Europa möchte Landwirtschaft mit biologischer Vielfalt verbinden
Die steigenden ökologischen und wirtschaftlichen Kosten der industriellen Landwirtschaft können neue Möglichkeiten für einen ökologischen Wandel eröffnen.
Avocado-Bauern in Peru erleben gerade einen Boom. Sie haben ihre Produktion aufgrund der massiv gestiegenen Nachfrage aus dem Ausland in den letzten zehn Jahren um das Sechsfache gesteigert. Aber der Schein kann trügen.
Grundlagen von landwirtschaftlichen Betrieben
Die Avocado-Produzenten und andere, die auf Monokulturen gesetzt haben, kämpfen jetzt mit zunehmenden Energie- und Düngemittelkosten und einem gestiegenen öffentlichen Bewusstsein über die negativen Auswirkungen von Pestiziden, so Brenton Ladd, Forscher an der Universidad Científica del Sur (UCSUR) nahe der peruanischen Hauptstadt Lima. „Das Modell der industriellen landwirtschaftlichen Produktion erscheint immer weniger praktikabel“, so Ladd.
Der Anbau nur einer Kultur – also eine Monokultur – führt zwar tendenziell zu steigenden Erträgen, da die Gesamtkosten niedriger sind. Diese so genannten Skaleneffekte gehen aber mit Umweltbelastungen einher, die sich aus der intensiven landwirtschaftlichen Produktion ergeben. Monokulturen werden daher zunehmend zu einem wirtschaftlichen Risiko für die Erzeuger selbst.
Die EU begegnet beiden Herausforderungen mit neuen Richtlinien und Forschungsinitiativen. Dabei nutzt sie ihre Position als wichtiger Agrarmarkt und Vorreiter im Kampf für eine umweltverträgliche Wirtschaft, zu der auch die Landwirtschaft gehört.
Nahrungsmitteltrends
Und hier kommen wieder die peruanischen Avocados ins Spiel, deren Beispiel zeigt, welchen Einfluss die EU weltweit bei der Umstellung auf eine ökologischere Landwirtschaft haben kann. Avocados liegen in ganz Europa voll im Trend und werden in vielen angesagten Cafés und Restaurants in die verschiedensten Gerichte integriert.
Die wachsende Nachfrage hat dazu beigetragen, dass die Produktion in Peru enorm gestiegen ist: Das Land ist heute der drittgrößte Avocado-Produzent der Welt. Vor ihm liegen nur Mexiko und Kolumbien auf der Weltrangliste.
In der peruanischen Provinz Ica an der Küste des Pazifischen Ozeans hat die extrem gestiegene Nachfrage zu einer intensiven Avocado-Monokultur geführt, für die etwa zehnmal mehr Wasser gebraucht wird als für Tomaten. In der Region werden auch Weintrauben und Spargel angebaut, um Europa damit in den Wintermonaten zu versorgen. Diese Kulturen sind ebenfalls sehr wasserintensiv.
Hilfe durch Forschung
Die EU finanziert ein Forschungsprojekt, das landwirtschaftlichen Erzeugern in Peru sowie in 10 europäischen Ländern helfen soll, nachhaltig und profitabel zu wirtschaften. Es ist Teil einer Reihe europäischer Forschungsinitiativen, die dem Erreichen der für 2030 gesetzten EU-Ziele für biologische Vielfalt und für die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ dienen soll.
Das Projekt namens BioMonitor4CAP hat eine Laufzeit von vier Jahren und endet im November 2026. Zu den teilnehmenden Ländern gehören Belgien, die Niederlande, Österreich, Polen und die Tschechische Republik. Die Forscher entwickeln fortschrittliche Systeme zum Biodiversitätsmonitoring, um die Umstellung auf eine nachhaltige Landwirtschaft zu beschleunigen.
Die intensive Landwirtschaft zerstört oder schädigt natürliche Lebensräume, stößt erhebliche Mengen an Treibhausgasen aus und leert die Wasservorräte, die angesichts der beschleunigten globalen Erwärmung immer kostbarer werden.
In der EU hat im Jahr 2021 einer von 10 landwirtschaftlichen Betrieben ökologische Methoden angewendet – fast doppelt so viele wie ein Jahrzehnt zuvor. Dies zeigt, dass immer mehr europäische Landwirte ihren Teil zum Erhalt der biologischen Vielfalt beitragen.
Die EU hat sich das Ziel gesetzt, den Anteil der ökologischen Landwirtschaft bis 2030 auf mindestens 25 % zu erhöhen. Die jüngsten Änderungen an der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) lassen dieses Ziel realistischer werden.
Grüne Erträge
Die neuen GAP-Regeln, die 2023 in Kraft getreten sind, sehen eine ökologisch nachhaltigere Landwirtschaft vor. Zum Beispiel muss mindestens ein Viertel der Direktzahlungen für EU-Landwirte in die Erfüllung von Öko-Regelungen fließen. Ein großer Teil der Finanzhilfen wird außerdem an kleinere Betriebe vergeben.
Die Größe der landwirtschaftlichen Betriebe steht zwar nicht im direkten Zusammenhang mit ihrer ökologischen Ausrichtung, aber viele Großbetriebe zeichnen sich durch eine intensive Produktion aus. Und obwohl sie nur 1 % der landwirtschaftlichen Betriebe weltweit ausmachen, bewirtschaften sie schätzungsweise 65 % aller landwirtschaftlichen Flächen.
Eine größere biologische Vielfalt kann die Risiken für Dürreperioden verringern, da ein Mix von Nutzpflanzen auch den Wasserbedarf diversifiziert, so Professor Christoph Scherber, Leiter des Zentrums für Biodiversitätsmonitoring und Naturschutzforschung am Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels in Deutschland.
Laut Scherber können Anbauvariationen auch zu einem allgemeinen Anstieg der landwirtschaftlichen Produktion führen. „Es ist wichtig zu zeigen, dass die Landwirtschaft zur biologischen Vielfalt beitragen kann, und aber auch, dass die biologische Vielfalt zu höheren Erträgen führen kann“, sagte Scherber, der auch Koordinator von BioMonitor4CAP ist.
Das Projekt bringt 22 Unternehmen, Universitäten, landwirtschaftliche Organisationen und andere Partner in Europa und Peru zusammen.
Tests vor Ort
Biodiversitätsmonitoring ist schwierig, weil es sich nicht auf einen einzigen Hauptindikator reduzieren lässt. Darüber hinaus kann die Diversität auf verschiedenen Ebenen gemessen werden: auf der Ebene des Ökosystems, der Arten und sogar innerhalb der Arten auf genetischer Ebene. Für jede Ebene ist eine systematische Identifikation erforderlich.
Ein Team aus Ökologen, Agrarwissenschaftlern, Ornithologen, Bodenwissenschaftlern und Biochemikern testet eine bestehende Technologie namens AudioMoth – ein kostengünstiges akustisches Überwachungsgerät zur Verfolgung von Wildtierbewegungen. Die Forscher entwickeln außerdem ausgehend von einem als „Malaise-Falle“ bekannten Insektenfänger ein neues Modell, das kleinen Lebewesen keinen Schaden zufügt.
„Eine Malaise-Falle ist eine zeltartige Insektenfalle, in der die Insekten in der Regel zu Tode kommen“, so Scherber. „Wir entwickeln eine Falle, bei der die Insekten nur fotografiert werden, bevor sie wieder wegfliegen.“
Außerdem wendet das Team traditionelle Methoden wie die Vogelzählung an. Die Forscher setzen diese Monitoringsysteme an 22 Standorten ein, wobei die fünf wichtigsten in Bulgarien, Deutschland, Finnland Großbritannien und Portugal liegen.
An jedem Standort werden Geräte in Ein-Kilometer-Quadraten aufgestellt, um die Vielfalt der Arten und Lebensräume im Hinblick auf die unterschiedliche landwirtschaftliche Nutzung in der Region zu untersuchen.
In Peru sind die UCSUR und ein Produzent von Avocados, Trauben und Spargel namens Agricola Chapi Teil des Projekts. Beim Avocado-Anbau ist nicht nur die Wassermenge ein Problem, sondern auch die Bestäubung: Aufgrund des raschen Wachstums der Anbaufläche gibt es nicht genügend Bienen in der Region.
