Mit Holzextrakten Wunden heilen
Die Rinde von Bäumen besteht aus einer Reihe aktiver Komponenten, die den Baum vor unerwünschten Eindringlingen schützen. Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Studiengänge Biomedizinische Analytik und Holztechnologie & Holzbau der Fachhochschule Salzburg geht derzeit der Frage nach, inwiefern die Bestandteile der Rinde bestimmter heimischer Baumarten zur dermatologischen Wundheilung – etwa bei Epidermolysis Bullosa – beitragen können.
Wundheilung ist ein komplexer Prozess, der Entzündungsphasen sowie Regenerationsphasen beinhaltet. Dieser Wundheilungsprozess kann durch endogene sowie exogene Einflussfaktoren, zum Beispiel mikrobieller Befall, oxidativer Stress oder genetische Veränderungen verzögert oder gehemmt werden. In verschiedenen Studien wurde die Wirksamkeit von Extrakten aus unterschiedlichen Hölzern in Bezug auf antimikrobielle, anti-oxidative und Wundheilungseigenschaften belegt. Ein Paradebeispiel der phytochemischen Wirkstoffe ist Betulin, ein Triterpene aus der Birkenrinde, das als Arzneimittel zur Behandlung von oberflächlichen Wunden und Verbrennungen verwendet wird und weiters anti-bakterielle Wirkung aufweist. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat das Präparat Filsuvez von Amryt Pharmaceuticals DAC, das als aktiven Wirkstoff Birkenrindenextrakt beinhaltet, zur Zulassung für die Wundversorgung von Epidermolysis Bullosa-Patient*innen empfohlen.
Epidermolysis Bullosa zählt zu den seltenen Erkrankungen und ist eine genetisch bedingte Multisystemerkrankung, die unter anderem durch eine extrem verletzliche Haut charakterisiert ist. Der Alltag der Patient*innen ist geprägt durch Schmerzen von Wunden und Blasen der Haut sowie zahlreichen Begleiterscheinungen. Eine Heilung dieser genetisch bedingten Krankheit gibt es zurzeit noch nicht, wobei Fortschritte in der Stammzell-, Zell-, Gen- und Proteintherapie sowie Therapieansätze mit molekularen Wirkstoffen vielversprechende Ergebnisse zeigen.
Die derzeitige Behandlung von Epidermolysis Bullosa beschränkt sich auf die Versorgung der Wunden sowie Schmerztherapie. Daher zählen Präparate, die die Wundheilung fördern, zu einem der wichtigsten Therapien bei EB-Patient*innen. Das Präparat Filsuvez zeigte in klinischen Studien eine beschleunigte Wundheilung durch eine vermehrte Zellteilung von Keratinozyten in der Epidermis. Eine ausführliche Studie über die molekularen Grundlagen der Wundheilungsförderung von Birkenextrakt hat gezeigt, dass Birkenrindenextrakt die Expression von entzündlichen Signalmolekülen beschleunigt und stabilisiert, die in der ersten Phase der Wundheilung von besonderer Bedeutung sind, um den Wundheilungsvorgang zu beschleunigen. Weiters wird durch Zugabe von Birkenrindenextrakt die Migration der Keratinozyten in der Epidermis beschleunigt, was wiederum zu einer beschleunigten Wundheilung führt.
Die chemische Zusammensetzung der Extrakte ist dabei wesentlich, da diese auf molekularbiologischer Ebene die Abläufe in Zellen und Mikroorganismen maßgeblich beeinflussen. „Für uns ist der Extrakt als Gesamtheit von entscheidender Bedeutung“, so Projektleiterin Anja Schuster. Durch die unterschiedlichen (Wechsel)-wirkungen der Einzelkomponenten innerhalb eines Extrakts kann es zu synergistischen Effekten kommen, wodurch die komplexen Mechanismen der Wundheilung an verschiedenen Stellen beeinflusst werden können. So zeigte sich in Versuchen, dass Extrakte unterschiedlicher heimischer Baumarten, ähnlich wie die Extrakte der Birkenrinde, mikrobielles Wachstum hemmen können, sowie zu einer Reduktion von zellulärem oxidativem Stress führen und immunregulatorische Wirkung haben. Unser Ziel ist es, Extrakte heimischer Baumarten zu identifizieren, die die oben genannten Wirkmechanismen vereinen, um diese als Zusatzstoffe oder aktive Wirkstoffe in medizinischen Produkten oder Kosmetika zur Verbesserung verschiedenster Hauterkrankungen/Hautbilderscheinungen zu verwenden.
Eine Reihe von gängigen Hauterkrankungen, u.a. Folliculities, Acne Vulgaris und Psoriasis wie auch oben genannte seltene Erkrankungen wie EB charakterisieren sich durch eine Wundheilungsstörung, Entzündung und bakteriellen Befall. Behandlungsmethoden dieser Erkrankungen beruhen meist auf Kortikosteroiden und Antibiotika, die jedoch einige bekannte Nebenwirkungen und Probleme aufweisen. Eines dieser Probleme ist eine zunehmende Entwicklung von Resistenzen gegen die gängigen Antibiotika. Unsere Vision ist es, neuartige Behandlungsmethoden für diese Erkrankungen zu entwickeln, die durch die Verwendung von natürlichen anti-mikrobiellen Eigenschaften den Einsatz von Antibiotika reduzieren, sowie Alternativen zur Behandlung mit Kortikosteroiden ermöglichen.
Im Sinne der Nachhaltigkeit fokussieren wir uns auf die Verwendung von heimischen Baumarten und deren ungenützte Ressourcen, wobei die Generierung von Wertstoffen aus forstlicher Biomasse in Hinblick auf die zunehmende Ressourcenknappheit ein Kernthema dieses Projekts darstellt.
Kurzportrait
Anja Schuster, PhD studierte Molekulare Biowissenschaften an der Paris-Lodron Universität Salzburg und der Johannes-Kepler-Universität Linz. Nach ihrer Promotion an der Universität Edinburgh im Bereich Toxikologie war sie mehrere Jahre in der Forschung im pharmazeutischen Umfeld tätig. Seit 2019 ist Schuster Forscherin und Lehrende am Department für Gesundheitswissenschaften – Biomedizinische Analytik der Fachhochschule Salzburg.
Neben der Projektleitung für die Forschung im Bereich wundheilungsfördernde Wirkung von Holzrindenextrakte betreut sie Dissertationen, Bachelorprojekte sowie Firmenprojekte und ist für die Akquise von Drittmittelprojekten verantwortlich. Zu ihren Publikationen zählen unter anderem: Antimicrobial Activity and Wound-Healing Capacity of Birch, Beech and Larch Bark Extracts* (Molecules, 2022) und Antioxidative and Antimicrobial Evaluation of Bark Extracts from Common European Trees in Light of Dermal Applications* (Antibiotics, 2023).