Aufsehen erregte auch eine im Vorjahr erschienene Studie des Imperial-Teams, die zeigte, dass Psilocybin zur Behandlung von Depressionen Escitalopram, einem zugelassenem und wirksamen Antidepressivum, zumindest ebenbürtig ist (siehe auch Gastbeitrag „Psychedelika by chance…“). Neben Depressionen sieht Nutt große Potenziale für Psychedelika-unterstützte Therapien vor allem bei posttraumatischen Belastungsstörungen, Suchterkrankungen, aber auch zum Beispiel bei Magersucht oder Zwangsstörungen.
LSD und MDMA
Während sich die Forschung oft um Psilocybin dreht, ist etwa in der Schweiz auch das ähnlich wirkende LSD nicht in Vergessenheit geraten (siehe „LSD – eine therapeutische Alternative“). Der Schweizer Psychiater Peter Gasser hat etwa 2007 nach mehr als 30 Jahren die erste LSD-Studie mit Patienten gestartet und therapiert Patienten auch mit MDMA (3,4‑Methylendioxy-N-methylamphetamin; „Ecstasy“). Potenzial für MDMA gebe es vor allem bei Posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) mit schlechten Behandlungsaussichten.
Rechtliche Hürden
Nach dem Inkrafttreten des Controlled Substances Act 1971 kam die Psychedelika-Forschung weitgehend zum Erliegen, denn deren Einstufung in die höchste Risikostufe „Schedule I“ spricht den Substanzen jeden medizinischen Nutzen ab. Das wirkt bis heute nach und blockiert auch in Österreich das Anbieten psychedelischer Therapien und die Forschung (siehe „Psychedelika in klinischen Tests – bitte warten!“). „Psilocybin ist in Österreich auch als Suchtgift klassifiziert, was für mich nicht rational nachvollziehbar ist“, sagt etwa Matthäus Willeit von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Medizinischen Universität Wien. Psychedelika würden keine Sucht auslösen, sondern könnten im Gegenteil helfen, Suchtverhalten für andere Stoffe zu vermindern.
Die Suchtgift-Gesetzgebung nennt der Mediziner „vollkommen irrational“. Eine zusätzliche Hürde stellt die „gute Herstellungspraxis“ (englisch: Good Manufacturing Practice, GMP) dar, die eine Reihe von Qualitätsmerkmalen für Wirksubstanzen auferlegt. GMP-konformes Psilocybin gibt es jedoch weder in Österreich noch in einem anderen EU-Land zu kaufen. In diesen strengen Regulierungen ortet auch der britische Experte David Nutt einen Grund für die kaum vorhandene Forschung in Österreich und Deutschland. In Österreich kommt in der Therapie das bereits zugelassene Medikament Esketamin zum Einsatz, das im Molekülaufbau mit Ketamin identisch ist. Ob das Narkotikum zu den Psychedelika zählt, ist zwar nicht unumstritten, bei der Behandlung hartnäckiger Depressionen gibt es aber Erfolge zu vermelden (siehe „Per Trip zur psychischen Gesundheit?“).
Microdosing und Neuro-Enhancement
Mit Aufkommen der psychedelischen Renaissance rücken auch Einsatzgebiete außerhalb des klinischen Umfelds in den Fokus. So wird etwa ein positiver Einfluss von Psychedelika auf die Kreativität vermutet, und unter dem Begriff „Neuro-Enhancement“ werden psychoaktive Stoffe gezielt dazu eingesetzt, die intellektuelle und kognitive Leistung günstig zu beeinflussen (siehe „Psychedelische Substanzen und Neuro-Enhancement“).
Bei allen möglichen positiven Wirkungen darf nicht auf die Schattenseiten des Konsums psychedelischer Drogen vergessen werden (siehe „Höhenflug und Höllentrip“). Kurt Fellöcker, Leiter der Studiengänge „Mental Health“ sowie „Suchtberatung und Prävention“ der Fachhochschule St. Pölten, sieht dabei eine geringe Gefahr einer psychischen Abhängigkeit, größer sei dagegen die Vergiftungsgefahr. Auch sind psychische Störungen wie Schizophrenie oder bipolare Störungen Kontraindikationen für die Anwendung von bewusstseinserweiternden Substanzen. Fazit: Psychedelika sollten weder verteufelt, noch verharmlost, sondern als Werkzeuge gezielt eingesetzt werden.
Trips mit Kontrolle
Ob Renaissance oder Revolution, Expertinnen und Experten mahnen zur Vorsicht, wenn es um die Zukunft der Psychedelics geht. Die Sozialwissenschafterin Claudia Schwarz-Plaschg, die im Rahmen des von der europäischen Kommission geförderten Marie Skłodowska-Curie Projekts „ReMedPsy“ die Medikalisierung, Entkriminalisierung und Legalisierung von Psychedelika in den USA untersucht hat, resümiert (siehe untenstehenden Podcast sowie den Gastbeitrag „Trippen ohne Überwachung und Strafen?”): „Psychedelika sind ein echter Hype. Aber wir müssen vorsichtig sein, nicht zu ‚high‘ zu werden und am Boden zu bleiben. Was alle Forscher und Aktivisten der Zivilgesellschaft vermeiden wollen ist, das Debakel der 1960er zu wiederholen, als Politiker wie US-Präsident Richard Nixon Psychedelika stigmatisierten, um engstirnige politische Ziele zu erreichen und politische Gegner und marginalisierte Gruppen einzusperren. Die ganze Welt leidet unter den Konsequenzen. Um Psychedelika wieder sicher in die Gesellschaft zu bringen, müssen wir die Fakten mit den riesigen Erwartungen abwägen, die auf diese faszinierenden Substanzen projiziert werden. Um zu den Fakten zu kommen, brauchen wir die Wissenschaft.“