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Bürgerbeteiligung für die Erzeugung sauberer und preiswerterer Energie

Aus dem EU-Magazin Horizon / Content-Partnerschaft

Während sich Europa von fossilen Brennstoffen verabschiedet, zapfen lokale Energienetze erneuerbare Quellen an, um die Versorgungslücke zu schließen und die Geldbörsen der Verbraucher zu schonen.

EU-Magazin Horizon

von Andrew Dunne

Credit: Roland Schlager

Sie sehen vielleicht aus wie gewöhnliche Steckdosen, aber wenn Sie eine Wärmepumpe oder ein Ladegerät für E-Fahrzeuge mit einem der intelligenten Widgets anschließen, können Sie viel für die Umwelt tun und im Haushalt sparen.

In der nordspanischen Stadt Valladolid erprobt Santiago Campos eine neue Technologie, die die Art und Weise zu verändern verspricht, wie er und viele andere zu Hause Energie verbrauchen. Campos ließ Ende letzten Jahres eine Reihe von intelligenten Widgets in seinem Haus installieren und profitiert nun von einer höheren Energieeffizienz und niedrigeren Heizkosten.

Hohe Zulagen

„Ich tue dies aus Gründen des Umweltschutzes und auch, um zu Hause Geld zu sparen, insbesondere um meine Wärmepumpe effizient zu nutzen“, sagt der 55-jährige Campos, der für die lokale Stromgenossenschaft Energética Coop arbeitet. „Ich möchte auch zur Entwicklung eines neuen Serviceangebots beitragen, von dem ich glaube, dass er eine große Wirkung für unsere Mitglieder und die Umwelt haben könnte.“

Willkommen bei dem von der EU finanzierten REDREAM-Projekt! Das Ziel dieses Projekts besteht in der Förderung der Nutzung preiswerterer erneuerbarer Energiequellen.

Die Initiative setzt ein datenbasiertes technologisches System ein, das optimiert, wie und wann die Verbraucher Energie verbrauchen, und Europa dabei hilft, sich von fossilen Brennstoffen wie Kohle und Erdgas zu verabschieden.

Die seit Monaten zu lesenden Schlagzeilen über steigende Energiekosten haben deutlich gemacht, wie wichtig das Ziel Europas ist, seine Energieversorgung umweltfreundlicher zu gestalten. Schon vor dem Einmarsch Russlands in die Ukraine vor mehr als einem Jahr bereitete die EU im Rahmen des Kampfes gegen den Klimawandel höhere Ziele für erneuerbare Energien bis 2030 vor.

Erneuerbare Energien werden am Ende des Jahrzehnts gemäß des neuen europäischen Gesetzesentwurfs durchschnittlich mindestens 40 % des Energieverbrauchs in der EU ausmachen. Das bisherige Ziel für 2030 liegt bei 32 %.

Dieses Ziel stellt jedoch eine Herausforderung dar, nicht zuletzt wegen der schwankenden Verfügbarkeit der erneuerbaren Energien wie Solar- und Windenergie.

Spitzen in der Energienachfrage stimmen selten mit Spitzen in der Erzeugung erneuerbarer Energien überein. Wenn am Abend zu Hause eine Wärmepumpe eingeschaltet wird, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der verwendete Strom aus fossilen Brennstoffen gewonnen wurde.

Erschwinglich und leicht

„Die derzeitigen Möglichkeiten für Verbraucher, ihren Energieverbrauch zu ändern, sind sehr begrenzt“, erklärt der Energieexperte Dr. Álvaro Sánchez Miralles, zuständig für die REDREAM-Koordination. Die dreijährige Initiative läuft bis September dieses Jahres.

Die Grundidee des Projekts ist ein „Energie-Ökosystem“, das Nachfragespitzen reduzieren kann, indem es den Energieverbrauch gleichmäßiger über den Tag verteilt. Das System kann Geräte aus der Ferne steuern und die Bedingungen ausnutzen, unter denen erneuerbare Energien leicht verfügbar sind.

Wenn zum Beispiel an einem sonnigen Tag Sonnenenergie im Überfluss vorhanden ist, weiß das System, dass es die Chance auf saubere, billigere Energie nutzen muss, um etwa E-Fahrzeuge aufzuladen.

All dies bedeutet, dass wir in der Lage sein müssen, mehr erneuerbare Energien zu nutzen, und zwar auf eine Weise, die für die Haushalte praktikabel ist, so Miralles, Senior Associate Professor am Institut für Technologieforschung (IIT) an der Päpstlichen Universität Comillas in der spanischen Hauptstadt Madrid.

Eine App-Schnittstelle hilft den Anwendern, den Verbrauch besser zu verstehen, und ein „Energie-Assistent“ berät sie über Optionen.

Ein Modus schaltet automatisch Geräte ein, wenn erneuerbare Energien im Überfluss vorhanden und günstiger sind. Ein anderer Modus sendet eine entsprechende Benachrichtigung an die Verbraucher und überlässt ihnen die Entscheidung, ob sie die Geräte aktivieren oder nicht.

In Valladolid sagt Campos, dass er die Technologie alle Entscheidungen über seine Wärmepumpe treffen lässt, und lobt das gesamte System.

