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Kooperation / EU-Magazin Horizon / 14.06.2023, 14:59

Europa will gedeihende Wälder durch Renaturierung

Bemühungen zur Verbesserung der Artenvielfalt in Europas Waldgebieten werden dazu beitragen, dass diese den Belastungen des Klimawandels besser standhalten.

APA/dpa
Im Rahmen des Projekts SUPERB werden verschiedene Waldtypen renaturiert

In einem riesigen sandigen Kiefernwald am Atlantik, im Südwesten Frankreichs, macht eine Innovation Schule. Ein Abschnitt der Millionen Hektar großen Fläche mit hoch aufragenden Seekiefern bildet Teil eines EU-finanzierten Projekts, das eine neue Vision der Wiederaufforstung bietet.

In Aquitaine wird im Rahmen des SUPERB-Projekts eine Hecke aus Laubgehölzen und -bäumen wie der Eiche gepflanzt und als „grünes Schild“ bezeichnet. Das Ziel ist es, Lebensräume für Artengemeinschaften von Vögeln, Tieren und Insekten zu schaffen und Wissenschaftlern die Möglichkeit zu geben, die Verbesserung der Artenvielfalt zu bewerten.

Große Ambitionen

Die Kiefern gedeihen zwar prächtig, doch Monokulturen wie diese mit nur einer einzigen Art eignen sich nicht für eine vielfältige Population von Vögeln und Tieren. Dies macht die Bäume anfälliger für invasive Schädlinge, die mit steigenden Temperaturen wahrscheinlich zunehmen werden.

Als Reaktion darauf werden 10 Kilometer Hecken in „Korridoren“ auf einer 20.000 ha großen Fläche gepflanzt, um die vorhandenen Laubbaumarten miteinander zu verbinden. Die Idee ist, eine physische Barriere zu bilden, um die Widerstandsfähigkeit gegen Schädlinge und Krankheiten und mögliche andere Bedrohungen zu erhöhen, die mit der Erwärmung des Planeten zunehmen könnten, wie Winde, Stürme, Waldbrände und Dürre.

„Kein Projekt zuvor war so ehrgeizig in Bezug auf die Hochskalierung“, sagt Christophe Orazio, Geschäftsführer des in Frankreich ansässigen European Institute of Planted Forestund einer der Koordinatoren von SUPERB.

Demo im Dutzend

Aquitaine ist einer von 12 Pilotstandorten in ganz Europa, die von SUPERB koordiniert werden, einer Organisation mit 36 Partnern in 16 Ländern. Das Projekt hat eine Laufzeit von vier Jahren und geht bis November 2025.

Unter der Leitung des European Forest Institute (EFI) zielt die 20-Millionen-Euro-Initiative auf die Renaturierung von Tausenden von Hektar Wald in verschiedenen Landschaften ab, von den alten Bergwäldern der Karpaten bis hin zu den Laubwäldern in den Überschwemmungsgebieten und landwirtschaftlichen Flächen im Süden.

Die 12 Demonstrationsgebiete wurden ausgewählt, um verschiedene Waldtypen zu repräsentieren und die unterschiedlichen Stressfaktoren zu verstehen, die das Überleben dieser Waldgebiete bedrohen.

In Nordrhein-Westfalen zielt das Projekt zum Beispiel darauf ab, Hunderttausende Hektar Wald, die von Borkenkäfern befallen wurden, wieder aufzuforsten. Das Waldsterben ist in einigen Regionen so stark, dass die Waldbesitzer finanziell nicht in der Lage sind, die Renaturierung ohne Hilfe zu bewerkstelligen.

Im Vergleich dazu wird die Renaturierung des serbisch-kroatischen Auenwaldes in einem weitaus bescheideneren Umfang erfolgen. Durch die Diversifizierung der Arten wird jedoch der Verlust von Lebensraum rückgängig gemacht, der Hochwasserschutz für die Landwirtschaft verbessert und der Wald widerstandsfähiger gegen die Auswirkungen des Klimawandels gemacht.

Im Rahmen von SUPERB führt das französische Nationale Forschungsinstitut für Landwirtschaft, Ernährung und Umwelt (INRAE) in den nächsten zwei Jahren eine umfassende Bestandsaufnahme der biologischen Vielfalt durch. „Die Ergebnisse könnten für die zukünftige Gesundheit der Wälder hier und in Ländern mit bedeutenden Forstplantagen wie Schweden, Portugal und Spanien von Bedeutung sein“, fügt Orazio hinzu.

Zahlreiche Partner

Die Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen, politischen Partnern und Geldgebern im Rahmen des Projekts stellt sicher, dass die Bemühungen zur Renaturierung über das Jahr 2025 hinaus ausgeweitet und nachhaltig finanziert werden können.

Mehrere lokale Organisationen haben Sachleistungen in Höhe von 90 Millionen Euro zugesagt, um die erfolgreiche Renaturierung von Wäldern zu erforschen und den Grundstein für die Replikation des Gelernten in einem größeren Maßstab zu legen.

Die Geldgeber fühlen sich von dem Ansatz des Projekts zur Renaturierung angezogen, der über den Kohlenstoff-Ausgleich hinausgeht. Geplant ist nun die Einrichtung eines „Marktplatzes“, um Geldgeber mit neuen Aufforstungsinitiativen zusammenzubringen.

„Die Renaturierung findet in vielen Gebieten der Welt statt, aber die Erhaltung und nachhaltige Verwaltung von Projekten auf lange Sicht ist oft ein sehr großes Problem“, sagt Gert-Jan Nabuurs, Professor für europäische Waldressourcen an der Universität Wageningen in den Niederlanden und Mitkoordinator von SUPERB.

Fast 100 beteiligte Partner haben sich bereits verpflichtet, die Renaturierungsmethoden des Projekts in ihrem Land anzuwenden. Dank detaillierter Arbeitspläne und sorgfältiger Datenerfassung können die Fortschritte genau überwacht werden. SUPERB hat auch drei Schwesterprojekte, die mit verschiedenen Ökosystemen verbunden sind – WaterLANDSMERLIN, REST-COAST – und stützt sich auf deren Erfahrungen.

Wirtschaftliche Implikationen 

Das Projekt zielt darauf ab, die Eigenverantwortung der lokalen Gemeinschaften zu fördern, doch einige Landbesitzer zeigen sich unschlüssig in Bezug auf ein Engagement, weil sie die Auswirkungen von Umweltmaßnahmen auf den Forsthandel fürchten.

„Die Leute können denken, dass die Wissenschaft darauf aus ist, die Rentabilität des Waldes einzuschränken, aber in Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall“, erklärt Professorin Magda Bou Dagher Kharrat, leitende Wissenschaftlerin bei EFI und Mitglied des SUPERB-Koordinationsteams. „Wir kümmern uns um die Nachhaltigkeit des Waldes und damit auch um sein Einkommen. Unser Ziel ist es, den Menschen dabei zu helfen, ihn so zu bewirtschaften, dass er auch in Zukunft seine vielfältigen Ökosystemleistungen erbringen kann.

Das Projekt möchte den Menschen helfen, die Bedeutung der Renaturierung des Waldes besser zu verstehen.

Wälder sind seit langem eine Inspirationsquelle für Geschichten. SUPERB greift diese Tradition auf, um „Renaturierungsgeschichten“ in Online-Blogs zu erzählen, die von verschiedenen Projektforschern verfasst werden. Indem man den durchgeführten Aktivitäten ein menschliches Gesicht gibt, kann man den Gesamtnutzen vermitteln.

„Die Renaturierung wird uns helfen, stärkere und schönere Wälder zu haben, an denen wir uns alle erfreuen können“, sagt Nabuurs. Er betont zudem den wirtschaftlichen Wert der europäischen Wälder, stellen sie doch die Quelle von Rohstoffen wie Holz und Papier dar.

Da die Auswirkungen des Klimawandels in ganz Europa zunehmend spürbar werden, steht für das Projekt viel auf dem Spiel. Bou Dagher Kharrat erklärt, dass die globale Erwärmung die Wiederaufforstung von Wäldern in einen völlig neuen Kontext gestellt hat.

„Bei der Renaturierung ging es einmal darum, einen Wald an einen Punkt in der Vergangenheit zurückzubringen“, fügt sie hinzu. „Jetzt muss die Renaturierung im Angesicht des Klimawandels nach vorne schauen. Wir bezeichnen das im Englischen als „Pre-Storation“: eine Kombination aus Renaturierung und Anpassung, damit unsere Wälder zukünftigen Herausforderungen zum Wohle der Menschen und des Planeten standhalten können.“

Artikel von Alison Jones

APA-Science Content-Kooperation mit Horizon

Dieser Artikel wurde erstmals in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht.