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Energie für später

Speichertechnologien als Gamechanger? Überschüssige Energie aus erneuerbaren Quellen zu speichern gilt als wichtiger Schritt auf dem Weg zur Energiewende.
Max Slovencik/picturedesk.com
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Das Speichern überschüssiger Energie aus erneuerbaren Quellen wie Sonne oder Wind ist eine der großen Fragen auf dem Weg zur viel zitierten Energiewende. Ansätze gibt es dabei viele: Von Pumpspeicherkraftwerken über Batterien und Wasserstoff bis zu Warmwasserspeichern und zahlreichen weiteren kreativ anmutenden Lösungen reicht die Palette. APA-Science hat sich umgehört, welche Technologien bei welchem Einsatzgebiet am erfolgversprechendsten sind und welche Stolpersteine noch überwunden werden müssen.

Die Einschätzung des Potenzials ist dabei alles andere als leicht oder unumstritten, da die Effizienz jeder Speichertechnologie maßgeblich von Anwendung, Ziel und Standort abhängt. Ihre Grenzen sind derzeit nicht immer klar erkennbar, die Rollen – und mögliche Kombinationen – dynamisch. „Jede Technologie hat eine Relevanz in spezifischen Bereichen. Die Kunst ist, sie so synergetisch wie möglich miteinander zu verschränken, um möglichst zeit- und kosteneffizient zu einer umfangreichen Dekarbonisierung zu kommen“, erklärt Johannes Kathan, Experte für Speicher im Bereich elektrischer Energiesysteme beim Austrian Institute of Technology (AIT).

„Um den Anforderungen unseres transformierten Energiesystems der Zukunft gerecht zu werden, ist die strategische Ausnutzung von Synergien essenziell. Hybride Energiespeichersysteme folgen diesem Prinzip und kombinieren individuelle Speichertechnologien auf Basis ihrer jeweiligen Stärken“, schreiben auch Jasmin Mensik und David Wöss von der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien in einem Gastbeitrag. Egal, ob es um einen kurz-, mittel- oder langfristigen Ausgleich zwischen Erzeugung und Nutzung geht, zur Speicherung von Energie stünde eine Vielzahl von Technologien in den Startlöchern.

Grob eingeteilt gibt es mechanische Speicher (Pumpspeicher und Co.), chemische wie Wasserstoff, elektrochemische (Batterien) und thermische (etwa Warmwasserspeicher). Das sind laut Fachleuten die wesentlichen Technologien, auch wenn ein Hinweis auf eine deutlich größere Vielfalt nicht fehlen sollte.

Auf einen Blick

Die wichtigsten Technologien um Energie aus volatilen erneuerbaren Quellen zu speichern sind mechanische Speicher (Pumpspeicher und Co.), chemische wie Wasserstoff, elektrochemische (Batterien) und thermische (etwa Warmwasserspeicher). Da jeder Bereich seine Stärken und Schwächen hat, sind – je nach Anwendung – Kombinationen sinnvoll.

Facts

Aktuelle Projekte (Auswahl):

ATES Vienna, BATWOMAN, Battery2Life, Bat2Share, FlexModul, H2 DemoLAB, H2REAL, HighCon, INTERSTORES, MAGNIFICO, MATISSE, MILES, QuantEEFlex, ScaleUp, SECURES, SEKOHS Theiß, STREAMS, Sublime, Treasure, Underground Sun Storage 2030, VanillaFlow 

„Klassiker“ Pumpspeicher

Ein „Klassiker“, die volatile Stromproduktion aus Wind und Sonne effizient in das Energiesystem zu bringen, sind Pumpspeicherwerke. Das System ist einfach: Bei einem Überschuss wird Wasser über Rohrleitungen in ein höher gelegenes Reservoir gepumpt. Am Rückweg treibt es ein Turbinenrad an und produziert Strom. Das funktioniert mit einem für Energiespeicher sehr hohen Wirkungsgrad von bis zu 85 Prozent. Deshalb – und wegen der langen Lebensdauer – werden über 90 Prozent des Stroms global in Pumpspeicheranlagen gespeichert. In Österreich gibt es 106 Speicherkraftwerke mit einer Kapazität von rund 9.000 Megawatt (MW).

