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Gastbeitrag / David Wöss, Jasmin Mensik / Donnerstag 11.04.24

Speichertechnologien für eine nachhaltige Energiezukunft: Strategien und Herausforderungen

Österreichs Stromsystem soll erneuerbar werden. Wasserkraft und Biomasse sind bereits weitgehend ausgebaut und hier gibt es angesichts der Klimaveränderung Unsicherheiten, was zukünftige Erträge betrifft. Daher müssen vor allem Windkraft und Photovoltaik wesentlich größere Beiträge liefern. Da auch unsere Nachbarländer auf erneuerbare Energie umsteigen wollen, ist langfristig eine Versorgung zu jeder Zeit aus erneuerbaren Quellen notwendig.

Und weil Wind und Photovoltaik nicht jederzeit liefern können, sind energie- und kosteneffiziente Speichertechnologien für elektrische Energie in Zukunft unabdingbar. Zur Speicherung steht eine Vielzahl von Technologien in den Startlöchern, wobei derzeit bereits Pumpspeicherkraftwerke sowie Li-Ionen Speicher eingesetzt werden.

Generell kann man je nach Einsatz die verschiedenen Speichertypen in drei Kategorien unterteilen: kurz-, mittel- und langfristiger Ausgleich. Die kurzfristigen Speichertechnologien punkten mit einer hohen zyklischen Effizienz (>85 Prozent). Diese besagt, wieviel der eingespeicherten Energie als elektrische Energie zurückgewonnen werden kann. Nachteile der kurzfristigen Speicher sind die vergleichsweise hohen Investitionskosten pro Kilowattstunde Speicherkapazität. Damit rechnen sich solche Speicher nur bei Erreichen einer hohen Zyklenzahl im Jahresverlauf. Eine Batterie, die pro Jahr nur einmal geladen wird, um Energie vom Sommer in den Winter zu verschieben, würde in 20 Jahren Lebenszeit nur auf 20 Zyklen kommen und wäre dafür viel zu teuer. Für täglichen Tag-Nacht-Ausgleich hingegen ist die Batterie auch kostentechnisch unschlagbar. In diese Kategorie fallen neben Li-Ionen oder Na-Ionen Speichern auch Schwungradspeicher.

Am anderen Ende des Spektrums befinden sich die saisonalen oder langfristigen Speicher. Dabei wird meist die Energie in Form von chemisch gebundener Energie in Brennstoffen wie Wasserstoff, synthetischem Erdgas oder synthetischen Treibstoffen gespeichert, was hohe Energiespeicherdichten erlaubt. Der Nachteil dabei ist, dass durch die Energieumwandlungsprozesse höhere Verluste in Kauf genommen werden müssen und die zyklischen Effizienzen zumeist nur etwa 30 Prozent erreichen. Das heißt: 70 Prozent des Stroms gehen dabei verloren. Vertreter dieser Kategorien sind vor allem Power-to-X Prozesse, die über die Herstellung von Wasserstoff mittels Elektrolyse von Wasser laufen.

Dazwischen stehen Technologien für die mittelfristige Speicherung zur Verfügung, hier wären Pumpspeicherkraftwerke sowie Redox-Flow Batterien zu nennen. Die zyklischen Wirkungsgrade dieser Technologien liegen typischer Weise zwischen jenen der anderen Kategorien.

Hybride Systeme sind meist effizienter

Jede Speichertechnologie ist durch spezifische Vor- und Nachteile charakterisiert. Um den Anforderungen unseres transformierten Energiesystems der Zukunft gerecht zu werden, ist daher die strategische Ausnutzung von Synergien essenziell. Hybride Energiespeichersysteme folgen diesem Prinzip und kombinieren individuelle Speichertechnologien auf Basis ihrer jeweiligen Stärken. Diese hybride Systemkonfiguration hat im Vergleich zu Einzelspeicherlösungen den Vorteil der höheren Systemeffizienz sowie Lebensdauer und geringeren Investitionskosten.

Ein solches Speichersystem könnte beispielsweise auf die Technologien Li-Ionen Batterien (spontaner bis Tag-Nacht-Ausgleich), Pumpspeicherkraftwerke (Ausgleich untertägig bis über mehrere Tage) und Power-to-Gas (saisonaler Ausgleich) setzen. Im Sinne des effizienten Ressourceneinsatzes und der Minimierung von Verlusten sollten jene Speichertechnologien mit höchstem Wirkungsgrad prioritär be- und entladen werden.

In der Praxis bedeutet dies, eine prioritäre Be- und Entladung der dezentral verteilten Li-Ionen Batteriespeicher, da hier hohe zyklische Wirkungsgrade (rund 90 Prozent) erreicht werden. Im Gegensatz dazu ist die Erzeugung von synthetischem Erdgas aus Überschussstrom (Power-to-Gas) und die Rückverstromung in bestehenden Erdgaskraftwerken durch einen geringen zyklischen Wirkungsgrad (etwa 30 Prozent) gekennzeichnet. Daher sollte dieser Prozess der Energiespeicherung nachrangig und möglichst stetig, ohne kurzfristige Wechsel zwischen Elektrolyse und Rückverstromung, stattfinden.

Breite Einigkeit besteht darüber, dass sowohl die erneuerbare Erzeugung aus Wind- wie aus Photovoltaik ausgebaut werden muss. Jedoch verändert das Verhältnis zwischen Wind- und Photovoltaikerzeugung die Anforderungen an die Speicherkonfiguration im Energiesystem. Daher ist die integrierte Betrachtung von erneuerbarer Erzeugung und dem Speichersystem unerlässlich, um ein effizientes, nachhaltiges und verlässliches System zu schaffen. Besonderes Augenmerk muss auf potenzielle Wechselwirkungen und variierende Flexibilitätsanforderungen gelegt werden, welche sich aus unterschiedlichen Kombinationen von erneuerbarer Energieerzeugung ergeben.

Das Team des Instituts für Verfahrens- und Energietechnik der BOKU untersucht diese Wechselwirkungen für den Anwendungsfall der österreichischen Regelzone aktuell. In einem System mit viel (Anteil von 25 Prozent oder mehr an der gesamten Jahreserzeugung) Stromerzeugung aus Photovoltaik, wird ein Großteil des Stroms während der Sommermonate erzeugt. Dies führt zu einem hohen Bedarf an saisonalen Speichern, um auch während der Wintermonate die Nachfrage decken zu können. Um die damit einhergehenden Umwandlungsverluste ausgleichen zu können, muss über das Jahr gesehen insgesamt mehr Strom erzeugt werden.

Mehr Windkraft, weniger Speicherbedarf

Im Gegensatz dazu kann durch die strategische Kombination von Wind- und Photovoltaik der Gesamtbedarf an erneuerbarem Ausbau bei gleichbleibender Nachfrage reduziert und auch der saisonale Speicherbedarf halbiert werden. Bei der strategischen Kombination der erneuerbaren Erzeugung sollte daher verstärkt auf den Ausbau von Winderzeugung gesetzt werden.

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Integration von Speichertechnologien in die Planung und Umsetzung eines effizienten Energiesystems von entscheidender Bedeutung ist. Ein strategischer Ansatz, der die optimale Kombination von Photovoltaik und Windenergie berücksichtigt, ist unerlässlich, um die Gesamtsystemeffizienz zu maximieren und Investitionskosten zu minimieren. Darüber hinaus ist die gesellschaftliche Akzeptanz für den Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere der Windenergie, von entscheidender Bedeutung für eine langfristig erfolgreiche Energiewende.

Ein holistischer Ansatz, der Standortfaktoren und Synergien zwischen verschiedenen Technologien berücksichtigt, ist erforderlich. Die Implementierung eines hybriden Speichersystems, das je nach Effizienz prioritäre Nutzung ermöglicht, birgt das Potenzial, Kosten zu senken und Ressourcen effektiv zu nutzen. Jedoch sind für eine erfolgreiche Umsetzung weitere Fortschritte in Digitalisierung und automatisierter Kommunikation, im Netzausbau und dafür klare politische sowie regulatorische Rahmenbedingungen vonnöten. Nur durch eine ganzheitliche Herangehensweise können wir langfristig eine effiziente und leistbare erneuerbare Energiezukunft gestalten.

Weiterführende Links:
https://link.springer.com/article/10.1007/s00502-023-01174-w
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S2352152X24005802?via%3Dihub

Kurzportrait

David Wöss

Nach dem Masterstudium Verfahrenstechnik-Chemieingenieurwesen an der TU Wien wechselte David Wöss an die BOKU University. In seinem Doktoratsstudium widmete er sich komplexen Energieproduktions- und Verteilproblemen sowie der Integration erneuerbarer Energiesysteme in bestehende Strukturen. Dem Umsetzungsprojekt „Exergieoptimierter Produktionsbetrieb“ wurde 2015 der Staatspreis für Energie und Effizienz verliehen. Bevor David Wöss 2018 als Senior Researcher zur BOKU zurückkehrte, konnte er noch Praxiserfahrung im Bereich des Anlagenbaus bei „VOIGT+WIPP Industrial Research“ sammeln.

Kurzportrait

Jasmin Mensik

Jasmin Mensik ist im Zuge ihres berufsbegleitenden Doktorats am Institut für Verfahrens- und Energietechnik der BOKU University tätig und widmet sich dem Thema der hybriden Energiespeichersysteme und Speichersimulation. Seit März 2018 arbeitet sie hauptberuflich bei „Energie-Control Austria für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft“ (E-Control) im Bereich der Untersuchung von Insider-Handel und Marktmanipulation auf dem Energiegroßhandelsmarkt.

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