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Gastbeitrag / Petra Siegele / Montag 11.09.23

Wie man junge Menschen mit Wissenschaft erreichen kann

Um das Vertrauen in Wissenschaft nachhaltig zu stärken, ist es wichtig, bereits Kinder und Jugendliche mit wissenschaftlichen Arbeitsweisen vertraut zu machen. Damit v.a. junge Menschen aus nicht immer bildungsaffinen Haushalten erreicht werden, bieten sich Schulen als Türöffner an. Was braucht es, um Angebote zu engagierten Lehrkräften bzw. den Schüler/innen selbst zu bringen? Spannende Formate, Öffentlichkeitsarbeit, Geduld und ein gutes Netzwerk.
Michael Obex-Erben Bereits im Kindes- und Jugendalter sollte man Menschen mit wissenschaftlichen Vorgängen vertraut machen.

Die Erfahrungen der Corona-Pandemie und die Eurobarometer-Umfrage (2021) haben gezeigt, dass es in Österreich ein tieferes Verständnis für Wissenschaft (und demokratische Prozesse) braucht. Hier gilt es, bereits bei der jungen Generation anzusetzen. Kinder und Jugendliche müssen wissenschaftliche Arbeitsweisen kennenlernen und ein Vertrauen in die Forschung entwickeln, um kritisch, wissbegierig und forschungsbegeistert die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

Die Schülerinnen und Schüler haben sich im Zuge dieses Projekts Schlüsselqualifikationen erarbeitet, die es ihnen ermöglichen, zukünftige Herausforderungen besser und strukturierter zu bewältigen. Mag.a. Gabriele Pallua, Lehrerin, Sparkling-Science-Projekt, „TOP-KLIMA-SCIENCE“

An junge Menschen heranzukommen, ist nicht einfach – vor allem an sozial benachteiligte Kinder. Dass gerade dort der Handlungsbedarf besonders groß ist, zeigt u.a. das ÖAW-Wissenschaftsbarometer 2022: So vertrauen 30 % der befragten Personen der Wissenschaft kaum. Bei Personen mit niedrigem Einkommen steigt die Anzahl auf knapp die Hälfte. Entsprechende Angebote müssen also da ansetzen, wo Kinder und Jugendliche aus allen Bevölkerungsschichten anzutreffen sind: in der Pflichtschule.

Es braucht spannende Angebote

Lehrkräfte sind jedoch immer stärker gefordert und Neues findet im Schulalltag schwer Platz. Angebote zur Wissenschaftsvermittlung bilden hier keine Ausnahme. Dennoch gibt es einige Erfolgsfaktoren, damit Projekte Aufmerksamkeit erlangen. Idealerweise greifen die Themen den Lebensalltag der Schüler/innen auf und lassen sich in den Lehrplan integrieren. Derartige Initiativen gibt es viele. Im OeAD koordinieren wir u.a. über 400 Forschende, die als Wissenschaftsbotschafter/innen an Schulen gehen, den Forschungswettbewerb „Citizen Science Award“ oder das Forschungsförderprogramm „Sparkling Science 2.0.

 

Etwas Besonderes war die Zusammenarbeit mit Forschern, Ärzten und Wissenschaftlern. Speziell als Schüler bekommt man nicht oft die Gelegenheit, mit solchen Spezialisten auf ihren Gebieten zu kooperieren. Schüler, Sparkling-Science-Projekt „Fit statt Fett“

Hochschulen, außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, Museen usw. bieten Führungen, Exkursionen und vieles mehr für Schulen an. Zahlreiche Forschende besuchen Schulen – tlw. sogar mit Forschungs-Bussen, wie z.B. dem „missimo“-Truck des Ars Electronica Center oder dem VISTA Science Tuk Tuk.

Den Überblick bewahren

Damit Lehrkräfte aufgrund der Fülle an Angeboten nicht den Überblick verlieren, haben wir auf der Young-Science-Webseite des OeAD über 550 Projekte zur Wissenschafts- und Demokratievermittlung im Unterricht gesammelt. Auch diese Sammlung muss jedoch erst bekannt gemacht werden. Wie gelingt es uns, engagierte Lehrkräfte gezielt zu erreichen?

Auf die Mischung kommt es an

Wir haben nicht die eine Maßnahme gefunden. Im Laufe der Jahre hat sich eine bunte Mischung herauskristallisiert, die uns viele Türen öffnet. Dabei kommt uns unser seit 2011 aufgebautes Netzwerk zugute. Viele Partner nehmen unsere Angebote auf oder geben uns die Chance, diese vorzustellen. Gerade Letzteres ist von unschätzbarem Wert. Erreichen wir Lehrpersonen direkt, sind wir am Ziel angelangt, denn die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass auch die Kolleginnen und Kollegen davon erfahren.

