„News will find me“
Nachrichten sind für die breite Masse ubiquitär verfügbar, als sogenannter „ambient journalism“ omnipräsent, poppen als Push-Nachrichten auf und Algorithmen filtern, was uns interessieren könnte. Wir bleiben ganz nebenbei up to date! Doch macht uns das schon zu gut informierten Bürgerinnen und Bürgern?

Von Studierenden sowie Schülerinnen und Schülern hören wir immer wieder: Wenn etwas Wichtiges passiert, werde ich das schon erfahren. Es poppt ja ohnehin im „Internet“ oder im persönlichen Social-Media-Feed auf, oder es wird einem von Gleichgesinnten erzählt. Und informiert bleiben funktioniere damit auch, ohne dass man sich aktiv um Nachrichten kümmern muss. Zu dieser „Nachrichten-finden-mich“ aka „News will find me“-Wahrnehmung (NFM) gibt es bereits wissenschaftliche Untersuchungen.
Gil de Zúñiga und Kolleginnen und Kollegen (2017, 2019 & 2020[1]) haben herausgefunden, dass NFM mit einer geringeren Nutzung traditioneller Nachrichten verbunden ist. Die Studien zeigen auch, dass eine NFM-Einstellung das Interesse der Menschen an Politik negativ beeinflusst und ihr politisches Wissen verringert. Ausgewiesen wurde zudem ein positiver Zusammenhang zwischen NFM und der Nutzung sozialer Medien für Nachrichten. D.h. je ausgeprägter die Social-Media-Nachrichten-Nutzung, desto eher zeigt sich eine NFM-Einstellung.
Soziale Medien teilweise schon Hauptnachrichtenquelle
Laut Digital News Report der PLU Salzburg von 2024 verorten sich in Österreich 21 Prozent als Nachrichten-Enthusiastinnen und -Enthusiasten – bei den 14-24jährigen sind es 14 Prozent. Der überwiegende Teil der Bevölkerung folgt Schlagzeilen (55 Prozent vs. 36 Prozent) oder nutzt Nachrichten gelegentlich (24 Prozent vs. 50 Prozent). Für 15 Prozent der befragten Österreicherinnen und Österreicher sind soziale Medien die Hauptnachrichtenquelle. Bei den 18- bis 24-Jährigen informieren sich 39 Prozent primär über soziale Medien. Daher überrascht es nicht, dass gerade die Jüngeren oft eine News-will-find-me-Einstellung zeigen.
Doch wie beeinflusst eine sich ändernde Mediennutzung die Medienkompetenz? Während Talente von Natur aus in Personen vorhanden sein können, handelt es sich bei Kompetenzen um erlernbare Qualifikationen, Fähigkeiten und Kenntnisse, die durch Training und Übung entwickelt werden. Medienkompetenz kann man sich folglich aneignen. So bieten z. B. Studierende im Bachelorstudiengang Medienmanagement der FH St. Pölten für zwölf medieninteressierte Klassen höherer Schulen jährlich individuelle Medienkompetenz-Workshops an.
Nachrichtenkompetenz mittels „Newstest“ erhoben
Zur adäquaten Vorbereitung wird im Vorfeld die Nachrichtenkompetenz der jeweiligen Schülerinnen und Schüler mittels eines „Newstests“[2] erhoben. Dabei handelt es sich um einen Selbsttest, der die Fähigkeiten im Umgang mit digitalen Nachrichten systematisch anhand von ausgewählten Beispielen erhebt.
So zeigen die Ergebnisse der Tests in den Jahren 2023 und 2024 mit Schülerinnen und Schülern der Oberstufe und Medienmanagement-Studierenden des vierten Fachsemesters in den Kategorien (1) Beurteilen der Seriosität von Nachrichten, (2) Fakten überprüfen, (3) reflektierter Umgang mit Nachrichten sowie (4) Wissen um redaktionelle Medien und digitale Kommunikationsplattformen durchwegs stark positive Ausprägungen.[3]
Auffallend geringer ausgeprägt war die Medienkompetenz in der Kategorie Navigieren. Diese Kategorie zeigt auf, wie der Rezipient/die Rezipientin sich auf Nachrichtenwebseiten und in sozialen Medien zurechtfindet oder ob und wie Informationen, Werbung, Meinungen und unseriöse Beiträge erkannt werden. Dabei stammte der überwiegende Teil der Test-Beispiele nicht aus den Social Media, sondern von redaktionellen Online-Medien.
Jüngere schneiden schlechter ab
Bei den Ergebnissen der Kategorie Navigieren zeigte sich im Jahres- und Altersvergleich, dass jüngere Jahrgänge hier zunehmend schlechter abschneiden. Zieht man als Erklärungshilfe das Wissen aus dem österreichischen Teil des Digital News Reports 2024 heran, geht das altersmäßig abnehmende Wissen mit zunehmender Nutzung von Social Media einher und damit, mit einer ausgeprägteren „News will find me“-Einstellung, wie u.a. Gil de Zúñiga et al. attestieren.
NFM-Einstellungen bergen die Gefahr mangelnden politischen Wissens. Funktionierende Demokratien basieren jedoch auf informierter politischer Teilhabe am gesellschaftlichen Willensbildungsprozess. Umso wichtiger ist es daher, junge Menschen zu ermutigen, sich aktiv auch außerhalb von Social Media zu informieren. Die Kompetenz, in redaktionellen Online-Medien navigieren zu können, ist trainierbar und befähigt zur Navigation gerade in nicht selbsterklärenden Informationswelten.
Es braucht daher eine Annäherung beider Seiten: Journalistisch sind hochwertige Inhalte so aufzubereiten, dass junge Menschen angesprochen werden. Umgekehrt müssen junge Menschen den Wert freier Medien mit hohen journalistischen Standards erkennen und wertschätzen lernen, also z. B. lernen, bessere von weniger guten Quellen zu unterscheiden, aktiv relevante Quellen in den eigenen Social-Media-Stream einzubinden, unterschiedliche Perspektiven von Nachrichten zu erkennen und einzuordnen, etc. Das wäre ein erster Schritt zur Stärkung faktenbasierter Diskussion in Gesellschaft und Politik, zur Stärkung gesamtgesellschaftlicher Problemlösungsfähigkeit jenseits von Erregungsspiralen ohne Lösungsbeitrag.
[1] Journal of Computer-Mediated Communcation (2017), New Media & Society (2019), International Journal of Communication (2020)
[2] Der Newstest wurde ursprünglich für Deutschland entwickelt. Mit freundlicher Genehmigung der Stiftung Neue Verantwortung, die den Test im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung für Deutschland, des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, der Landesanstalt für Medien NRW sowie der Medienanstalt Berlin-Brandenburg entwickelte, durften die FH St. Pölten (FH-Prof. Dr. Jan Krone, Dipl.-Ing. Martin Janscha und FH-Prof. Dr. Johanna Grüblbauer) den Newstest in Kooperation mit der Wiener Zeitung/Wiener Zeitung Mediengruppe für Österreich adaptieren.
[3] Detaillierte Ergebnisse wurden von Grüblbauer (2024) im Medienkompetenzbericht 2024 der RTR publiziert.

Kurzportrait
FH-Prof. Dr. Johanna Grüblbauer leitet den Studiengang Medienmanagement der Fachhochschule St. Pölten und forscht im Bereich Media Business am Institut für Creative\Media/Technologies.
Kontakt: JGrueblbauer@fhstp.ac.at