 

Was das künftige Potenzial betrifft, geht die Schere aber auseinander: Während weltweit weiter Zuwächse zu verzeichnen sind, sehen Expertinnen und Experten hierzulande begrenzte Möglichkeiten. Zu stark sind inzwischen die Widerstände gegen den sogenannten Verbrauch von Landschaftsressourcen. Auch das Erweitern bestehender Kapazitäten geht nur sehr langsam voran. Die Beschränkung auf alpine Regionen und das Bergland scheint hingegen nicht unüberwindbar (siehe „Pump, Druck, Schwung – Was mechanische Speicher leisten“).

 

So hat sich die Universität Innsbruck beispielsweise unter anderem damit beschäftigt, dieses Konzept auch im Flachland realisieren zu können. Entwickelt wurde dabei ein Energiespeicher in tiefen Schächten („Powertower“) und ein schwimmendes System („Buoyant Energy“) etwa für Binnenwasserflächen. Diese „unkonventionellen Pumpspeicher“ eignen sich den Angaben zufolge zur Kurzzeitspeicherung von Strom, also für jeweils wenige bis mehrere Stunden Pump- bzw. Turbinenbetrieb, so Markus Aufleger, Leiter des Arbeitsbereiches Wasserbau an der Universität Innsbruck.

Daneben gibt es Druckluftspeicherkraftwerke, bei denen Luft in einem Verdichter komprimiert und in einem unterirdischen Hohlraum gespeichert wird. Beim Entladen treibt die Druckluft Turbinen an. Ein nachgeschalteter Generator wandelt die mechanische Energie in Strom um. Dabei werden Wirkungsgrade von bis zu 70 Prozent erzielt. In der Breite durchgesetzt hat sich das bisher ebenso wenig wie Schwungradspeicher. Hier wird ein Schwungrad (Rotor) mit einem Elektromotor auf eine hohe Drehzahl beschleunigt und die Energie als Rotationsenergie gespeichert. In beiden Fällen gebe es aber bei bestimmten Einsatzgebieten Vorteile gegenüber anderen Speichertechnologien.

Thermische Speicher

Ein laut Fachleuten unterschätzter Puffer zwischen Erzeugern und Verbrauchern sind thermische Speicher. Während für einen eher kurzfristigen Ausgleich Pufferspeicher und Bauteilaktivierung in Frage kommen, könnten riesige Warmwasserbecken große Mengen Energie vom Sommer in den Winter transferieren. Daneben gibt es Dampfspeicher, die häufig in der Industrie eingesetzt werden, oder Hochtemperaturspeicher, die auf Feststoffen aufbauen und wo beispielsweise Steine oder Salz aufgeheizt werden.

Tatsächlich in größerem Maßstab relevant sein dürfte aber Warmwasser, in dem zu sehr geringen Kosten sehr viel Energie versenkt werden kann. Die sogenannte sensible Wärmespeicherung, zu der auch die Speicherung im Gebäude, in der Erdoberfläche oder im Untergrund gehört, hat bereits starke Verbreitung im Gebäudebereich als Warmwasserspeicher- etwa als „Design-Add-on“ zur Reduktion der Spitzenleistung und zur Unterstützung von Wärmepumpen. Auch bei Fern- oder Nahwärme seien thermische Netze, Wärmepumpen und Speicher „in welcher Form auch immer“ gut kombinierbar, sagt Thomas Fleckl, Leiter der Abteilung Sustainable Thermal Energy Systems am AIT, im Gespräch mit APA-Science.

Letztlich ist aber eine saisonale oder monatelange Speicherung notwendig, wenn man große Wärmemengen in die kalte Jahreszeit bringen will. Hier gibt es zahlreiche Projekte, Warmwasser in der Erdoberfläche, das können beispielsweise Erdbecken in der Größe von Badeteichen mit 20 Metern Tiefe sein, oder im Untergrund zu speichern. Diese Becken müssen gegen den Untergrund isoliert sein und brauchen eine Abdeckung. Langfristig komme man nicht darum herum, in eine entsprechende Infrastruktur zu investieren, heißt es in „Thermische Speicher lassen niemanden kalt“.

