Durch Bioenergie kann mittelfristig ein Ausstieg aus fossilen Energieträgern erfolgen
Raus aus dem Gas? Blödsinn, Erdgas ist ideal, wir müssen dabei bleiben, sonst kostet uns der Umstieg eine Lawine. Was gibt es außerdem Schöneres als ein Kohlenstoffatom, dessen vier Bindungsmöglichkeiten mit einem ebenso schönen Wasserstoffatom gesättigt werden.
Und wenn wir künftig nicht in Rubel, sondern in österreichischen Euros bezahlen, dann haben wir auch kein Problem. Bisher war Energie ja quasi kostenlos, ganz einfach ein Loch in den Boden bohren und dann kam so viel heraus, wie wir bis jetzt gebraucht haben. Alles andere war „nicht konkurrenzfähig“, wie es so schön heißt. Erdöl und in weiterer Folge Diesel=Heizöl, Benzin, oder Kerosin waren sehr billig, das „Abfallprodukt Erdgas“ konnte bisher meist sogar zu Preisen von weniger als 20 EUR/MWh bezogen werden. Das ist weniger, als für die Produktion von Waldhackgut gebraucht wird. Also waren fossile Energieträger bisher unausweichlich und alles andere höchstens „alternativ“ oder ein nettes Spielzeug für ein paar Forschende.
Was ist mit der VÖST?
Wenn wir auf dieser polarisierenden Makroebene bleiben, stellt sich die Frage, ob wir denn überhaupt genügend Rohstoffe haben, um uns aus der fossilen Abhängigkeit zu befreien. Oft wird dann berechtigterweise gefragt: „Ja, damit können wir die Haushalte versorgen, aber was ist denn mit den großen Verbrauchern wie dem Verkehr, oder der Industrie?“. Dazu gibt es klare Antworten, welche alle streng die Einhaltung des Naturschutzes beachten. Bereits 2009 hat etwa das Bundesforschungs- und Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren und Landschaft zusätzlich nutzbare Potentiale an Waldhackgut von mehr als 25 Mio. Festmeter pro Jahr festgestellt, was sich mit all den zahlreichen Studien deckt, die danach durchgeführt wurden.
Aktuell wäre es sehr gesund, den Wald viel mehr zu nutzen, weil Sturmschäden und Borkenkäferinvasionen zu bekämpfen sind. Letzte Hochrechnungen ermittelten etwa ein Potential von bis zu 150 Mio. Festmeter per anno für die nächsten 15 Jahre. Ganz zu schweigen vom Potential an biogenen Abfällen, welche zuletzt beispielsweise von Dr. Christoph Straßer präsentiert wurden [1].
Österreich ist eines der weltweit führenden Länder für Bioenergie
Was heißt das jetzt?
Österreichs gesamter energetischer Endverbrauch vor Beginn der Pandemie entsprach etwas mehr als 1.000 Petajoule (PJ), etwas weniger als 70% davon wurde durch Kohle, Öl oder Gas bereitgestellt. Wollen wir jetzt „raus aus dem Gas“, dann brauchen wir dafür 27 Mio. Festmeter in Form von Waldhackgut pro Jahr, diese Menge sollte also gesichert verfügbar sein. Wenn wir die Forstwirtschaft so weit ausbauen, dass zusätzliche 50 Mio. Festmeter pro Jahr geerntet werden, dann können die schwachen 70% unseres fossilen Energiebedarfs durch saubere Ressourcen ersetzt werden. Außerdem bleibt das Geld dann bei uns und subventioniert keine Krisenländer mehr, sondern es werden Arbeitsplätze in Österreich geschaffen.
Angesichts der aktuellen Hochrechnungen sollte die Aufbringung dieser zusätzlichen 50 Mio. Festmeter pro Jahr vor allem in den nächsten 15 Jahren kein Problem darstellen. In dieser Periode wird es auch möglich sein Technologien zu entwickeln, welche mit Abfällen betrieben werden. Damit wird der Bedarf an Waldhackgut verringert und dieser Wertstoff kann mittelfristig für hochwertigere Zwecke genutzt werden. In Österreich gibt es 2.500 Anlagen, die Waldhackgut einsetzen [2], eine davon in Wien. Die logische Konsequenz ist es also, solche Anlagen, die uns aus der fossilen Abhängigkeit befreien, dort anzusiedeln, wo auch die Ressourcen verfügbar sind, die Abwärme kann dann in bestehende Nahwärmenetze eingespeist werden. Fazit: Wir können den gesamten Endenergieverbrauch, den wir derzeit durch Kohle, Öl oder Gas bereitstellen, durch unsere eigenen, sauberen Ressourcen ersetzen. Dazu müsste nur ein Drittel dieser 2.500 festen Biomasse-Anlagenstandorte ausgebaut werden.
Ja, und warum stellen wir nicht sofort um?
Ganz einfach: Dutzende an nicht technischen Barrieren stehen uns im Weg, wie dies so schön heißt. Als ein kleines Beispiel dafür kann die Einstufung des Brennstoffes in Abfall, oder biogenen Brennstoff genannt werden. Durch eine Reformierung des Abfallwirtschaftsgesetzes könnten zum Beispiel zusätzliche Brennstoffe erschlossen werden. Die beschlossene Besteuerung fossiler Energieträger durch die CO2-Abgabe könnte helfen, wenn diese Gelder tatsächlich dort ankommen, wofür sie gedacht waren. Also beim weiteren Aufbau der Forstwirtschaft oder für den Bau neuer Anlagen, sowie zur Aufrechterhaltung des Betriebes dieser Anlagen. Es könnte nämlich bald geschehen, dass die fossilen Energieträger wieder weniger kosten als die Biomasse selbst und dann wird es schnell wieder „nicht konkurrenzfähig“ sein, „alternative“ Energie zu erzeugen. Wenn wir jetzt einen Bruchteil von dem, was beispielsweise in die Umstellung auf Elektroautos investiert wurde, in die Umstellung auf grünes Gas investieren, sind wir spätestens 2035 frei von Putin&Co, haben zigtausende Arbeitsplätze geschaffen und Österreichs Unternehmen werden unangefochtener Weltmarktführer sein.
[1] https://www.handwerkundbau.at/wirtschaft/umstieg-auf-gruenes-gas-ist-realistisch-48722
[2] https://www.biomasseverband.at/mediathek-pdf/bioenergie-atlas-oesterreich-2019-flipbook/
Kurzportrait
Richard Zweiler hat sich 1997 der Nachhaltigkeit verschrieben und mit Prof. Hofbauer einen Doktorvater gefunden, welcher die Forschung an der Biomassevergasung so weit vorangetrieben hat, dass diese Technologie nun flächendeckend implementiert werden kann. In diesem Team hat Dr. Zweiler an der TU Wien eine Versuchsanlage gebaut, welche eine der Grundlagen für das Biomassekraftwerk Güssing war. Nach einigen Jahren für ExxonMobil in Nigeria und bei Gasstationen der OMV übernahm Dr. Zweiler mit seiner Frau das Forschungsinstitut Güssing Energy Technologies (GET), was bis heute eines der wenigen völlig unabhängigen Einrichtungen der Energietechnik ist. Als ordentliches Mitglied der Austrian Cooperative Research (ACR) bringt GET Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in die Anwendung und unterstützt vor allem Klein- und Mittelunternehmen dabei, deren internationale Wettbewerbsfähigkeit auszubauen. Dr. Zweiler betreibt das österreichische Biogasnetzwerk [3] und ist Gründungsmitglied von R2Gas [4].