apa.at
Gastbeitrag / Christian Kurz / Donnerstag 11.04.24

Wärmespeicher als zentrales Element im Energiesystem der Zukunft

Der Verzicht auf fossile Energiequellen in der Wärmeversorgung ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für den Kampf gegen den Klimawandel. Damit das gelingt, müssen Wege gefunden werden, um Energie in Form von Wärme auch über längere Zeiträume speichern zu können. Ein Mix aus bestehenden und neuen, innovativen Technologien ist gefragt.

Im Wettlauf mit den galoppierenden Klimaveränderungen müssen wir uns auf die effektivsten und rasch umsetzbaren Maßnahmen konzentrieren, um das Steuer noch herumzureißen. Die einfache Formel lautet: den Einsatz fossiler Brennstoffe reduzieren und CO2-Emissionen senken. Dazu ist ein Umbau unserer Energiesysteme erforderlich, der die Integration erneuerbarer Energiequellen verbessert. Mit einem Anteil von knapp der Hälfte unseres Energieverbrauches steht die Erzeugung und Speicherung von Wärme dabei ganz oben auf der Prioritätenliste.

Da nicht immer in jedem Moment genau so viel Wärme erzeugt wird, wie auch zu diesem Zeitpunkt gebraucht wird, muss die überschüssige Wärme zwischengespeichert werden. Wärmespeicher sind also Puffer zwischen Erzeugern und Verbrauchern. Volatile erneuerbare Energie aus Wind und Sonne kann mit ihrer Hilfe bedarfsgerecht in Wärmenetze eingebracht werden. Und das ist auch notwendig, damit aus den derzeit rund 30 Prozent erneuerbarer Energie in der Gestehung von Österreichs Wärme bis 2040 die laut Klimazielen geforderten 100 Prozent werden können.

Dabei ist das Prinzip der Wärmespeicherung denkbar einfach. Die meisten Wärmespeicher funktionieren wie große Thermoskannen, in denen Wärme in Form von heißem Wasser gespeichert ist. Was sich so einfach anhört, kann in der Praxis rasch anspruchsvoll werden. Derzeit gibt es keine Speichertechnologie, die alle nötigen Anforderungen zu Leistung, Kapazität, Wirkungsgrad, Speicherdauer oder Kosten erfüllt. Eine mögliche Herangehensweise an neue Speicherkonzepte ist die Kombination von unterschiedlichen Speichertechnologien zu einem Hybridspeichersystem. Diese Systeme können mehr Anforderungen bewältigen als jede einzelne Technologie für sich. Dadurch werden die Anlageneigenschaften verbessert und Kosten reduziert. Außerdem erschließen sich dadurch neue Geschäftsmodelle, durch die sich diese Speicherkonzepte am Markt behaupten können.

Ein Beispiel: Der größte Wärmespeicher Österreichs steht mit 50 Million Liter Volumen neben dem kalorischen Kraftwerk Theiß in Niederösterreich. In einem Projekt der EVN zusammen mit der Forschungsinitiative Green Energy Lab wird dort untersucht, wie sich der Wärmespeicher in Verbindung mit einem Batteriespeicher und gespeist von einer großen PV-Anlage in das Energiesystem integrieren lässt. Anhand der Erkenntnisse wird ein detailliertes Verständnis solcher Hybridspeichersysteme aus technischer, wirtschaftlicher und regulatorischer Sicht erarbeitet. Ende dieses Jahres sollen konkrete Ergebnisse vorliegen.

Viele Boiler ergeben virtuellen Großspeicher

Hohes Potenzial liegt auch in den vergleichsweise kleinen Warmwasserboilern von Haushalten. Regeltechnisch zusammengeschaltet ergeben sie einen virtuellen Großspeicher, der Spitzen im Anfall von Windenergie lokal in Wärme verwandelt, so dass der Windstrom nicht die Kapazitäten überregionaler Stromnetze belastet. Das ist besonders im Nordburgenland hilfreich, wo eine hohe Dichte von Windparks oft weitaus mehr Strom erzeugt, als in der Region verbraucht werden kann. Eine Studie hat gezeigt, dass ein virtueller Wärmespeicher sehr wohl bei der Bewältigung des Problems helfen kann. Die Herausforderung besteht nun darin, die Kosten für eine Nachrüstung der Boiler zu senken, um einen flächendeckenden Einsatz zu ermöglichen.

Aber Heißwasserboiler sind nicht die einzigen Wärmespeicher in Gebäuden. Größere Wärmemengen lassen sich auch in der Gebäudestruktur selbst speichern. Diese Technologie kursiert unter dem Namen thermische Bauteilaktivierung. Es werden Rohrleitungen in Wänden, Decken oder Böden verlegt, durch die Wasser zirkuliert. Dadurch können die Betonelemente geheizt und gekühlt werden und damit Wärme aufnehmen und abgeben. Die Temperaturschwankungen liegen dabei im Bereich von wenigen Grad Celsius und werden von den Bewohnern kaum wahrgenommen. Dennoch kann ein solches Gebäude kontrolliert Wärme speichern, was z.B. in städtischen Quartieren und Fernwärmenetzen zu einer signifikanten Effizienzsteigerung und Reduktion von CO2-Ausstoß beiträgt.

