seite geht es um das Experimentieren und dabei eventuell eine seligmachende Vision zu empfangen, für die Menschen nach Eleusis strömen. Oder war es das Gefühl der Gemeinschaft, vielleicht sogar Ekstase, das die Menschen in den frühesten Eucharistiefeiern fanden. Die große Frage lautet also: Wie ist es dazu gekommen? Was hat diese religiöse Manie befeuert, diese Ekstase? Da war kein heiliges Buch. Was brachte die Leute dann eigentlich zusammen? Die Pharmakologie, obwohl sie bisher übersehen wurde, hat meiner Meinung nach eine große Rolle in diesen religiösen Traditionen gespielt, sowohl in der heidnischen als auch in der christlichen Welt.
Im Gegensatz zu den leeren Ritualen der „Placebo-Eucharistie” der katholischen Kirche?
Nun, das (z.B. die symbolische Gabe von Brot und Wein; Anm.) ist nicht gerade das, was zur Religion hinführt, und ich denke auch nicht, dass das die Leute dazu bringt, wieder darauf zurückzukommen. Selbst bei ausgewiesenen Gelehrten des frühen Christentums wie Elaine Pagels besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass das Christentum mit visionärer Erfahrung geboren wird. Der größte Evangelist der Religion, Paulus, traf Jesus nie persönlich. Er kommuniziert außersinnlich mit Jesus und schreibt seine Briefe im gesamten Mittelmeerraum, in denen er die gute Nachricht einer Person verkündet, die er nie getroffen hat, sondern nur durch „Gehör-Halluzinationen“ erfahren hat. Oder beim Apostel Petrus, der im Neuen Testament in einer Trance gefangen ist.
Es besteht also kein Zweifel, dass das Christentum mit visionärer Erfahrung geboren wird. Auch nicht darüber, dass es im Herzen des antiken Griechenlands in Eleusis und in den anderen Mysterien-Schulen eine visionäre Erfahrung gab. Die einzige große Frage ist, was diese Vision ausgelöst hat? War es Meditation, war es Trance? Waren es Gebete oder war es eine Kombination aus all dem, plus den psychedelischen Stoffen, die gefunden wurden?
Wie würden Sie heute Jesus beschreiben, hat sich ihre Vorstellung von der Person geändert?
Für die Zwecke des Buches gehe ich davon aus, dass es eine physische historische Person namens Jesus gab. Nach einer Schätzung gibt es über 30.000 christliche Konfessionen. Denken Sie darüber nach, über 2,5 Milliarden Menschen in 30.000 Gruppierungen, weil wir uns nicht darüber einigen können, wer Jesus war.
Ein Freund von mir sagt, dass Jesus ein Rorschach-Test ist. Du siehst in Jesus, was du sehen willst. Wir haben diese vier widersprüchlichen Berichte, die Evangelien genannt werden, und viele andere zusätzliche biblische Texte. Die 52 Bücher des Nag Hammadi-Korpus (eine Sammlung frühchristlicher Texte, die hauptsächlich der Gnosis zuzurechnen sind; Anm.) zeichnen ein ganz anderes Bild von Jesus, insbesondere das Evangelium von Thomas. Außerdem wir haben das Evangelium von Maria Magdalena.
Es gibt also all diese konkurrierenden Berichte darüber, wer diese Person war und wie wir mit ihrer Botschaft umgehen sollen. Die gnostische Interpretation Jesu ist, dass er gekommen ist, um uns mit unserer eigenen Göttlichkeit bekannt zu machen. Das war eine Idee, die mir als Teenager eingepflanzt wurde. Aber je mehr Beweise ich fand, je tiefer die Recherche ging, desto mehr sah ich Jesus als einen griechisch beeinflussten Philosophen und Magier. Wäre über ihn genauso viel auf Aramäisch oder Hebräisch berichtet worden wie auf Griechisch, wäre es eine andere Geschichte.