„Wir können nicht ewig warten. Wir müssen Forschung mit der Praxis zusammenbringen.“ Franz Hengel, AEE – Institut für Nachhaltige Technologien

Im Rahmen des per Jahresbeginn gestarteten Projekts Treasure wird beispielsweise an der Entwicklung und Demonstration von großen unterirdischen Wärmespeichern gearbeitet. Ziel sind konkrete Guidelines mit definierter Risikoanalyse, um die Umsetzbarkeit zu beschleunigen. „Wir können nicht ewig warten. Wir müssen Forschung mit der Praxis zusammenbringen“, so Franz Hengel, Leiter der Gruppe Thermische Energiespeicher bei AEE – Institut für Nachhaltige Technologien (AEE INTEC). Im Forschungsprojekt ATES Vienna stehen sogenannte Aquifer im Mittelpunkt, also natürlich vorkommende Wasserreservoirs in großer Tiefe, die als Speicher genutzt werden.

Eine kurzfristige Energiespeicherung ermöglicht wiederum die thermische Bauteilaktivierung (TBA). Dabei werden Rohrleitungen aus Kunststoff in Wände oder Decken integriert, durch die warmes Wasser zum Heizen oder kaltes Wasser zum Kühlen geleitet wird. So „aktivierte“ Bauteile können Energie speichern, Lastspitzen aus dem Stromnetz glätten oder Überschüsse der eigenen PV-Anlage nutzen. Als Nachteil gilt die Trägheit des Systems, so dauert es teilweise einen Tag bis Änderungen bei der Heizung Wirkung zeigen würden, was den Nutzern klar kommuniziert werden müsse.

Batteriespeicher

Als die derzeit besten Kurzzeit-Stromspeicher mit großem Potenzial als Tagesspeicher gelten elektrische Batterien. Auch hier ist das Einsatzgebiet ein wichtiger Faktor: Ob eine Batterie beispielsweise stationär oder mobil genutzt werden soll, macht einen großen Unterschied. In ersterem Fall ist möglicherweise nicht relevant, ob sie die Größe einer Waschmaschine hat, wenn sie dafür kostengünstiger ist. Ins Auge sticht in diesem Bereich jedenfalls die intensive Forschung an Nachfolgern für Lithium-Ionen-Batterien (siehe „Überschussstrom: Neue Batterien ante portas“), bei denen man auf seltene und giftige Elemente wie Kobalt angewiesen ist.

Eine Möglichkeit scheint der Ersatz durch häufige „Hauptgruppenelemente“ wie Sauerstoff, Stickstoff und Schwefel zu sein, was zugleich einen großen Sprung in der Speicherkapazität mit sich bringen könnte. Aber auch organische Materialien wie Wurzeln und Blättern sollen, weil sie gut verträglich und biologisch abbaubar sind, Vorteile bieten. Man denke an Implantate oder Sensoren, die den Gesundheitszustand messen. Andererseits sind sie nicht sehr stabil und haben eine vergleichsweise geringe Leistungsdichte. Auch an einer nachhaltigen „Vanille-Batterie“ wird geforscht.

Ein weiterer Ansatz sind „Magnesium-statt-Lithium“-Batterien, weil das Material umweltverträglicher und viel besser verfügbar ist, als Elektrodenmaterial aber auch eine höhere Kapazität pro Volumen aufweist. Weniger giftige Substanzen verwenden und den Energiebedarf senken, das ist auch Thema bei der Forschung an „grüneren“ Lithium- und strukturellen Festkörperbatterien. Von letzteren erhofft man sich mehr Sicherheit für Elektrofahrzeuge, aber auch in der Luftfahrt. Zudem sollen sie durch die Integration in tragende Bauteile wie Seiten- und Bodenpaneele weniger Zusatzgewicht in Anspruch nehmen.

Elektroautos kommen auch als weiterer potenzieller Speicher für Überschussstrom stärker ins Gespräch. Wenn sie parken, könnte man sie im Bedarfsfall auch als Versorgungseinheiten nutzen. Für die notwendige Akzeptanz müsste das Fahrzeug allerdings mit ausreichend Restladung zur Verfügung stehen, wozu ein intelligentes Strommanagement eingesetzt werden sollte. Und auch wenn Batterien das Ende ihrer Lebensdauer im Fahrzeug erreichen, könnten sie mit einer Restkapazität von 70 bis 80 Prozent in ihrer zweiten Lebensphase beispielsweise als stationäre Speicher dienen.