Vielfach wird neben Bauteilaktivierung auch noch eine Wärmepumpe in Verbindung mit einer PV-Anlage eingesetzt. Die einzelnen Komponenten dieses Gebäude-Energiesystems steuert ein moderner Regelalgorithmus, oft unter Einsatz von künstlicher Intelligenz. Solche und ähnliche Entwicklungen machen deutlich, wie sehr die Entwicklung von Gebäuden von passiven Wärmeverbrauchern hin zu aktiven Wärmespeichern in einem komplexen Wärmeversorgungsnetz bereits vorangeschritten ist. Aber was technologisch ausgereift ist, muss erst noch großflächig umgesetzt werden. Besonders wichtig sind hier Maßnahmen, die den Gebäudebestand betreffen und im Rahmen von Sanierungsmaßnahmen eingebaut und umgesetzt werden können. Technisch machbare Lösungen liegen zwar vor, sind aber noch kaum standardisiert und oft auch teuer.

Gut gefüllte Pipeline an Innovationen

Die Pipeline an neuen Technologien ist auch am Gebiet der Wärmespeicherung gut gefüllt. Es wird aktuell z.B. daran geforscht, mit Hilfe von chemisch-physikalischen Prozessen Wärmeenergie praktisch verlustfrei über Monate hinweg zu speichern. Als Speicher werden auch aufgelassene Erdölbohrungen untersucht, von denen auch Österreich einige zu bieten hat. Natürlich vorkommende Wasserreservoirs in großer Tiefe, sogenannte Aquifere, stellen einen weiteren innovativen und nachhaltigen Zugang zur Wärmespeicherung dar. Diese sind für die Trinkwasserversorgung nicht geeignet, können aber zur Speicherung von Wärmeenergie genutzt werden. Damit wären lange Speicherdauern realisierbar, die den saisonalen Ausgleich zwischen den Wärmeüberschüssen im Sommer und dem korrespondierenden Wärmebedarf im Winter ermöglichen.

Eine besonders interessante Entwicklung sind Carnot-Batterien, mit Hilfe derer sich elektrische Energie in Form von Wärme speichern und auch wieder in Elektrizität umwandeln lässt. Aber bis Carnot-Batterien einen wesentlichen Beitrag zur Dekarbonisierung unserer Wärmesysteme leisten können, wird wohl noch einige Zeit vergehen.

Damit bereits relativ ausgereifte Technologien auch ihren Weg auf den Markt finden, ist praxisorientierte, marktnahe Forschung essenziell. Im Green Energy Lab werden deshalb kooperative Projekte im Schnittpunkt zwischen Forschung, Industrie und Markt durchgeführt, mit dem Ziel, ein funktionierendes Gesamtsystem umzusetzen, dessen technologische Skalierbarkeit zu erforschen und natürlich auch dessen wirtschaftliche Tragfähigkeit zu gewährleisten. Hier sind Förderungen gefragt, die Anreize setzen und Unternehmen motivieren, in diese Richtung voranzuschreiten.

Kurzportrait

Dr. Christian Kurz, Ph.D.

Christian Kurz studierte Physik an der TU Wien und am Massachusetts Institute of Technology (M.I.T.) in den USA. Er forschte auf dem Gebiet von Antimaterieplasmen und Kernfusion, mit dem Ziel, einen Beitrag zur nachhaltigen und flächendeckenden Energieversorgung zu leisten. Mit der Gründung des Start-ups „Cambridge Physics Outlet“, das neue Wege im naturwissenschaftlichen Unterricht beschreitet, trat Kurz von der reinen Grundlagenforschung in die Wirtschaft. Nach zehn Jahren in den USA wieder nach Österreich zurückgekehrt, durchlief er verschiedene Positionen im Management eines österreichischen Energieversorgers. Kurz war auch Geburtshelfer des Green Energy Lab in Wien, einer Forschungsinitiative auf dem Gebiet erneuerbarer Energiesysteme, wo er als R&D Manager tätig ist. An der FH Campus 02 in Graz unterrichtet er R&D Management. An der Pädagogischen Hochschule Burgenland hielt Kurz eine Vortragsreihe zur Weiterbildung von Physiklehrern. Da Fortschritt nur von innovativen Menschen vorangetrieben werden kann, freut sich Kurz über jede Gelegenheit, zur Ausbildung von Physiklehrern beitragen zu können. Sein ungewöhnliches Hobby ist das Fliegen von Tragschraubern, worin er auch den Geschwindigkeits-Weltrekord hält.

Stichwörter