Aber die Art und Weise, wie er dokumentiert wurde, insbesondere durch das Johannesevangelium und die Sprache, mit der Johannes diese Person beschreibt, ist ganz speziell. Der Jesus, den ich im Johannesevangelium und in der gnostischen Literatur vorfand, spricht zu einem Volk im ersten und im zweiten nachchristlichen Jahrhundert, – und hier zitiere ich Dennis MacDonalds Buch „The Dionysian Gospel“ – das in griechischen Ritualen, Praktiken und griechischer Sprache geradezu schwimmt, und der Jesus, der ihnen präsentiert wird, ist ein Zauberer, der Wasser in Wein verwandelt.
Man wird nicht nur wie diese Person, deren Fleisch und Blut man konsumiert, man wird sie selbst. Theophagie ist eine wirklich alte Idee, und ich glaube nicht, dass das Christentum den Erfolg gehabt hätte, ohne diese sehr griechischen Vorstellungen der Apotheose anzusprechen.
Könnte Jesus beim Letzten Abendmahl Drogen-Wein ausgeschenkt haben?
(Lacht) Wir befinden uns wieder im Bereich der Spekulation, aber ich versuche, nicht überprüfbare Dinge zu vermeiden. Was wissen wir über das letzte Abendmahl? Heute nennen wir dieses Ereignisses die Messe. Es wird auf allen Kontinenten der Welt mehrmals am Tag die Nachbildung des letzten Abendmahl gefeiert. Selbst wenn wir nicht genau in diesem Moment in die Geschichte zurückblicken können, können wir uns Berichte und archäologische Beweise durchsehen. Wir können uns anschauen, wie die Menschen der Antike dieses Ereignis interpretiert haben. Deshalb denke ich, dass die Jagd nach diesen heiligen Gralen so aufregend ist, weil wir Kelche haben, die seit dieser Zeit überlebt haben, Behälter im gesamten antiken Mittelmeerraum, die möglicherweise Beweise dafür beinhalten, wie diese Leute das letzte Abendmahl und wie sie Jesus interpretiert haben.
Sie überspannen in Ihrem Buch große Zeiträume, verschiedenste Regionen und Kulturen. Was sind die gemeinsamen Nenner in der Geschichte?
Ich muss dabei zurück zur Vorstellung des Todes kommen. Wenn man nicht nur die antike griechisch-römische Welt oder das frühe Christentum betrachtet, sondern zurück in die Bronzezeit oder zu den alten Ägyptern geht, oder den ganzen Weg zurück nach Göbekli Tepe (vor 12.000 Jahren) geht, dann findet man immer wieder Menschen, die von der Vorstellung vom Tod und den Vorfahren besessen sind.
In einer Mischung aus Wissenschaft und Religion, sehe ich Menschen, die nicht vor dem Tod fliehen oder die unangenehmen Details an Krankenhäuser oder Leichenbestatter auslagern. Das waren Leute, die das aus erster Hand herausfinden wollten. Und es gibt viele Möglichkeiten zu sterben, bevor man stirbt und sich mit dem Tod vertraut macht. Aber der einzige gemeinsame Nenner, den ich fand, waren Menschen, die ihren Lieben sehr nahe standen, auch nach dem Tod.
Die Feier der Eucharistie ist ein Gedenken an den Tod und die Auferstehung Jesus. In den Riten von Eleusis wird behauptet, dass Unsterblichkeit im Grunde genommen an einem einzigen Abend durch diese Konfrontation mit dem Tod erlangt werden könnte. Das selbe sieht man vor 12.000 Jahren, wo Ahnenkulte auftauchten, diese Schädelkulte bei Göbekli Tepe, sei es durch das Trinken von Bier oder anderen bewusstseinsverändernden Substanzen und Ritualen. Dort passierte etwas, wo die Lebenden nach Interaktion mit den Toten dürsten. Die Toten waren den Menschen auf eine Weise präsent, wie das heute nicht mehr der Fall ist. Der gemeinsame Nenner ist, wie nahe diese Menschen dem Tod waren und der Glaube, dass Informationen über das Leben nach dem Tod in diesem Leben gewonnen werden konnten.