Weiße Flecken

Trotzdem finden sich auf unserer Österreichkarte weiße Flecken. Wie erreicht man Schulen in peripheren Regionen? Wir erzielen gute Erfolge mit einer speziellen Förderung: Einrichtungen können im Forschungsförderprogramm „Sparkling Science 2.0“ 10 % mehr an Fördermitteln beantragen, wenn sie mit peripher gelegenen Schulen bzw. mit Schulen, die bisher nicht oder kaum mit Forschung in Berührung gekommen sind, zusammenarbeiten. Diese Möglichkeit nutzten im Rahmen der ersten Ausschreibung 12 Projekte, die nun mit 29 bisher nicht erreichten Schulen gemeinsam forschen.

Factbox

Finanzielle Anreize motivieren 35 % der Antragsstellenden, mit neuen Schulen zu kooperieren.

Quelle: OeAD, errechneter Anteil geförderter Projekte des BMBWF (kumuliert)

Außerschulische Angebote

Die Förderung von Kinder- und Jugenduniversitäten unterstützt die außerschulische Wissenschaftsvermittlung. Die Erschließung von peripheren Regionen sowie die Erreichung sozio-ökonomisch benachteiligter Kinder und Jugendlicher ist hier eine zentrale Vorgabe. Dazu kooperieren viele Projekte mit Einrichtungen wie dem SOS Kinderdorf, der Volkshilfe, der Caritas, Lerncafés oder Jugendzentren. In den letzten Jahren zeigt sich verstärkt ein Trend hin zu aufsuchenden Angeboten. Die Kinder- und Jugenduniversitäten bringen Wissenschaft und Forschung direkt und niederschwellig in die unmittelbare Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen – in Parks, Gemeindebauten, Bibliotheken und auf öffentliche Plätze.

Junge Menschen direkt ansprechen

Wir selbst wenden uns bei zwei Initiativen direkt an Jugendliche. Einmal richten wir uns an jene, die im Zuge ihrer vorwissenschaftlichen Arbeiten auf ein Forschungsprojekt der Young-Science-Themenplattform zurückgreifen. Diese werden u.a. von Lehrpersonen, Eltern, Geschwistern oder Kolleg/innen auf unsere Plattform aufmerksam gemacht.

Die Initiative „Schülerinnen und Schüler an die Hochschulen“ adressiert besonders begabte oder motivierte Jugendliche, die bereits während der Schulzeit eine Hochschule besuchen möchten. Die Zielgruppe ist sehr klein: Pro Semester nutzen knapp 100 Schüler/innen die Möglichkeit, an einer der insgesamt 32 teilnehmenden Hochschulen zu studieren. Im Schulbereich wenden wir uns daher gezielt an die Ansprechpersonen für Begabungs- und Begabtenförderung. Um besonders engagierte Eltern und Jugendliche direkt zu erreichen, nutzen wir den gesamten Marketing-Mix. Denn gerade junge Menschen informieren sich auf vielen Kanälen.

Durch Zufall bin ich auf der Suche nach meinem VWA-Thema auf Ihr Angebot als Schülerin studieren zu können gestoßen. Schülerin Johanna Eisner in ihrem Motivationsschreiben

Ziel erreicht?

Unsere Projekte erlangen zusehends größere Bekanntheit. Wir ruhen uns aber nicht auf diesen Erfolgen aus. Um das Vertrauen in Wissenschaft zu stärken, gilt es, die Angebote ständig weiterzuentwickeln und die Bewerbung noch zielgerichteter zu gestalten. Ziel ist es, dass Forschen zu einem selbstverständlichen Teil der Schulkultur wird.

Petra Siegele, OeAD

Kurzportrait

Petra Siegele ist seit Herbst 2008 im Spannungsfeld Wissenschaft, Schule und Gesellschaft beim OeAD, der Agentur für Bildung und Internationalisierung, tätig. Dort leitet sie den Bereich „Public Science“ und ist damit u.a. verantwortlich für die Koordination des Forschungsförderprogrammes „Sparkling Science“ und der Förderung von „Kinder- und Jugenduniversitäten“. Seit 2015 leitet sie das vom BMBWF beim OeAD eingerichtete Zentrum für Citizen Science, das mit seinen zahlreichen Young-Science-Maßnahmen einen besonderen Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Schule legt.

sparklingscience.atyoungscience.atzentrumfuercitizenscience.at

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