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Kooperation / EU-Magazin Horizon / 14.02.2024, 15:57

Beerig köstlich: Früchte aus neuer Züchtung und Verarbeitung

Die Forschung trägt dazu bei, dass Erdbeeren und Himbeeren widerstandsfähiger gegen den Klimawandel werden und gleichzeitig gesündere Snacks entstehen. 

APA/dpa/Friso Gentsch
Forscher arbeiten an der Optimierung von Beeren

Supermärkte in ganz Europa bieten selbst mitten im Winter eine so regelmäßige und umfangreiche Auswahl an Erdbeeren, Himbeeren und Heidelbeeren, dass es leicht ist, sie als selbstverständlich anzusehen.  

Doch hinter dem scheinbar grenzenlosen Angebot an in- und ausländischen Produkten in den Supermarktregalen steht die Beerenindustrie weltweit vor einer ernsthaften Bedrohung: Anbaubedingungen, die durch den Klimawandel zunehmend unberechenbarer werden. Als Folge daraus werden die Beeren anfälliger für Schädlinge, Krankheiten und Dürren.  

Beste Züchtungen 

Professor Bruno Mezzetti sucht nach Antworten für die Produzenten in Europa. Als Experte für Obstbaukultur und Biotechnologie an der Polytechnischen Universität Marche in Italien leitet er ein von der EU gefördertes Projekt zur Erhöhung der genetischen Vielfalt von Kulturerdbeeren, -himbeeren und -heidelbeeren, um sie widerstandsfähiger zu machen und gleichzeitig die von den Verbrauchern gewünschten Eigenschaften – Geschmack, Textur und Geruch – zu bewahren. 

Das Projekt mit dem Namen BreedingValue hat eine Laufzeit von vier Jahren bis 2024 und konzentriert sich auf das Keimplasma: Samen, Pflanzen und Pflanzenteile, die für die Züchtung, Forschung und Erhaltung von Nutzpflanzen nützlich sind. „Das Ziel ist es, die besten genetischen Quellen zu identifizieren, insbesondere hinsichtlich Krankheitsresistenz, Wasserbeständigkeit, Widerstandsfähigkeit, Anpassungsfähigkeit, Zuckergehalt und Aroma“, sagt Mezzetti. 

Beeren kitzeln nicht nur die Geschmacksnerven. Die Früchte sind ausgezeichnete Quellen für Vitamine, Mineralstoffe und Nährstoffe und spielen eine wichtige Rolle in einer gesunden Ernährung, indem sie das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Altersdemenz und Krebs reduzieren. 

Der globale Markt allein für Erdbeeren betrug im Jahr 2020 etwa 14 Mrd. Euro, wobei der Anteil Europas laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) etwa 3,5 Mrd. Euro betrug. Seitdem ist der Markt gewachsen. Nun geht es darum, wie die Beerenindustrie der EU die steigende Nachfrage der Verbraucher befriedigen kann. 

„Es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass die Menschen Beeren zu vernünftigen Preisen und in guter Qualität bekommen und der Geschmack erhalten bleibt“, erklärt Dr. Tuuli Haikonen, Forscherin am Natural Resources Institute Finland, das an BreedingValue beteiligt ist. 

Erdbeerfelder 

Laut Eurostat wurden im Jahr 2022 in der EU 700.000 Tonnen Beeren produziert. Erdbeeren stehen an erster Stelle und machen etwa die Hälfte der Gesamtproduktion von Beeren in der EU aus, gefolgt von Himbeeren und Johannisbeeren. 

Spanien ist der Hauptproduzent von Erdbeeren in der EU mit einem Anteil von mehr als 25 %, gefolgt von Polen und Deutschland.  BreedingValue vereint 20 Partner in acht europäischen Ländern, darunter Frankreich, Deutschland, Spanien und die Türkei. 

Laut Mezzetti liegt der Fokus darauf, die Widerstandsfähigkeit zu steigern und sensorische Eigenschaften – einschließlich Farbe – zu entdecken und zu verbessern, die für die Attraktivität beim Verbraucher entscheidend sind. Die Forscher untersuchen eine Reihe von Pflanzenmaterialien, darunter Wildarten sowie selektiv gezüchtete historische und moderne Sorten, sogenannte Kultivare. 

Die Untersuchung von Kultivaren und wilden Artverwandten soll dabei helfen, Möglichkeiten zur Erhöhung der genetischen Vielfalt von Kulturbeeren zu identifizieren.  

„Eine Liebesgeschichte“ 

Die Forscher stellen den Züchtungsunternehmen wünschenswerte genetische Eigenschaften – wie Krankheits- und Wasserresistenz sowie Widerstandsfähigkeit – zur Verfügung. Diese werden dann neue Sorten entwickeln, die widerstandsfähiger gegen den Klimawandel und Krankheiten sind und eine höhere Süße sowie ein besseres Aroma aufweisen. 

„Wir können widerstandsfähige und sensorische Eigenschaften in alten Kultursorten oder bei wilden Verwandten der Kulturpflanzen finden“, sagt Haikonen. „Auf gewisse Weise ist es eine Liebesgeschichte.“  

Dr. Jahn Davik, Wissenschaftler am Norwegischen Institut für Bioökonomieforschung, einem weiteren Projektpartner, hebt die Vorteile für Pflanzenzüchter hervor. „Das Ziel ist es, die Kosten für die Pflanzenzüchter zu senken und gleichzeitig die Effizienz des Züchtungsprozesses von Beeren zu erhöhen“, fügt er hinzu. 

Gesunde Snacks 

Beeren sind zwar süß und nahrhaft, aber auch sehr leicht verderblich. Eine besondere Herausforderung besteht darin, sicherzustellen, dass sie in gutem Zustand geliefert werden und nicht bereits vor dem Verzehr verderben.  

Hier kommt ein weiteres von der EU finanziertes Projekt ins Spiel. Unter dem Namen FRIETS werden neue Dehydrierungstechniken entwickelt, um die Haltbarkeit von Beeren zu verlängern, herkömmliche Salz- und Zuckerarten zu ersetzen und gesündere Snacks zu kreieren.  

„Einzelhändler möchten Beeren lange im Regal halten können, um die Verschwendung zu minimieren“, sagt Marianna Lagonikou, Agronomin in der europäischen Forschungs- und Entwicklungsabteilung des griechischen Lebensmittelunternehmens Rezos Brands.  

Lagonikou leitet FRIETS, das über vier Jahre bis August 2025 läuft und an dem 13 Partner aus fünf europäischen Ländern beteiligt sind: Zypern, Griechenland, Malta, Rumänien und dem Vereinigten Königreich.  Der Schwerpunkt liegt auf neuartigen Methoden zur Verarbeitung von Erdbeeren, Himbeeren und Brombeeren zu Snacks, die weder Zucker, Salz noch chemische Konservierungsstoffe enthalten.  

Die Forscher entwickeln Früchtetrocknungsverfahren, die dazu beitragen, die in Erdbeeren, Himbeeren und Brombeeren enthaltenen bioaktiven Substanzen zu erhalten: natürliche Antioxidantien und antimikrobielle Verbindungen, die nachweislich gesundheitsfördernd sind und die Haltbarkeit der Beeren verlängern. 

Köstlichkeiten nach Maß 

Zu den Techniken gehören die Mikrowellen-Vakuumtrocknung und die Gefriertrocknung, die relativ schonend ist und das Risiko der Denaturierung von Proteinen und der Inaktivierung von Enzymen senkt. Dadurch können bioaktive Verbindungen konserviert werden, ohne dass ihr Nähr- oder Heilwert beeinträchtigt wird.  

Eine dritte Methode ist die osmotische Dehydrierung, bei der den Früchten das Wasser entzogen wird, indem sie in eine Glycerinlösung getaucht werden: ein natürlich vorkommender Alkohol, der als Süßungsmittel verwendet wird. 

„Das Ziel ist es, neuartige Konservierungsmethoden und Produkte unter Verwendung von Konservierungsmitteln zu entwickeln, die alle Bestandteile der Beeren schützen“, erklärt Professorin Magdalini Krokida von der Fakultät für Chemieingenieurwesen an der Nationalen Technischen Universität Athen, einem Partner von FRIETS. 

Sie fügt hinzu, dass intelligente Beeren je nach Bedarf spezifischer Gruppen wie Athleten, Kindern, älteren Menschen und Diabetikern angepasst werden können. 

„Wenn eine Gruppe von Menschen an Typ-2-Diabetes leidet, können wir Produkte mit reduziertem Zucker herstellen und mehr Proteine hinzufügen“, so Krokida. „Es hängt von der Art der Verbraucher und ihren Bedürfnissen für eine spezielle Ernährung ab.“  Diese Forschung steht im Einklang mit der EU-Initiative Food 2030, die darauf abzielt, die Lebensmittelsysteme in Europa nachhaltiger und gesünder zu gestalten. 

Wie Superfood 

FRIETS entwickelt auch Möglichkeiten zur Konservierung von Beeren mit essbaren Beschichtungen auf Seetangbasis, um Kunststoffverpackungen zu vermeiden.  

Seetangbeschichtungen bieten eine schützende Membran für Früchte und verbessern ihren Geschmack, so Krokida. 

„Die essbaren Beschichtungen können Veränderungen am Endprodukt bewirken und die Konservierung unterstützen“, fügt sie hinzu. „Wenn wir sie für Kinder attraktiver machen möchten, können wir das tun.“ 

Sie ist der Ansicht, dass Verpackungen auf Seetangbasis das Potenzial haben, sich zu einer wirtschaftlich tragfähigen und ökologisch nachhaltigen Alternative zu herkömmlichen Verpackungsmaterialien zu entwickeln. 

Die Forscher von FRIETS haben Patente für ihre Beerenprodukte beantragt und erwarten in den kommenden Monaten die Genehmigung. Die ersten Produkte sollen laut Krokida im Laufe des Jahres 2024 über Rezos Brands verkauft werden. 

„Beeren sind so etwas wie Superfood“, sagt sie. „Mit den neuen Techniken, Prozessen und Technologien, die wir haben, werden uns mehr Möglichkeiten zum Anbau von Beeren in Europa zur Verfügung stehen.“ 

Weitere Informationen 

Artikel von Matthew Newman

APA-Science Content-Kooperation mit Horizon

Die Finanzierung der für diesen Artikel erforderlichen Forschung erfolgte durch das Horizon-Programm der EU, im Fall von FRIETS durch die Marie Skłodowska-Curie-Maßnahmen (MSCA). Die Ansichten der Befragten spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Kommission wider. Dieser Artikel wurde ursprünglich in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht.