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Kooperation / EU-Magazin Horizon / 31.01.2024, 13:16

Mobile medizinische Bildgebung für bessere Versorgung unterwegs

Forscher arbeiten an der Entwicklung von tragbaren Ultraschallgeräten, die Millionen von Patienten eine verbesserte Behandlung in Aussicht stellen. 

APA/HELMUT FOHRINGER
Bisher kommen Ultraschallgeräte nur stationär zum Einsatz

Wenn jemand einen Schlaganfall erleidet, ist der Zeitpunkt der medizinischen Hilfe entscheidend. Je schneller die Behandlung erfolgt, desto größer ist die Chance, dass die Person sich vollständig erholt.  Aber die Ärzte müssen wissen, welche Art von Schlaganfall zu behandeln ist.  

Zeitfenster von 60 Minuten 

Zum Beispiel könnten thrombolytische Arzneimittel, die Blutgerinnsel auflösen, bei einem Schlaganfall, der den Blutfluss zum Gehirn blockiert, Unterstützung bieten. Die gleichen Medikamente hätten jedoch katastrophale Folgen im Falle eines Schlaganfalls, bei dem es zu Blutungen im Gehirn kommt. 

„Es gibt ein erhebliches Timing-Problem“, sagt Dr. Olivier Couture, Forschungsdirektor am Biomedizinischen Bildlabor in der französischen Hauptstadt Paris. „Wenn man Menschen innerhalb der ersten Stunde behandelt – der goldenen Stunde – hat der Schlaganfall weniger Auswirkungen auf ihr Leben“, erklärt er. 

Das Biomedizinische Bildlabor wird gemeinsam vom französischen Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS), der Sorbonne-Universität und dem Französischen Nationalen Institut für Gesundheit und medizinische Forschung (Inserm) betrieben. 

Couture leitet ein von der EU gefördertes Projekt, das Ärzten helfen soll, die geeignete Behandlung für einen Schlaganfall schneller zu bestimmen. Das Projekt mit der Bezeichnung ResolveStroke soll nach fünfeinhalb Jahren im Februar 2024 enden. 

Es steht viel auf dem Spiel. Schlaganfälle führen weltweit jährlich bei etwa 5 Millionen Menschen zu dauerhaften Behinderungen – zusätzlich zu den 6 Millionen Todesfällen pro Jahr.  

In Europa erleiden jedes Jahr schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen einen Schlaganfall, wobei ein Drittel von ihnen danach auf fremde Hilfe angewiesen bleibt.  

Neue Perspektive 

Die ResolveStroke-Forscher setzen zur Behandlung von Schlaganfällen auf die Ultraschallbildgebung anstelle konventioneller diagnostischer Techniken, hauptsächlich CT- und MRT-Untersuchungen.  

Obwohl sie klare Bilder liefern, erfordern CT- und MRT-Untersuchungen spezialisierte Zentren, hochqualifiziertes Personal und sind mit schweren Apparaturen verbunden. Vor allem beanspruchen sie beträchtliche Zeit.  

Ultraschall verwendet Schallwellen, um Bilder zu erzeugen und bietet aufgrund seiner Portabilität die Aussicht auf schnellere Diagnosen – sogar von Rettungswagen aus. Jedoch sind Ultraschallbilder in der Regel weniger präzise, da die Streuung der Wellen im Gewebe die Auflösung begrenzt.  

Als Ausgangspunkt für die Arbeit des Projektteams dient die Ultraschall-Superresolution. Bei dieser Technik werden die Blutgefäße mit einem Kontrastmittel, nämlich klinisch zugelassenen Mikrobläschen, abgebildet, um das durch sie fließende Blut zu verfolgen, anstatt wie bei der traditionellen Ultraschallmethode die Gefäße selbst abzubilden. Dies ergibt ein klareres Bild des Blutflusses. 

Scanner auf Rädern 

Nachdem sie die Technologie zunächst an Rattengehirnen getestet hatten, gingen die Forscher zu Schafen über und entwickelten schließlich einen Scanner, der im November 2023 grünes Licht für Versuche an menschlichen Patienten erhielt. Das Team bereitet sich auf Studien im Bichat-Claude-Bernard-Hospital in Paris vor.  

„Unser Traum ist, die Kosten zu senken und die Portabilität sowie den Zugang zu verbessern: im Grunde genommen, die Technologie in Rettungswagen zu integrieren“, erklärt Couture. 