Agricola Chapi löst dieses Problem durch die Errichtung von Waldgebieten mit einheimischen Pflanzen, die den Bienen den benötigten Lebensraum und die benötigte Nahrung bieten. Dies folgt auf ein umfangreiches Experiment mit Pflanzenkohle, die aus Biomasseabfällen hergestellt wird, zur Kohlenstoffneutralität beiträgt und die Bodenqualität verbessert.
UCSUR versucht, Agricola Chapi bei den Umstellungsmaßnahmen zu unterstützen. „BioMonitor4CAP passt perfekt zu unserem Bedarf an modernsten Technologien zum Biodiversitätsmonitoring“, sagte Ladd von UCSUR.
Die Ergebnisse sollen in weitere EU-Richtlinien einfließen, unter anderem in die GAP, und die biologische Vielfalt in der Landwirtschaft fördern. Diese Schritte bringen auch das EU-Ziel voran, Bodenökosysteme in Europa und ihren Beitrag zur Landwirtschaft zu verbessern.
Großes Potenzial
In gewisser Weise machen die BioMonitor4CAP-Forscher dort weiter, wo ein Team um die französische Forscherin Dr. Laure Latruffe aufgehört hat.
Latruffe, die am französischen Nationalen Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt (Institut national de recherche pour l’agriculture, l’alimentation et l’environnement, INRAE) arbeitet, leitete ein früheres, von der EU finanziertes Projekt über die allgemeinen Perspektiven für den ökologischen Landbau in Europa.
Dieses Projekt namens LIFT (Low-Input Farming and Territories: Landwirtschaft und Flächen mit geringem Betriebsmitteleinsatz) lief über vier Jahre bis April 2022. In dessen Rahmen wurden die landwirtschaftlichen Methoden von mehr als 1 600 Landwirten in 12 europäischen Ländern untersucht.
Die Ergebnisse zeigten, dass alle europäischen landwirtschaftlichen Betriebe, die „Standardmethoden“ einsetzten (das heißt keine ökologische Landwirtschaft betrieben), ein „hohes Potenzial“ für die Einführung ökologischer Methoden aufwiesen, z. B. Bioanbau, Agrarökologie und Agroforstwirtschaft.
Die INRAE-Forschungsdirektorin Latruffe sagte jedoch, dass neben den Landwirten auch eine Reihe von Akteuren in der EU-Lebensmittellieferkette eine Rolle bei der Umstellung spielte. „Die gesamte Wertschöpfungskette muss einbezogen werden, wenn wir das Potenzial ausschöpfen wollen“, sagte sie.
Breit angelegte Maßnahmen
Die Düngemittelindustrie müsse Alternativen zu synthetischen Produkten anbieten und der Einzelhandel bereit sein, ökologische Waren anzubieten, so Latruffe. Sie sagte außerdem, dass die Regierungen die Landwirte in der Anfangsphase der Umstellung unterstützen sollten, damit deren Einkommen gesichert sei, und dass die Verbraucher bereit sein müssten, auch nicht standardisiertes, nicht perfekt geformtes Obst und Gemüse zu kaufen.
Zahlreiche Landwirte seien ihrerseits an einer Umstellung interessiert, weil sie zu technischen, ökologischen und sozialen Verbesserungen in der Landwirtschaft führen kann, so Latruffe.
Sie berichtete außerdem, dass das im Rahmen von LIFT entwickelte Werkzeug die Möglichkeiten der EU zur Messung der landwirtschaftlichen Nachhaltigkeit erweitern wird. Mit diesem Werkzeug werden Landwirtschaftsbetriebe anhand ihrer landwirtschaftlichen Methoden klassifiziert und ihre ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Leistungen verglichen.
In diesem Zusammenhang untermauert LIFT ein neues europäisches Gesetz, das die Nachhaltigkeit der Lebensmittelsysteme in der EU durch eine umfassendere Datenerfassung verbessern soll. Die Verordnung sieht ein Datennetz für die Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Betriebe (Farm Sustainability Data Network, FSDN) vor und wurde von den EU-Regierungen im November 2023 verabschiedet. „Das FSDN ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagte Latruffe.
Weitere Informationen
Artikel von Jessica Berthereau
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Recherchen zu diesem Artikel wurden vom Horizon-Programm der EU gefördert. Die Ansichten der Befragten spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Kommission wider. Dieser Artikel wurde ursprünglich in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht.