Eisenbahninfrastruktur im Klimawandel
Der Klimawandel stellt nicht nur unser persönliches Leben und unsere Umwelt, sondern auch die Verkehrsinfrastrukturen vor große Herausforderungen – insbesondere das Schienennetz als Rückgrat nachhaltiger Mobilität ist davon betroffen.

Extremwetterereignisse wie Hitzewellen, Starkregen mit Überschwemmungen und heftige Stürme nehmen zu. Diese klimatischen Stressfaktoren zeigen direkte Auswirkungen, reduzieren sie beispielsweise die Verfügbarkeit der Infrastruktur und bringen damit Instandhaltungsplanungen und Budgets zum Platzen.
Häufige Hitzewellen können beispielsweise zu hohen Schienenlängskräften führen, welche mancherorts in Gleisverwerfungen resultieren. Trockenheit und darauffolgende Intensivniederschläge überlasten Entwässerungssysteme sowie die Wasseraufnahmekapazität des ausgetrockneten Bodens. Der Oberflächen-Abfluss nimmt stark zu und es kommt zu Muren oder zu schnell ansteigenden Gewässern wie z. B. im Ahrtal 2021 mit dramatischen langfristigen Auswirkungen.
Auch in Österreich musste die Westbahnstrecke 2024 für rund drei Monate gesperrt werden, um Hochwasserschäden zu sanieren. Daneben beschädigen die stärker werdenden Stürme Oberleitungen, bringen Bäume zu Fall und führen somit wiederum zu Streckensperrungen. Wie wird nun auf diese Entwicklungen reagiert? Erstens mit Sofortmaßnahmen durch engmaschiges Monitoring und Klimarisikoanalysen, sowie zweitens mit längerfristigen Forschungsmaßnahmen für antifragile Fahrwegsysteme und resistente Bauweisen.
Klimarisikoanalysen werden bereits seit einiger Zeit ausgearbeitet und systematisch durchgeführt und sollen in die integrative Planung übernommen werden. So wird z.B. durch ein wiederholendes Befahren aller Strecken der ÖBB der Bewuchs im Nahfeld der Trassen erfasst und in verschiedene Kategorien eingeteilt. Oberleitungsschäden durch umstürzende Bäume sollen so verhindert werden. Erdrutschgefährdete Hänge und Stützwände werden mit engmaschiger Sensorik ausgestattet, um bereits geringe Bewegungen zu erkennen und entsprechend reagieren zu können (digitale Frühwarnsysteme).
Abstimmung zwischen Forstwirtschaft und ÖBB
Gerade auf den vielen Bergstrecken mit engen Radien ist die Abstimmung zwischen Forstwirtschaft und ÖBB stark verbessert worden, um die lokalen klimatischen Auswirkungen von Rodungen besser abfangen zu können und Hangrutschungen zu vermeiden. Durch aktuelle Forschungsergebnisse können auch Zustandserhebungen der nicht einsehbaren Fahrweg-Entwässerung überprüft und prognostiziert und somit vorrausschauende Maßnahmen getroffen werden.
Eisenbahninfrastrukturen werden für Zeiträume von über 30 Jahren ausgelegt. Daher und aufgrund der veränderten Situation lässt sich ein angepasster resistenter und im besten Fall antifragiler Fahrweg nicht sofort umsetzen. Mithilfe von längerfristigen Forschungsmaßnahmen wird jedoch das Wissen und Verständnis der physikalischen Systemzusammenhänge erarbeitet. Prüfstände und Labore zur Untersuchung der Systeminteraktion wie an der TU Graz und im angegliederten Research Cluster Railway Systems spielen dabei eine wichtige Rolle, um etwa das Verhalten des Eisenbahnfahrwegs unter hohem Grundwasserspiegel untersuchen zu können.
Auf Basis dieser Erkenntnisse werden sodann simulationsgestützt verifizierte Verbesserungsmaßnahmen erforscht und umgesetzt. Zu ebendieser Umsetzung bedarf es dann einer offenen Infrastrukturbetreiberin, wie wir sie zum Glück in Österreich auch vorfinden. Daneben ist auch die Zusammenarbeit und der Innovationswille der Bahnindustrie entscheidend. Diese spiegeln sich auch in Sektorinitiativen und Förderprogrammen wie Rail4Future und Rail4Climate wider.
Rail4Future und Rail4Climate
Ersteres mit dem Ziel, ein vollständig vernetztes und digitalisiertes Bahnsystem zu entwickeln, um dadurch den effizienten Einsatz und das Management von Bahnressourcen zu optimieren. In dieser Sektorinitiative arbeiteten die ÖBB mit rund 20 Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft über 3,5 Jahre zusammen an dem Ziel, durch Simulationen und digitale Zwillinge das Verhalten und den Zustand von Komponenten wie Schienen, Weichen sowie Bauwerken (Brücken und Tunneln) zu untersuchen.
Das derzeit laufende 20 Millionen Euro starke Förderprogramm Rail4Climate befasst sich weiterführend mit der Digitalisierung und Automatisierung des Bahnsystems. Ziel ist damit, die Kapazität und Produktivität des österreichischen Eisenbahnsektors zu steigern, wobei hier insbesondere prototypische Entwicklungen gefördert werden. Auch im Größeren werden und wurden seitens der EU-Projekte gefördert, welche z.B. risikobasierte Planungsansätze für kritische Infrastrukturen unter extremen Bedingungen entwickeln.
Neben den einzelnen Forschungsprogrammen und Aktivitäten ist jedoch ohne langfristige gesicherte politische und gesellschaftliche Unterstützung und Finanzierung der eingeschlagene Weg nicht realisierbar. Das System Eisenbahn trägt zwar seinerseits einen Anteil zur CO2-Reduzierung bei, wird aber bei weiteren fehlenden Klimaschutzmaßnahmen trotz angepasster Strategien erhebliche Folgekosten aufweisen.
Fazit
Der Klimawandel fordert proaktive Strategien zur Stärkung unserer Bahninfrastruktur und das klare langfristige Bekenntnis der Politik und Gesellschaft zum System Bahn. Forschung, Überwachung und Planung müssen systematisch auf Extremwetterereignisse reagieren. Der Schienenverkehr bleibt dennoch der Schlüssel zur klimafreundlichen Mobilität – aber nur mit einer ebenso klimaresistenten Infrastruktur.

Kurzportrait
Univ.-Prof. Dr.techn. Ferdinand Pospischil M.Sc. (37) ist Leiter des Instituts für Eisenbahn-Infrastrukturdesign an der Technischen Universität Graz. Er studierte Bauingenieurswesen an der TU München, promovierte im Eisenbahnwesen in Innsbruck und wechselte dann zu Getzner Werkstoffe in die Bahnindustrie. Neben seiner Arbeit an der TU Graz ist er Chefredakteur der Fachzeitschrift „Der Eisenbahningenieur“ sowie Mitglied des Vorstands der FSV. Darüber hinaus ist er in verschiedenen Beiräten tätig (DZSF beim EBA, ÖVG, VDEI).
Er beschäftigt sich mit der Resistenz und Anpassungsfähigkeit von Eisenbahninfrastrukturen im Kontext des Klimawandels sowie mit der Entwicklung innovativer Fahrwegtechnologien im System, um die Verkehrsverlagerung auf die Schiene zu unterstützen. In seiner Forschung nutzt er Labor- und Gleismesstechnik sowie Simulationen und verfolgt das Ziel, hoch verfügbare, klimaresiliente Infrastrukturen für eine nachhaltige Mobilität der Zukunft zu gestalten.