Auffallend war auch die prominente Rolle von Frauen im Laufe der Geschichte, nicht wahr?
Die beiden größeren Protagonisten in dem Buch sind Frauen und Drogen. Wenn der Tod von der prähistorischen Zeit bis in die Antike und darüber hinaus im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, dann waren die Vermittler dieser Erfahrung normalerweise Frauen. Eleusis zum Beispiel war ursprünglich ein Fraueninitiationsritus, der Männern nicht offen stand. In der frühen Kirche waren Frauen auch wichtiger als später. Frauen werden im gesamten Neuen Testament erwähnt. In den Katakomben unter den Straßen Roms sieht man oft Frauen die Wein weihen – nicht Männer. Ich habe mir mehrere Fresken unter der Erde angesehen, wo man Frauen am Kopfende des Tisches sieht, die eine Art eucharistisches Bankett für die Toten leiten. Und immer wieder, wenn man in die prähistorische Zeit zurückgeht, waren es Frauen, die diese Getränke mischten, sei es das Bier oder der Wein. Sie waren diejenigen, die alle Zutaten sammelten und die Getränke zubereiteten, um sich in eine Reise in die Jenseitswelt zu katapultieren.
Auf welche Art von psychedelischen Substanzen sind Sie bei Ihren Recherchen gestoßen?
Heute denkt man bei Psychedelika an DMT, Psilocybin, LSD oder Meskalin, aber nur eines von ihnen hat eine echte nachgewiesene Kontinuität in der alten Welt: Und das ist LSD, eines der Ergoline (Mutterkornalkaloide). Wir wissen immer noch nicht, welches Alkaloid im Mutterkorn die Visionen tatsächlich angetrieben hat, wenn überhaupt. Ich denke, dass es noch viel Arbeit mit dem Mutterkorn gibt. Aber der Fund in Spanien („Mutterkorn-Bier“ in Mas Castellar de Pontós; Anm.) lässt mich wirklich über die Rolle von Ergolinen in einigen dieser Getränke nachdenken, die wir in der Villa Vesuvio erwähnt haben. Offensichtlich sind Opium und Cannabis in der alten Welt und in Eurasien ziemlich gut dokumentiert. Dazu kommen Bilsenkraut, schwarzer Nachtschatten und die anderen Nachtschattengewächse, die keineswegs klassische Psychedelika sind. Das sind Deliriantia und keine lustigen Partydrogen.
Gibt es in Ihrer 12-jährigen Forschung gewisse Meilensteine, die herausstechen? Wo sie gemerkt haben, ich bin da an etwas Bedeutendem dran?
Ich höre mich vielleicht wie eine kaputte Platte an, aber ich glaube wirklich, dass es das mit Mutterkorn versetzte Bier von Mas Castellar de Pontós war.
Wie hat Sie diese Odyssee persönlich verändert?
Mein Leben wurde komplett auf den Kopf gestellt, besonders nach der Veröffentlichung. Ich habe ja zunächst nicht versucht, ein Buch zu schreiben. Ein gutes Jahrzehnt lang war das nur mein privates Abenteuer, was es jetzt nicht mehr ist. Der Buchvorschlag kam ungefähr 2017 zusammen und wir haben ihn 2018 an St. Martins Press verkauft.
Ich arbeite jetzt an einem zweiten Buch und führe wunderbare Gespräche mit Leuten von den führenden Universitäten der Welt, die viel klüger als ich sind. Und das ist zu einem echten Thema der akademischen Forschung geworden. Ich musste mich daran gewöhnen, mit den Medien darüber zu sprechen. Die größte Veränderung für mich ist, dass ich nicht mehr auf privater Suche bin. Ich bin froh, dass es gelesen wird, aber ich habe es eigentlich für mich geschrieben und bin damit übrigens nicht zufrieden. Tatsächlich habe ich zurückblickend auf die letzten zwölf Jahre wahrscheinlich mehr Fragen als Antworten – die Jagd nach dem Gral geht weiter.