Superstar Wasserstoff

Viel Hoffnung setzt die Forschung derzeit in Wasserstoff als probates Langzeitspeicher-Medium für Energie, auch wenn es bei seiner Erzeugung aus elektrischem Strom zu nicht unbedeutenden Verlusten kommt. Er kann im Gegensatz zu Batterien über Jahre hinweg gespeichert, bei Bedarf verstromt oder in einer Vielzahl von industriellen Anwendungen genutzt werden. Um der fossilen Welt den Rücken kehren zu können, muss Wasserstoff „grün“ werden, was derzeit vor allem durch Elektrolyse (elektrische Aufspaltung) von Wasser mit Strom aus erneuerbaren Quellen, wie Wind- oder Sonnenenergie, passiert.

Noch sind diese und ähnliche Technologien aber nicht ausgereift, was die wirtschaftliche Produktion von Wasserstoff zur Herausforderung macht. Außerdem sind die tatsächlichen künftigen Anwendungsbereiche unklar. Vor allem die Wiederverstromung ist derzeit anscheinend kein brennendes Thema. Wasserstoff sollte man laut Experten zuerst stofflich weiterverwerten. Aktuell wird intensiv Grundlagenforschung betrieben und an effizienten Produktionsprozessen gearbeitet. Anstatt per Elektrolyse könnte man Wasserstoff auch aus Biomasse, wie Abfallstoffen und Ressourcen der Forst- und Landwirtschaft, herstellen (siehe „Wie man erneuerbare Energie kreativ in Wasserstoff verwandelt“).

Thema ist auch der verlust- und gefahrenfreie Transport von Wasserstoff, etwa in Erdgasnetzen, zum Beispiel als Beimengung zu herkömmlichem oder synthetischem Erdgas. Untersucht werden hier unter anderem Wechselwirkungen von Wasserstoff mit Metallen und Kunststoffen. Eine andere Methode wäre Wasserstoff quasi in Eisen zu verstecken und beispielsweise in Form von Pellets zu transportieren. Was die Lagerung betrifft, gibt es nordöstlich von Wien viele unterirdische Kavernen. Alternativ könnte man daraus Methangas herstellen, das Hauptbestandteil von Erdgas ist, und es im Untergrund horten.

Mehr flexible Speicher

Dass in den kommenden Jahren deutlich mehr flexible Speicher und Erzeugungsanlagen notwendig sein und eine wichtige Rolle spielen werden, zeigt auch das Forschungsprojekt SECURES von TU Wien, AIT und Boku. Denn durch die zunehmend wetterabhängige erneuerbare Stromerzeugung würden kurzfristige Schwankungen stark zunehmen, was ein hohes Maß an Systemflexibilität erfordere, um Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen. Bei der Planung künftiger Energiesysteme müssten zudem extreme Wettersituationen, insbesondere Hitzewellen und Dunkelflauten, stärker berücksichtigt werden.

Ein Stresstest für die Versorgungssicherheit habe ergeben, dass es für Speicher und nachfrageseitige Flexibilitätsanlagen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede bei den beiden Szenarien gebe. In einer Dunkelflaute seien thermische Speicher aufgrund der zunehmenden Sektorkopplung sowohl auf der Wärme- als auch auf der Stromseite zur Lastverschiebung sinnvoll. Während einer Hitzewelle mit wenig Laufwasser- und Winderzeugung würden sich hingegen Batterien zentral für das System erweisen, um die hohe PV-Einspeisung tagsüber in die Abendstunden zu verlagern. Der Bestand an Elektrolyseuren sowie begleitenden Wasserstoffspeichern erhöht sich bei beiden Ereignissen.

Wie viel wird Wasserstoff in zehn Jahren kosten? Welche Kapazität haben Batterien bis dahin? Was steckt an Entwicklungspotenzial in thermischen Speichern? Noch ist die Glaskugel aufgrund der zum Teil sehr jungen Fragestellungen und Technologien etwas trüb, auch wenn es Studien, Roadmaps und teils sehr optimistische Erwartungen gibt. Aktuelle Forschungsprojekte und Ansätze sollten mittelfristig jedenfalls für etwas klarere Sicht sorgen.

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