Die Forscher haben zum Zweck der besseren Kommerzialisierung ein Unternehmen namens ResolveStroke gegründet. Sie hoffen, die europäische Zulassung für den Scanner bis 2025 zu erhalten. 

Eine schnellere und bessere Behandlung von Schlaganfällen hat das Potenzial, die Gesundheitsausgaben erheblich zu senken. 

Die Gesamtkosten für die Schlaganfallversorgung in Europa beliefen sich im Jahr 2017 auf 60 Mrd. Euro und könnten, aufgrund der alternden Bevölkerung des Kontinents, ohne bessere Prävention, Behandlung und Rehabilitation bis zum Jahr 2040 auf 86 Mrd. Euro steigen, so eine europäische Interessenvertretungsorganisation. 

Tragbare Hilfe 

Während Couture und sein Team weiterhin daran arbeiten, Ultraschallscanner in Rettungswagen zu integrieren, streben Forscher im benachbarten Belgien, unterstützt durch EU-Fördermittel, danach, die Ultraschallbildgebung in einem umfassenderen Kontext für eine breitere Palette von Gesundheitsanwendungen einzusetzen.  

Diese Expertengruppe arbeitet an der Entwicklung einer tragbaren Ultraschallsonde, die Ärzten Diagnosen erleichtern und die Bandbreite ihrer Anwendungen von Geburtshilfe bis zur Behandlung von Sportverletzungen verbessern soll.  

Das Projekt trägt die Bezeichnung LucidWave und hat eine Laufzeit von drei Jahren bis Mitte 2025. Die in der Entwicklung befindlichen tragbaren Geräte sind etwa 20 Zentimeter lang und haben eine rechteckige Form. Das LucidWave-Team möchte sie nicht nur in radiologischen Abteilungen, sondern auch in anderen Bereichen des Krankenhauses, wie z.B. in Operationssälen und sogar in Altenheimen, zur Verfügung stellen.  

„Wir möchten eine Ultraschall-Medizinbildgebung anbieten, die in der Hand gehalten werden kann und kabellos ist“, sagt Bart van Duffel, Projektmitglied und zugleich Innovationsmanager für Membran-, Oberflächen- und Dünnschichttechnologie an der Universität KU Leuven in der belgischen Region Flandern.  

Benutzerfreundlich 

Um dies zu erreichen, hat das Team eine andere Wandlertechnologie in die Sonde integriert, die auf mikroelektromechanischen Systemen (MEMS) basiert, die mit den Chips in Smartphones vergleichbar sind.  

Die alternative Technologie basiert auf piezoelektrischen mikromechanischen Ultraschallwandlern (PMUT) – winzigen „Trommeln“ aus Silikonfolie, die bei Anlegen einer Spannung vibrieren und die Ultraschallwellen erzeugen, die für die Bildgebung benötigt werden und verschiedene Teile des menschlichen Körpers abdecken können.  

Die erzeugten Bilder werden KI-unterstützt von der LucidWave-Software analysiert,die die Daten schnell verarbeiten und eine Vorabdiagnose für medizinische Experten bereitstellen kann.  „Der Prototyp des Projekts ist einfach zu bedienen, so dass medizinische Fachkräfte aller Art – nicht nur Ultraschallspezialisten – ihn einsetzen können“, sagt Dr. Sina Sadeghpour, Forschungsleiter an der KU Leuven und Leiter von LucidWave. 

Das Team testet den Prototyp an Leichen mit dem Ziel, die Bildqualität zu verbessern. Dies ist ein wichtiger Schritt, um die Genehmigung für Studien mit lebenden Menschen zu beantragen und schließlich zur Markteinführung des Geräts.  Die Forscher schätzen, dass das Gerät in etwa fünf Jahren vollständig zugelassen und kommerziell verfügbar sein könnte.  

„Wir wollen die Ultraschallbildgebung weithin verfügbar und erschwinglich machen, ohne dabei Kompromisse bei Funktionalität und Leistung einzugehen“, so van Duffel. „Wir betrachten diese neue Ultraschalltechnologie als eine Art Stethoskop der Zukunft.“ 

Weitere Infos 

Artikel von Massy-Beresford

APA-Science Content-Kooperation mit Horizon

Die Finanzierung der für diesen Artikel erforderlichen Forschung erfolgte durch das Horizon-Programm der EU über den Europäischen Forschungsrat (ERC) und den Europäischen Innovationsrat (EIC). Die Ansichten der Befragten spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Kommission wider. Dieser Artikel wurde erstmals in Horizon, dem EU-Magazin für Forschung und Innovation, veröffentlicht.