„Ich habe es so eingestellt, dass es automatisch meine Wärmepumpe steuert“, fügt er hinzu. „Es ist sehr einfach zu benutzen und erzielt bereits eine große Wirkung.“

Campos sagt ergänzend, dass es noch zu früh sein, um die genauen Einsparungen zu berechnen.

Bislang testet nur eine Handvoll Nutzer in Spanien, Kroatien und Großbritannien die Technologie, doch wenn diese in den kommenden Jahren in größerem Umfang eingesetzt wird, könnte sie einen erheblichen Einfluss auf die Förderung erneuerbarer Energien haben.

„Unser eigentliches Ziel ist es, Millionen von Nutzern zu haben, damit wir diese Veränderungen im großen Stil herbeiführen können“, so Miralles.

Rollentausch

Über lokale Partner hilft REDREAM auch den Verbrauchern, selbst zu Erzeugern erneuerbarer Energien zu werden – eine Rolle, die den Begriff „Prosumer“ hervorgebracht hat.

Dies kann verschiedene Formen annehmen: vom Bau einer Windturbine in einer Gemeinde bis hin zur Installation von Sonnenkollektoren auf den Dächern der Privathäuser. Das Team sieht hier eine weitere Möglichkeit, die erneuerbaren Energien zu erweitern und die Energiekosten zu senken.

In Valladolid untersucht Campos, wie die REDREAM-Technologie es ihm ermöglichen könnte, die auf seinem Dach erzeugte Solarenergie direkter für die Stromversorgung seines eigenen Hauses zu nutzen.

Durch diese Technologie können die lokale Stromerzeugung und der Energieverbrauch der Haushalte integriert werden.

Aber auch andere sehen Vorteile in einer größeren lokalen Erzeugung erneuerbarer Energien.

Kostas Galanakis ist Koordinator des Smart-BEEjS-Projekts: ein Konsortium aus acht Universitäten und Forschungszentren in ganz Europa, das die Entwicklung von „Plus-​Energie-Quartieren“ (PEDs) fördert.

Das Projekt ergänzt die Pläne der EU, bis 2025 insgesamt 100 solcher Energiedistrikte einzurichten. Es begann 2019 und läuft bis April dieses Jahres.

PEDs sind Gemeinden oder Stadtteile, die durch die Erzeugung eigener erneuerbarer Energien mehr Energie produzieren als sie verbrauchen.

Positive Kreisläufe

Diese Energie kann dann an das Netz zurückverkauft werden, und wenn die Gewinne reinvestiert werden, entsteht ein positiver Kreislauf: Die Einnahmen aus den erneuerbaren Energien werden zur Beschleunigung des lokalen ökologischen Wandels verwendet und helfen ärmeren Haushalten bei der Zahlung ihrer Stromrechnungen.

Es gibt erfolgreiche Beispiele, aber sind in der Regel in kleinem Maßstab. Smart-BEEjS setzt sie ein, um herauszufinden, was funktioniert und was nötig ist, damit mehr PEDs entstehen können.

Galanakis verweist auf Fälle wie Aardehuizen in den Niederlanden und die dänische Insel Samsø, wo die Verbraucher durch die Erzeugung ihrer eigenen Energie wirtschaftliche und ökologische Vorteile erzielen.

In Aardehuizen gibt es nur 23 Häuser. Jedes wird mit passiver Sonnenwärme (große Fenster auf der Südseite), Sonnenkollektoren, Holzöfen und Wärmepumpen beheizt. Die Gemeinde ist zwar an das Stromnetz angeschlossen, aber dank der Sonnenkollektoren ist sie weitgehend autark.

Im Jahr 1997 erhielt Samsø den Zuschlag für einen Vertragsabschluss mit der Regierung zur Energieautarkie auf der Basis von 100 % erneuerbaren Energien. Mehr als ein Vierteljahrhundert später erzeugt die Insel ihren gesamten Strom und ihre Wärme mit Offshore- und Onshore-Windturbinen und Sonnenkollektoren selbst.

Während politische Unterstützung und neue Finanzmittel für das Gedeihen von PEDs in anderen Ländern von entscheidender Bedeutung sind, können die vom Smart-BEEjS-Team gewonnenen Erkenntnisse in künftige politische Entscheidungen einfließen, so Galanakis, der außerordentlicher Professor für Innovationssysteme und Unternehmertum an der Nottingham Trent University in Großbritannien ist.

Längerfristig sieht er einen wachsenden Bedarf und ein enormes Potenzial für den Aufbau von Energiesystemen von unten nach oben, so dass die Schwächsten der Gesellschaft davon profitieren.

„Wir konzentrieren uns darauf, das Energiesystem zu dezentralisieren, um die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu verringern und es sozial gerecht zu gestalten, damit es die Schwächsten nicht zurücklässt“, sagt Galanakis.

Weitere Infos

APA-Science Content-Kooperation mit Horizon

Die Finanzierung der für diesen Artikel erforderlichen Forschung erfolgte über die Marie Skłodowska-Curie-Maßnahmen (MSCA) der EU. Dieser Artikel wurde erstmals in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht.