Kooperation / EU-Magazin Horizon / 17.03.2025, 10:13

Biobanking für die Gesundheit

Mit EU-Mitteln geförderte Forscherinnen und Forscher setzen sich für intelligentere und nachhaltigere Methoden zur Sicherung biologischer Proben und Daten ein, die von Millionen von Bürgerinnen und Bürgern gespendet wurden. Das Ziel ist eine umfassendere internationale Vorbereitung auf potenzielle zukünftige Gesundheitsbedrohungen wie Pandemien.

APA/ZWT/OLIVER WOLF
Das Konsortium mit Sitz in Graz, ist heute einer der globalen Vorreiter des neuen Biobanking-Ansatzes

Trotz seines hervorragenden Gesundheitszustands nimmt Martin Jenkins an einer erstaunlichen Anzahl medizinischer Untersuchungen teil. Allein im November 2024 unterzog er sich einer MRT-Untersuchung seines Gehirns und seines Rumpfes, einer Ultraschalluntersuchung seines Halses, einer Knochendichtemessung, einem EKG seines Herzens und einer Reihe computergestützter Tests zur Beurteilung seines Gedächtnisses und seiner kognitiven Fähigkeiten. „Ich mache das nicht für meinen eigenen gesundheitlichen Vorteil, sondern zum Wohl der Menschheit“, sagt der 56-jährige Jenkins, der in Somerset, Großbritannien, lebt.

Er nimmt an einem nationalen Biobank-Programm teil – einer groß angelegten Initiative, bei der biologische Proben zusammen mit genetischen Daten, Informationen über den Lebensstil und den Gesundheitszustand von Freiwilligen gesammelt und in einer riesigen Datenbank gespeichert werden. Jenkins ist seit 17 Jahren Biobank-Spender und einer von 500.000 Freiwilligen im Vereinigten Königreich und von Millionen weiteren in der EU und weltweit. Das Biobanking, dessen Anfänge bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen, kann die medizinische Forschung beschleunigen, indem es Forscherinnen und Forschern eine riesige Menge an Gesundheitsdaten und Proben zur Verfügung stellt, wann immer sie diese benötigen.

„Was unterschätzt wird, ist, dass alle heute verwendeten Medikamente und Behandlungsrichtlinien auf Proben und Daten von Patienten basieren“, erklärt Jens Habermann, Professor für translationale chirurgische Onkologie und Biobanking an der Universität zu Lübeck, Deutschland. „Vor 20 bis 40 Jahren haben wir den Begriff Biobanking vielleicht noch nicht verwendet, aber das Konzept war dasselbe – damals wie heute unterstützen Patienten künftige klinische Behandlungen, Diagnosen und Gesundheitsvorsorge.“

Europas größte und beste Gesundheitsressource

In Europa entstanden nationale Biobanken in den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren. Sie schlossen sich jedoch erst zu einer europaweiten Initiative zusammen, als 2013 mit Unterstützung und Finanzierung durch die EU ein breites Konsortium mit dem Namen BioMolecular Resources Research Infrastructure – European Research Infrastructure Consortium (BBMRI-ERIC) gegründet wurde. Heute ist BBMRI-ERIC das wichtigste Biobanking-Gremium Europas. Es bringt Forscherinnen und Forscher, Biobanker, Industrie und Patienten in einem kollaborativen Netzwerk zusammen, das der Medizin und den Patienten zugute kommt. Habermann ist Generaldirektor des Konsortiums.

„BBMRI-ERIC ist wahrscheinlich Europas bedeutendste Ressource für die Koordination von Forschungsarbeiten zur Prävention, Diagnose und Behandlung einer Vielzahl schwerer und lebensbedrohlicher Krankheiten“, sagt Habermann. Zu diesen Krankheiten gehören Krebs, schwere Infektionskrankheiten und neurologische Erkrankungen. Vor der Gründung des Konsortiums funktionierten die nationalen Biobanken in ganz Europa überwiegend als isolierte Einheiten Durch BBMRI wurden diese einzelnen Forschungseinrichtungen zu einem internationalen Netzwerk verbunden, das umfassendere biomedizinische Studien ermöglicht.

Das Konsortium mit Sitz in Graz, Österreich, ist heute einer der globalen Vorreiter des neuen Biobanking-Ansatzes. Ein wichtiger Aspekt des Biobankings wird die nachhaltige und umweltfreundliche Arbeitsweise sein. Dazu gehören Lösungen, die den Energieverbrauch für Rechenoperationen und die Lagerung von Proben senken, die derzeit in Tiefkühlschränken bei extrem niedrigen Temperaturen aufbewahrt werden. Eine der Ideen ist der Einsatz von Flüssigstickstoff-Behältern, die biologische Prozesse einfrieren, anstelle von energieintensiven Kühlsystemen.

Über die Grenzen nationaler Biobanken hinausdenken

Die BBMRI-ERIC-Gemeinschaft umfasst 24 nationale Netzwerke von Biobanken aus ganz Europa sowie die International Agency for Research on Cancer, eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation. Sie alle zahlen jährliche Mitgliedsbeiträge, weitere Finanzmittel stammen aus EU-Förderungen. Die Zusammenarbeit erfolgt mit rund 570 Biobanken, um Proben und Gesundheitsdaten zu sammeln und zu speichern. Diese werden über ein Online-Zugangssystem zugänglich gemacht. Das Netz bringt dann Forscherinnen und Forscher mit den gespeicherten Materialien und Daten zusammen, die sie für die gesundheitsbezogene Forschung im öffentlichen Interesse benötigen.

Die Forscherinnen und Forscher des Netzwerks bieten jetzt eine individuelle Beratung für Biobanken an, um sicherzustellen, dass die gesammelten Proben und Daten von gleichbleibend hoher Qualität und netzwerkweit vergleichbar sind. Zudem beraten Experten die Biobanker, Forscherinnen und Forscher in ethischen und rechtlichen Fragen, etwa zur Einwilligung von Patienten und zur sicheren Speicherung ihrer Daten. Einige Freiwillige spenden einmalig Proben während einer medizinischen Behandlung, während andere – wie Martin Jenkins – fortlaufend teilnehmen und so eine umfangreiche Ressource für die Wissenschaft schaffen.

Forscherinnen und Forscher aus nationalen Biobanken können über das Online-Zugangssystem von BBMRI ihre Proben und Daten für Wissenschaftler weltweit zugänglich machen. Das übergeordnete Ziel ist es, diese Ressource zu nutzen, um den menschlichen Körper besser zu verstehen und die öffentliche Gesundheit zu verbessern.

Biobanking sicherer und besser gestalten

Im Jahr 2024 starteten Forscherinnen und Forscher des Biobanking-Netzwerks ein neues, EU-gefördertes Projekt namens EvolveBBMRI, um eine 10-Jahres-Strategie für das Netzwerk zu entwickeln. Als gemeinschaftlich erarbeitetes Projekt wurde die Strategie von der gesamten Biobanking-Gemeinschaft, einschließlich Patientenorganisationen, mitgestaltet. Das übergeordnete Ziel besteht darin, die Datenerfassung und -speicherung zu beschleunigen und die Zusammenarbeit mit der Industrie zu vertiefen.

Diese Initiative soll zudem die Erfassung, Speicherung und Weitergabe von Daten in ganz Europa weiter optimieren und sicherer machen – mit besonderem Fokus auf Nachhaltigkeit und umweltfreundlicheres Biobanking. „Unsere Denkweise bei der Daten- und Probenerfassung muss immer umfassender und besser werden“, sagt Habermann.

„Die Klimakrise, die Luftverschmutzung, die Wasserverschmutzung, die Lebensmittelqualität – all diese Faktoren sind miteinander verbunden und wirken sich auf die menschliche Gesundheit aus. Um die Gesundheit der Menschen zu schützen, müssen wir die Arbeit der nationalen Biobanken ausweiten und die Art und Weise verbessern, wie sie Informationen untereinander und mit Industriepartnern austauschen.“

Schutz vor Pandemien

Eines der Hauptziele des Netzwerks besteht darin, die globale Widerstandsfähigkeit gegenüber zukünftigen Pandemien zu stärken. Dazu gehört, dass Forscherinnen und Forscher Biobank-Material austauschen und untersuchen, um besser zu verstehen, wie sich Krankheiten zwischen Tieren und Menschen ausbreiten können. Viele Infektionskrankheiten haben ihren Ursprung bei Tieren und können auf den Menschen übertragen werden – ein Prozess, der als Zoonose bekannt ist.

Durch die Überwachung und Aufrechterhaltung der Tiergesundheit können Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler potenzielle Quellen von Zoonosekrankheiten identifizieren und bekämpfen, bevor sie auf den Menschen übergreifen. Ein weiterer Aspekt ist die Umweltgesundheit. Umweltveränderungen wie die Abholzung von Wäldern oder der Klimawandel können die Lebensräume von Tieren zerstören und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen mit krankheitsübertragenden Tieren in Kontakt kommen.

Zudem können Umweltverschmutzung und schlechte Abfallwirtschaft Brutstätten für krankheitsübertragende Insekten wie Moskitos schaffen. Dieser ganzheitliche Ansatz wird als One Health bezeichnet und von der EU gefördert. Er unterstreicht die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen den Bereichen menschlicher, tierischer und Umweltgesundheit zum Schutz der menschlichen Gesundheit. „Die Förderung eines besseren Verständnisses der Zusammenhänge zwischen menschlicher, tierischer und Umweltgesundheit ist entscheidend für die Vermeidung zukünftiger Pandemien, und dies ist einer der Schwerpunkte des BBMRI im nächsten Jahrzehnt“, so Habermann.

Von Vittoria D’Alessio

Weitere Informationen:

· BBMRI

· EvolveBBMRI

· BBMRI-ERIC Website

· Der One-Health-Ansatz der EU 

APA-Science Content-Kooperation mit Horizon

Die in diesem Artikel beschriebene Forschung wurde durch die Framework und Horizon Programme der EU gefördert. Die Ansichten der Befragten spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Kommission wider. Dieser Artikel wurde ursprünglich in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht.